Widerrufsbutton im Onlinehandel schafft nur Verlierer – Das Recht auf Widerruf und Retoure konnten noch nie so einfach ausgeübt werden wie heute

Widerrufsbutton im Onlinehandel schafft nur Verlierer

Im Euro­päi­schen Par­la­ment die Richt­li­nie über im Fern­ab­satz geschlos­se­ne Finanz­dienst­leis­tungs­ver­trä­ge ver­ab­schie­det. Wie der Name ver­mu­ten lässt, wer­den mit die­ser Richt­li­nie Vor­ga­ben über Kre­di­te und sons­ti­ge Finanz­dienst­leis­tun­gen getrof­fen bzw. über­ar­bei­tet. Völ­lig sach­fremd fin­det sich hier­in jedoch auch eine Rege­lung zum Wider­rufs­recht bei Fern­ab­satz­ver­trä­gen. Mit der neu­en Pflicht zur Ein­füh­rung einer Wider­rufs­funk­ti­on für digi­tal abge­schlos­se­ne Kauf­ver­trä­ge führt die EU jedoch eine über­flüs­si­ge Dop­pel­struk­tur im Online­han­del ein, mit der alle ver­lie­ren: Ver­brau­cher, Händ­ler und Zukunfts­tech­no­lo­gien. Davor warnt der bevh gemein­sam mit der Initia­ti­ve Online Print (IOP).

“Das Recht auf Wider­ruf und Retou­re konn­ten noch nie so ein­fach und schnell aus­ge­übt wer­den wie heu­te. Der neue Wider­rufs­but­ton will es den Kun­den nun noch ein­fa­cher machen, erreicht aber das genaue Gegen­teil”, erklärt Ali­en Mulyk, Lei­te­rin Public Affairs Euro­pa und Inter­na­tio­nal beim bevh. Das Pro­blem: “Nach dem genau­en Wort­laut der Richt­li­nie ist nur der gesam­te Kauf­ver­trag mit dem But­ton wider­ruf­bar. Wird ein Kauf­ver­trag über meh­re­re Waren abge­schlos­sen, wer­den also meh­re­re Din­ge gleich­zei­tig bestellt, müss­ten über die­se Funk­ti­on sämt­li­che Pro­duk­te wider­ru­fen wer­den – auch die, die der Kun­de behal­ten möchte.”

In Erwä­gungs­grund 25 des Rechts­tex­tes heißt es nur, dass Teil­wi­der­ru­fe den Kun­den ermög­licht wer­den “kön­nen”, falls Händ­ler eine tech­ni­sche Lösung fin­den. Wie sie ein­zel­ne Arti­kel einer Sam­mel­be­stel­lung nur mit­tels der Ver­trags­num­mer, dem Kun­den­na­men und dem Bestä­ti­gungs­weg ein­deu­tig iden­ti­fi­zie­ren sol­len, bleibt unbe­ant­wor­tet. Der ursprüng­li­che Gedan­ke der EU, das Wider­ru­fen von Waren genau­so ein­fach zu machen, wie das Bestel­len, wer­de durch die neue Ver­ord­nung völ­lig rea­li­täts­fern umge­setzt. Für Bran­chen wie den Mode­han­del kann das zu einem Pro­blem wer­den, da gera­de Klei­dungs­stü­cke oft gesam­melt bestellt wer­den, um sie zu Hau­se anzu­pro­bie­ren und bei Nicht­ge­fal­len ein­zel­ne Stü­cke zurückzusenden.

“Es ist unver­ständ­lich, war­um Finanz­ex­per­ten völ­lig sach­fremd eine unaus­ge­go­re­ne Rege­lung getrof­fe­nen haben, derer es über­haupt nicht bedarf. Die Rege­lung schafft nun einen erheb­li­chen, tech­ni­schen Mehr­auf­wand für Unter­neh­men, kann zu Fehl­vor­stel­lun­gen bei den Ver­brau­chern füh­ren und bie­tet ihnen letzt­end­lich kei­nen Mehr­wert”, fasst Ali­en Mulyk zusammen.

