Bürgergeld-Bingo: Fakten statt Fake über Armut – Ausprobieren, was es heißt, mit dem Bürgergeldsatz auszukommen

 „Bürgergeld-Bingo:“ Mit dem Spiel können Interessierte ausprobieren, was es heißt, mit dem Bürgergeldsatz auszukommen.

In der Debat­te über das Bür­ger­geld wer­den Betrof­fe­nen oft mit Vor­ur­tei­len und fal­schen Behaup­tun­gen kon­fron­tiert. Mit dem heu­te ver­öf­fent­li­chen Online-Spiel „Bür­ger­geld-Bin­go“ wol­len die Dia­ko­nie Deutsch­land, die Selbst­or­ga­ni­sa­ti­on von Men­schen mit Armut­s­er­fah­rung Armuts­netz­werk e.V., der Evan­ge­li­sche Ver­band Kir­che-Wirt­schaft-Arbeits­welt und der Kirch­li­che Dienst in der Arbeits­welt Bay­ern zur Ver­sach­li­chung der Dis­kus­si­on bei­tra­gen. Mit dem Spiel kön­nen Inter­es­sier­te aus­pro­bie­ren, was es heißt, mit dem Bür­ger­geld­satz aus­zu­kom­men. Sie müs­sen ihre Aus­ga­ben so ein­schrän­ken, dass der aktu­ell gel­ten­de Regel­satz von 502 Euro ein­ge­hal­ten wird. Nur wer das schafft, für den heißt es „Bin­go“.

„Wir erle­ben täg­lich, wie von Armut betrof­fe­ne Men­schen zur poli­ti­schen und media­len Ziel­schei­be wer­den. Ent­ge­gen dem Bild von der sozia­len Hän­ge­mat­te ist das Leben mit weni­ger als dem Exis­tenz­mi­ni­mum in Wirk­lich­keit ein belas­ten­der Zustand. Das wol­len wir ganz kon­kret erfahr­bar machen“, erläu­tert Maria Lohei­de, Vor­stän­din Sozi­al­po­li­tik der Dia­ko­nie Deutschland.

Phil­ip Bütt­ner vom Kirch­li­chen Dienst in der Arbeits­welt Bay­ern hat das Spiel kon­zi­piert. Er möch­te „mit ein paar Maus­klicks einen Per­spek­tiv­wech­sel ermög­li­chen und den Man­gel nach­voll­zieh­bar machen.“ Lan­ge Erklä­run­gen wür­den wenig hel­fen, so Bütt­ner. „Wer aber ein­mal selbst ernst­haft ver­sucht, mit 502 Euro im Monat die nötigs­ten Aus­ga­ben zu bestrei­ten, wird mer­ken, wie schnell sie oder er ins Minus gerät. Wer sich gesund ernäh­ren, die Strom­rech­nung bezah­len und ein Mini­mum an Mobi­li­tät und sozia­ler Teil­ha­be genie­ßen will, kommt mit dem Geld nicht aus.“

Jeden Euro umzu­dre­hen und dann zu ent­schei­den, wo noch am ehes­ten gekürzt wer­den kann, das sei für in Armut Leben­de bit­te­re Rea­li­tät, so Jür­gen Schnei­der vom Armuts­netz­werk. „Wer mit dem Bür­ger­geld lebt, kann nicht wäh­len, was er oder sie will. Wir kön­nen ent­schei­den, was wir uns jeden Tag spa­ren, damit wir etwas Ande­res, was wir brau­chen, wenigs­tens zum Teil finan­zie­ren kön­nen. Das heißt zum Bei­spiel: kei­ne neue Hose, damit ich dann nicht noch mehr als ohne­hin am Essen spa­ren muss.“

Gud­run Nol­te vom Evan­ge­li­schen Ver­band Kir­che-Wirt­schaft-Arbeits­welt kri­ti­siert: „Es wird oft über Bür­ger­geld­be­zie­hen­de gespro­chen, als wären sie eine frem­de und schwer beweg­li­che, homo­ge­ne Grup­pe. Aber wir haben es nicht mit anony­men Wesen, son­dern mit Men­schen zu tun, mit Erwerbs­tä­ti­gen und Erwerbs­lo­sen, mit Allein­er­zie­hen­den, mit Kin­dern und Jugend­li­chen, die täg­lich dar­um kämp­fen, durch­zu­kom­men. Wir hof­fen, dass wir mit unse­rem Spiel einen Anreiz geben, sich etwas bes­ser in deren Lage hineinzuversetzen.“

Die Wirt­schafts­wis­sen­schaft­le­rin Ire­ne Becker ver­weist auf die Män­gel der Regel­be­darfs­er­mitt­lung: „Da ist zunächst eine sta­tis­ti­sche Ver­gleichs­grup­pe, die selbst im abso­lu­ten Man­gel lebt. Die so ermit­tel­ten Aus­ga­ben wer­den dann noch will­kür­lich gekürzt. Jetzt kommt zwar eine Erhö­hung des Bür­ger­gel­des, die aber ledig­lich infla­ti­ons­be­ding­te Ver­lus­te der Vor­jah­re ausgleicht.“

Weni­ger Popu­lis­mus, weni­ger Patent­re­zep­te, weni­ger Fake News; dafür mehr Fak­ten­wis­sen und Empa­thie, das sei das Ziel die­ses – bit­te­ren – Spiels, so die Initator:innen. Mit dem Spiel sei die Hoff­nung ver­bun­den, dass die Erfah­rung der Spie­len­den vie­les nach­voll­zieh­bar macht, was abs­trakt kaum zu begrei­fen sei. „Schließ­lich geht es uns um die Men­schen, um mehr Respekt und Ver­ständ­nis“, so die Macher:innen des Onlinespiels.

Bür­ger­geld-Bin­go: www​.buer​ger​geld​-bin​go​.de

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Vere­na Göt­ze, stellv. Pres­se­spre­che­rin, Dia­ko­nie Deutsch­land Evan­ge­li­sches Werk für Dia­ko­nie und Ent­wick­lung e.V.
Ori­gi­nal-Con­tent von: Dia­ko­nie Deutsch­land, über­mit­telt durch news aktuell

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