Wenn Amerika ausfällt – Weckruf für die deutsche Wehrhaftigkeit – Deutsche Politik muss handeln …

Berliner Morgenpost: Wenn Amerika ausfällt … ein Kommentar von Christian Unger über Deutschlands Sicherheit

Wie fatal abhän­gig das deut­sche Mili­tär von den USA ist, wur­de im August 2021 deut­lich. Die ame­ri­ka­ni­sche Armee zog aus Afgha­ni­stan ab, über­ließ den radi­kal­is­la­mi­schen Tali­ban das Feld. Als die Füh­rung der Bun­des­wehr vom US-Abzug erfuhr, woll­te die Trup­pe nur noch weg. Ohne die Ame­ri­ka­ner wäre nicht ein­mal mehr die siche­re Abrei­se gewiss.

Es hät­te ein Weck­ruf für die deut­sche Wehr­haf­tig­keit sein müs­sen. Aber der kam erst am 24. Febru­ar 2022. Russ­land über­fiel die Ukrai­ne. Nun ist Ex-US-Prä­si­dent Donald Trump noch nicht an der Macht, doch sei­ne Poli­tik wirkt schon. Die Repu­bli­ka­ner im Senat blo­ckie­ren Hil­fe für die Ukrai­ne. Ken­ner der US-Poli­tik befürch­ten, wenn Trump noch ein­mal ins Amt kommt, macht er Ernst mit sei­nem Abschied von den Kon­flik­ten der Welt, zieht sein Land aus der Nato raus, stoppt Mili­tär­lie­fe­run­gen an die Ukraine.

Trumps Poli­tik heißt auch: Die USA wer­den nicht mehr die Welt­po­li­zei sein. Man­chem Anti-Ame­ri­ka­ner in Deutsch­land wird das gefal­len, nach der Paro­le „End­lich Schluss mit dem Mus­kel­spiel in Washing­ton, mit dem Ein­mi­schen im Nahen Osten“. Doch die­ser Rück­zug wird zum Pro­blem, auch für Deutschland.

Die Bun­des­re­gie­run­gen haben sich im Stil eines Schlaf­wand­lers seit Jahr­zehn­ten auf die Schutz­macht USA ver­las­sen – in den ers­ten hei­ßen Jah­ren des Kal­ten Krie­ges, nach den Anschlä­gen vom 11. Sep­tem­ber, im Kampf gegen den Isla­mi­schen Staat und auch in den ers­ten Kriegs­mo­na­ten in der Ukrai­ne. Doch nun ist klar: Die deut­sche Poli­tik muss han­deln. „Kriegs­tüch­tig wer­den“ sagt Ver­tei­di­gungs­mi­nis­ter Pis­to­ri­us. Die­se schar­fe Rhe­to­rik aber schürt mehr Wider­wil­len. Deutsch­land muss sich ver­tei­di­gen kön­nen, es muss kei­nen Krieg füh­ren kön­nen. Was jetzt der fal­sche Weg ist: natio­na­les Wettrüsten.

Deutsch­lands Ver­tei­di­gung aber gelingt nur im Ver­bund. Wenn die USA in die­ser Part­ner­schaft eine klei­ne­re Rol­le spie­len, muss Euro­pa mehr Gewicht bekom­men. Noch immer redet die Poli­tik zu viel über neue Pan­zer in der Bun­des­wehr – und zu wenig über eine gemein­sa­me euro­päi­sche Armee. Es gibt ein­zel­ne län­der­über­grei­fen­de Rüs­tungs­pro­jek­te, doch sie schei­tern auch immer wie­der an natio­na­len Ego­is­men. Bes­tes Bei­spiel: Unter dem Pro­jekt „MGCS“ soll ein neu­er Kampf­pan­zer in deutsch-fran­zö­si­scher Koope­ra­ti­on ent­ste­hen. Doch das Rüs­tungs­vor­ha­ben stand laut Recher­chen schon kurz vor dem Aus. Unter den poli­ti­schen Span­nun­gen zwi­schen Ber­lin und Paris lei­det auch die Sicher­heits­po­li­tik der EU, und Deutsch­lands. Beson­ders seit­dem Groß­bri­tan­ni­en mit dem Aus­tritt aus der EU ohne­hin kein ver­läss­li­cher Kum­pan ist.

Kanz­ler Scholz und der neue fran­zö­si­sche Pre­mier Attal gaben sich nun zuver­sicht­lich, dass sowohl das Pan­zer­pro­jekt als auch das Luft­kampf­sys­tem FCAS kom­men – doch wich­ti­ge Zeit scheint schon ver­lo­ren. Wenn Deutsch­land und Frank­reich, ein­zi­ge Atom­macht in der EU, nicht an einem Strang zie­hen, bedeu­tet das: Euro­pa bleibt mili­tä­risch schwach. Genau dar­auf setzt Putin im Kreml: auf einen US-Prä­si­den­ten, der brav zwi­schen Washing­ton und Flo­ri­da bleibt. Auf ein Euro­pa, das der Ukrai­ne auf Dau­er zu wenig Bei­stand leis­ten kann.

Die Demo­kra­tie muss wehr­haft sein. Das spü­ren wir im Inne­ren beim Kampf gegen Ver­fas­sungs­fein­de von rechts, die Wer­te wie Frei­heit und Men­schen­rech­te aus­höh­len wol­len. Das spü­ren wir im Äuße­ren im Ein­satz gegen völ­ker­rechts­wid­ri­ge Angriffs­krie­ge. Wehr­haft zu sein muss also auch hei­ßen: mili­tä­risch stark sein. Nicht als Nati­on, aber als Europa.

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Quel­le: BER­LI­NER MORGENPOST
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