Moderne Fahrerassistenzsysteme haben großes Potenzial – aber auch ihre Grenzen

Neue EU-Vorgaben treten zum 6. Juli in Kraft

win­ter­berg-total­lo­kal: Hochsauerlandkreis/​Europa: Zum 6. Juli tre­ten neue EU-Vor­schrif­ten in Kraft: Vie­le Fahr­zeug­mo­del­le, die ab die­sem Stich­tag neu in Ver­kehr gebracht wer­den, müs­sen bestimm­te moder­ne Fah­rer­as­sis­tenz­sys­te­me an Bord haben. Ziel ist es, die Zahl der Ver­kehrs­to­ten in der Euro­päi­schen Uni­on durch tech­ni­sche Unter­stüt­zung wei­ter zu sen­ken. „Moder­ne Fah­rer­as­sis­tenz­sys­te­me haben gro­ßes Poten­zi­al, Unfäl­le zu ver­mei­den“, sagt Ulri­ke Het­zel, Vor­stands­mit­glied und Chief Tech­no­lo­gy Offi­cer der Exper­ten­or­ga­ni­sa­ti­on DEKRA. „Wich­tig ist aber auch, sich klar­zu­ma­chen, wo ihre Gren­zen liegen.“

Ent­schei­dend ist aus ihrer Sicht der Hin­weis, dass es sich bei den jetzt neu vor­ge­schrie­be­nen Tech­no­lo­gien um Assis­tenz­sys­te­me han­delt – nicht weni­ger, aber auch nicht mehr: „Die­se Sys­te­me unter­stüt­zen Fah­re­rin­nen und Fah­rer, neh­men ihnen aber nicht die Ver­ant­wor­tung ab. Wir spre­chen hier also nicht von auto­ma­ti­sier­ten Fahr­funk­tio­nen. Wer am Steu­er sitzt, muss auch wei­ter­hin die Kon­trol­le behal­ten“, so Ulri­ke Hetzel.

Notbrems- und Spurhalteassistenten auch im Pkw

Unter ande­rem kommt, was für bestimm­te Lkw und Bus­se schon Vor­schrift war, jetzt auch in Pkw und leich­te Nutz­fahr­zeu­ge: hoch ent­wi­ckel­te Not­brems­as­sis­ten­ten, die min­des­tens ste­hen­de und beweg­te Fahr­zeu­ge erken­nen und selbst­stän­dig brem­sen müs­sen. Ab 2024 müs­sen Not­brems­as­sis­ten­ten auch auf Fuß­gän­ger und Rad­fah­rer reagie­ren können.

Auch mit Not­fall-Spur­hal­te­as­sis­ten­ten müs­sen neue Pkw-Typen jetzt aus­ge­stat­tet sein. Sie war­nen, wenn das Fahr­zeug droht, den Fahr­strei­fen zu ver­las­sen. Wenn der Fah­rer nicht reagiert und das Fahr­zeug die Spur ver­lässt, grei­fen die Sys­te­me aktiv ein.

Not­brems- und Spur­hal­te­as­sis­tent sind Bei­spie­le für Sys­te­me, die direkt in kri­ti­schen Situa­tio­nen bzw. vor einer dro­hen­den Kol­li­si­on ein­grei­fen. Sie hel­fen kon­kret und situa­ti­ons­ori­en­tiert Unfäl­le zu ver­mei­den, die ansons­ten sehr wahr­schein­lich wären. Ande­re Sys­te­me adres­sie­ren poten­zi­ell kri­ti­sche Ereig­nis­se, arbei­ten prä­ven­tiv und sind von kon­kre­ten Situa­tio­nen eher unabhängig.

Totwinkelassistent, Müdigkeitswarner, Reifendruckkontrollsystem

Ein Bei­spiel dafür ist das so genann­te Toter-Win­kel-Infor­ma­ti­ons­sys­tem, das die Fah­re­rin oder den Fah­rer warnt, wenn sich ein Fahr­zeug im nicht durch den Rück­spie­gel ein­seh­ba­ren Bereich, also im toten Win­kel, befin­det und ein Spur­wech­sel des­halb gefähr­lich wäre.

Auch ein Müdig­keits­warn­sys­tem, das die Auf­merk­sam­keit des Fah­rers ana­ly­siert und ihn gege­be­nen­falls zu einer Pau­se auf­for­dert, muss in neu­en Pkw- und Lkw-Model­len künf­tig ver­baut sein. Das­sel­be gilt für Vor­rich­tun­gen zum Ein­bau einer Alko­hol-Weg­fahr­sper­re, die Trun­ken­heits­fahr­ten ver­hin­dern hel­fen soll, eben­so wie für so genann­te Intel­li­gen­te Geschwin­dig­keits-Assis­ten­ten (Intel­li­gent Speed Assistant, ISA).

„ISA ist ein Bei­spiel, an dem man gut auch die Gren­zen eini­ger der jetzt neu vor­ge­schrie­be­nen Sys­te­me beschrei­ben kann“, sagt die DEKRA Exper­tin. „Das Sys­tem warnt die Fah­re­rin oder den Fah­rer, wenn die auf dem jewei­li­gen Stre­cken­ab­schnitt zuläs­si­ge Höchst­ge­schwin­dig­keit über­schrit­ten wird. Vie­le Unfäl­le pas­sie­ren aber, weil zwar im Rah­men des gene­rell Zuläs­si­gen, aber für die aktu­ell herr­schen­den Stra­ßen­ver­hält­nis­se oder Wet­ter­be­din­gun­gen zu schnell gefah­ren wird. Unfall­ex­per­ten spre­chen dann von ‚nicht ange­pass­ter Geschwin­dig­keit‘ – und dage­gen ist ISA lei­der wirkungslos.“

Dauerhafte zuverlässige Funktion muss gesichert sein und geprüft werden

Assis­tenz­sys­te­me wie die jetzt neu vor­ge­schrie­be­nen kön­nen ihr Poten­zi­al für die Ver­bes­se­rung der Ver­kehrs­si­cher­heit nur dann aus­spie­len, wenn sie über den gesam­ten Lebens­zy­klus des Fahr­zeugs zuver­läs­sig funk­tio­nie­ren. „Das muss gesi­chert sein – und das muss auch im Rah­men der Fahr­zeug­über­wa­chung unab­hän­gig geprüft wer­den kön­nen“, sagt Ulri­ke Hetzel.

 

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Quel­le: DEKRA e. V. Stuttgart