Indus­trie 4.0 wird ausgebremst

Geschäfts­schä­di­gend ist der Wider­rufs­but­ton beson­ders für sol­che Unter­neh­men, die mit ihren digi­ta­len Han­dels- und Pro­duk­ti­ons­pro­zes­sen die Indus­tria­li­sie­rung 4.0 vor­an­trei­ben, wie die Initia­ti­ve Online Print e. V. betont. Neben stan­dar­di­sier­ten Pro­duk­ten, die unter das Wider­rufs­recht fal­len, wer­den bei Online-Dru­cke­rei­en vor allem sol­che Erzeug­nis­se bestellt, die “just in time” pro­du­ziert wer­den und kom­plett indi­vi­du­ell auf die Kun­den­be­dürf­nis­se maß­ge­schnei­dert sind. Dass die­se Pro­duk­te, die den Wachs­tums­markt der Mass Cus­to­miza­ti­on bedie­nen, mit dem neu­en Wider­rufs­but­ton unver­ein­bar sind, wur­de von der Richt­li­nie voll­kom­men außer Acht gelassen.

“Für per­so­na­li­sier­te Bestel­lun­gen besteht nach gel­ten­dem Recht kein Wider­rufs­recht”. Wer­den sie jedoch mit stan­dar­di­sier­ten Pro­duk­ten zusam­men bestellt, müss­te künf­tig ein Wider­rufs­but­ton ange­bo­ten wer­den. Damit wird jedoch der Ein­druck ver­mit­telt, dass nicht nur die stan­dar­di­sier­ten, son­dern auch die indi­vi­dua­li­sier­ten Auf­trä­ge jeder­zeit rück­gän­gig gemacht wer­den könn­ten, was irre­füh­rend und falsch ist, so Bernd Zip­per, Vor­stands­vor­sit­zen­der der IOP.

Dem Kun­den wer­de damit sug­ge­riert, alle Posi­tio­nen sei­ner Bestel­lung unein­ge­schränkt zurück­sen­den zu kön­nen. Fehlt es dann an einer tech­ni­schen Lösung für den Wider­ruf ein­zel­ner Pro­duk­te aus die­sen gemisch­ten Waren­kör­ben, wie sie durch die bis­her not­wen­di­ge und nun nicht mehr benö­tig­te Regis­trie­rung mög­lich war, könn­ten den Unter­neh­men der Online­print-Indus­trie Schä­den in nicht abseh­ba­rem Aus­maß ent­ste­hen. “Neben einem deut­lich höhe­ren Kom­mu­ni­ka­ti­ons­auf­wand für die Klä­rung der nicht recht­mä­ßig wider­ru­fe­nen Arti­kel ent­steht sehr viel Unmut auf Kun­den­sei­te”, fasst Bernd Zip­per zusammen.

Dabei sei­en gera­de Online­dru­cke­rei­en ech­te Spe­zia­lis­ten in Sachen Pro­zess­op­ti­mie­rung und Auto­ma­ti­sie­rung – und damit eigent­lich auf­ge­schlos­sen gegen­über sinn­vol­len Ver­än­de­run­gen. “Doch”, so führt der IOP-Vor­stands­vor­sit­zen­de wei­ter aus, “wo eine Neu­re­ge­lung statt eines Mehr­werts nur Ver­wir­rung stif­tet und Scha­den für die Unter­neh­men bedeu­tet, geht die Ver­ein­fa­chung zu weit.”

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Quel­le: Frank Düss­ler, Bun­des­ver­band E‑Commerce und Ver­sand­han­del Deutsch­land e.V. (bevh)
Ori­gi­nal-Con­tent von: Bun­des­ver­band E‑Commerce und Ver­sand­han­del Deutsch­land e.V. (bevh), über­mit­telt durch news aktuell

Foto­credit: Ado­be­Stock 540335917 / Brisystem

 

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