Schulterschluss zwischen Handwerk und Politik

“Es muss dringend ein Mentalitätswechsel her”

win­ter­berg-total­lo­kal : HwK-SWF : Die Bun­des­tags­ab­ge­ord­ne­te Bet­ti­na Lugk war in die­ser Woche erst­mals zu Gast bei der Hand­werks­kam­mer Süd­west­fa­len in Arns­berg. Die dele­gier­te Bun­des­po­li­ti­ke­rin aus dem Mär­ki­schen Kreis gehört dem 20. Deut­schen Bun­des­tag an und wur­de jüngst zur stell­ver­tre­ten­den außen­po­li­ti­schen Spre­che­rin der SPD gewählt.

Beherr­schen­des The­ma bei ihrem Pre­mie­ren-Besuch war die Tal­brü­cke Rah­me­de auf der A45 in der Nähe der Stadt Lüden­scheid, die seit dem 2. Dezem­ber 2021 für jeg­li­chen Ver­kehr gesperrt ist.

“Lebens­ader” des Sau­er­lan­des pul­siert nicht mehr

Das maro­de Bau­werk auf der “Lebens­ader” des Sau­er- und Sie­ger­lan­des hat mitt­ler­wei­le die gro­ße poli­ti­sche Büh­ne in Ber­lin erreicht. Von vie­len Sei­ten drän­gen loka­le sowie regio­na­le Poli­ti­ker, Insti­tu­tio­nen, Ver­bän­de und Kam­mern auf den zwin­gend not­wen­di­gen schnel­len Neubau.

“Aber das ist nicht das ein­zi­ge Pro­blem. Die gan­ze Kata­stro­phe darf vor allem kei­ne Arbeits­kräf­te kos­ten”, plä­diert Kam­mer­prä­si­dent Jochen Ren­fordt zu mehr Weit­sicht. Er spricht damit eine Gefahr an, die jetzt schon real ist. “Es gibt jede Men­ge beruf­li­che Pend­ler in Rich­tung Lüden­scheid, deren Weg­zei­ten sich seit der Sper­rung um meh­re­re Stun­den erhöht haben. Wenn die nun bes­se­re Ange­bo­te vor ihrer Haus­tür bekom­men, dann wer­den sie die­se auch annehmen.”

Fach­kräf­te­man­gel wird zur Mammutaufgabe

Befeu­ert wird die The­ma­tik zusätz­lich durch den bereits vor­herr­schen­den Fach­kräf­te­man­gel. Hand­werks­be­trie­ben in der gesam­ten Regi­on feh­len schon jetzt vie­le qua­li­fi­zier­te Mit­ar­bei­ter. Jun­ge Leu­te ins Hand­werk zu bekom­men, ist und bleibt auch wei­ter­hin eine Mammutaufgabe.

Ein gro­ßes Pro­blem sieht Kam­mer­prä­si­dent Ren­fordt hier in der Ungleich­ver­tei­lung der finan­zi­el­len Mit­tel. “Es ste­hen Mil­lio­nen für die beruf­li­che Bil­dung bereit, aber Mil­li­ar­den für die aka­de­mi­sche Bildung.”

Ver­schie­de­ne Les­ar­ten im Koalitionsvertrag

“Die­se struk­tu­rel­le Ungleich­be­hand­lung muss end­lich ange­passt wer­den”, for­dert auch Hen­drik Schmitt, Haupt­ge­schäfts­füh­rer der Hand­werks­kam­mer Süd­west­fa­len. “Aber die­ses The­ma ist ja berück­sich­tigt im Koalitionsvertrag.”

In die­sem sieht Bet­ti­na Lugk aller­dings noch “ver­schie­de­ne Les­ar­ten”. “Dar­an müs­sen wir inten­siv arbei­ten. Die Aus­sa­gen wer­den durch die in den nächs­ten vier Jah­ren vor­zu­le­gen­den Geset­zes­vor­ha­ben deut­lich kla­rer wer­den”, hat die Abge­ord­ne­te den aku­ten Hand­lungs­be­darf erkannt und for­dert an die­ser Stel­le einen gene­rel­len “Men­ta­li­täts­wech­sel”.

Eine hand­werk­li­che Aus­bil­dung und eine mög­li­che Qua­li­fi­ka­ti­on zum Meis­ter müs­se in der Berufs­ori­en­tie­rung und ‑bera­tung von Schü­le­rin­nen und Schü­lern den glei­chen Stel­len­wert haben wie das Abitur und ein dar­an anschlie­ßen­des Stu­di­um. Letzt­lich kom­me es dar­auf an, Jugend­li­chen ent­spre­chend ihren Fähig­kei­ten einen beruf­li­chen Weg auf­zu­zei­gen, der eben über eine Aus­bil­dung oder ein Stu­di­um ins Erwerbs­le­ben füh­ren kann.

“Ein gutes Bei­spiel für einen Men­ta­li­täts­wech­sel ist auch die Dis­kus­si­on dar­über, ob wir in naher Zukunft auf E‑Autos, Was­ser­stoff oder doch einen sau­be­ren Ver­bren­ner set­zen sol­len”, ver­deut­licht Lugk. “Viel­leicht wäre es aber auch effek­ti­ver, einen gesun­den Mix dar­aus zu haben. Hier müs­sen wir umden­ken und neue Per­spek­ti­ven schaf­fen, die auch unse­ren Wirt­schafts­stand­ort fes­ti­gen und den Arbeit­neh­mern die Sor­ge nimmt, dass mit der Ver­kehrs- und Ener­gie­wen­de ihr Job weg­fal­len könn­te. Die­ser wird sich in den nächs­ten Jah­ren stark verändern.”

bbz Arns­berg als Vorreiter

Dass im Hand­werk schon jetzt ziel- und vor allem zukunfts­ori­en­tiert gear­bei­tet wird, davon konn­te sich Lugk bei einer Füh­rung durch das Berufs­bil­dungs­zen­trum der Hand­werks­kam­mer Süd­west­fa­len gleich selbst ein Bild machen.

“Der tech­ni­sche Wan­del nimmt enorm an Fahrt auf. Hier kom­men stän­dig neue Her­aus­for­de­run­gen auf uns zu”, ver­deut­licht der stell­ver­tre­ten­de Haupt­ge­schäfts­füh­rer Chris­toph Dol­le beim Gang durch die Werk­stät­ten. “Wir haben die Zei­chen der Zeit erkannt und set­zen auf die Schwer­punk­te Mobi­li­tät und Gebäude.”

Mit dem geför­der­ten Pro­jekt „ko.ve.di“ ( www​.kove​di​.de) wer­den im bbz Arns­berg zudem bereits neue Trends erforscht. Künf­tig sol­len Lehr­lin­ge schon in der Über­be­trieb­li­chen Aus­bil­dung (ÜBA) fit gemacht wer­den in digi­ta­ler Ver­net­zung. Als Resul­tat aus dem Pro­jekt könn­ten hier sogar neue Berufs­bil­der entstehen.

Vie­le Visio­nen – wenig Fachpersonal

Eine Idee, die auch Lugk begeis­tert. “Smart Home und Smart Office kom­men immer näher, Visio­nen gibt es genug”, so die SPD-Poli­ti­ke­rin. “Was aktu­ell noch fehlt, sind Fach­leu­te, die dann parat ste­hen, wenn die Gerä­te zu instal­lie­ren oder defekt sind und repa­riert wer­den müssen.”

Bild : MdB Bet­ti­na Lugk (3. v. l.) traf sich im bbz Arns­berg der Hand­werks­kam­mer Süd­west­fa­len zum Infor­ma­ti­ons­ge­spräch mit Kam­mer­prä­si­dent Jochen Ren­fordt (2. v.l.), Haupt­ge­schäfts­füh­rer Hen­drik Schmitt (r.) und dem stv. Haupt­ge­schäfts­füh­rer Chris­toph Dol­le (l.)

Quel­le : Hand­werks­kam­mer Südwestfalen

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