Der Pfarrer und der Bundeskanzler

Romesh Modayil kehrt nach fast zwanzig Jahren in Deutschland in seine indische Heimat zurück

win­ter­berg-total­lo­kal : SOEST/ARNSBERG : Es war in den 80er Jah­ren. Romesh Moday­il hat­te gera­de erst ein paar Bro­cken Deutsch gelernt, als er dem dama­li­gen Bun­des­kanz­ler Hel­mut Kohl bei des­sen Besuch in Neu Delhi die Hand schüt­teln durf­te. „Sie müs­sen mal nach Deutsch­land kom­men“, for­der­te ihn der Kanz­ler auf. „Ger­ne. Wenn Sie mich ein­la­den“, ant­wor­te­te Moday­il und wuss­te zu die­sem Zeit­punkt natür­lich nicht, dass er in spä­te­ren Jah­ren eine ganz beson­ders inten­si­ve Bezie­hung zu Deutsch­land ent­wi­ckeln sollte.

Eine Bezie­hung, die jetzt mit sei­ner Ent­pflich­tung als Regio­nal­pfar­rer bei der MÖWe (Amt für Mis­si­on, Öku­me­ne und kirch­li­che Welt­ver­ant­wor­tung) mit dem Schwer­punkt Kir­chen­kreis Soest-Arns­berg ein vor­läu­fi­ges Ende gefun­den hat, denn Moday­il wird in sein Hei­mat­land Indi­en zurück­keh­ren – sobald es die Pan­de­mie zulässt.

Wer sich den Lebens­lauf des 66-Jäh­ri­gen anschaut, bekommt den Ein­druck, dass die­ser (min­des­tens) zwei Leben gelebt haben muss. Auf­ge­wach­sen ist er im süd­in­di­schen Kera­la, wo er auch syrisch-ortho­dox getauft wur­de. Es folg­ten ein Stu­di­um und Bache­lor in Volks­wirt­schaft, Mas­ter in Betriebs­wirt­schaft, Theo­lo­gie­di­plom, Mas­ter in Islam­wis­sen­schaf­ten und ein Lehrdiplom.

Zunächst war er als Betriebs­wirt­schafts­prü­fer unter­wegs, hat dann als Jugend­pas­tor der metho­dis­ti­schen Kir­che in Indi­en gear­bei­tet, war danach zwan­zig Jah­re als Mis­sio­nar der United Metho­dist Church in den USA und in ver­schie­de­nen ande­ren Län­dern tätig, bevor er schließ­lich nach Deutsch­land kam, wo er die ver­gan­ge­nen fast zwan­zig Jah­re gear­bei­tet und gelebt hat, davon die letz­ten zwei Jah­re als Nach­fol­ger von Regio­nal­pfar­re­rin Mar­got Bell (Lipp­stadt).

Ein beweg­tes Leben : „Ja, das kann man so sagen“, lacht Romesh Moday­il laut, „ich weiß sel­ber nicht, wo all die Jah­re geblie­ben sind. Mein Leben war sehr, sehr bunt. Dafür bin ich unend­lich dankbar.“

Mit Deutsch­land ver­bin­det er fast aus­schließ­lich gute Erin­ne­run­gen. „Ich habe hier vie­le gute Freun­de gefun­den und bin fast über­all gut auf­ge­nom­men wor­den.“ Und wer so viel auf der Welt gese­hen und so vie­le Men­schen ken­nen­ge­lernt hat, dem sei auch eine Ein­schät­zung erlaubt, wie er die Deut­schen erlebt hat.

„Ich schät­ze ihre Zuver­läs­sig­keit und Auf­rich­tig­keit. Wenn man sich mit jeman­dem anfreun­det, ist das nie berech­nend ; man erwar­tet zunächst ein­mal nichts von dir.“ Das sei in Indi­en und auch in den USA völ­lig anders : „Dort stellt man sich immer gleich die Fra­ge, wie man von die­ser Freund­schaft pro­fi­tie­ren kann.“

Aber Romesh Moday­il hat auch das häss­li­che Deutsch­land erlebt, den offen geleb­ten Ras­sis­mus. „Nach der Wen­de war das vor allem in den neu­en Bun­des­län­dern ganz  schlimm. In Städ­ten wie Ber­lin, Ham­burg, Dort­mund oder auch hier in Soest und Arns­berg habe ich davon nichts gespürt. Ganz im Gegen­teil sogar.“

Wann er sei­ne Zel­te hier end­gül­tig abbricht, hängt ganz von der Coro­na-Ent­wick­lung in Indi­en ab. „Der­zeit“, so der Pfar­rer, „ist das viel zu gefähr­lich. Obwohl ich zwei­mal geimpft bin, wür­de ich mich nicht sicher füh­len. Ich muss also Geduld haben und abwar­ten, wie sich die Din­ge dort entwickeln.“

Dabei wür­de er lie­ber heu­te als mor­gen zurück in sei­ne Hei­mat. Das hat weni­ger mit Heim­weh, den vier (Pflege)Kindern und sie­ben Enkel­kin­dern zu tun, als viel­mehr mit einer Her­zens­an­ge­le­gen­heit, der er sich seit bald zwan­zig Jah­ren ver­schrie­ben hat. „Ich habe in Dehradun das Pro­jekt Litt­le Scho­lars School ins Leben geru­fen. Dort küm­mern wir uns um Kin­der aus den Slums, sor­gen für Bil­dung und Essen. Dort wer­de ich gebraucht.“ Außer­dem wird sich Moday­il wei­ter für den Kampf gegen Kin­der­ar­beit in Indi­en ein­set­zen. Das beweg­te Leben geht also weiter.

Bild : Eine letz­te Pre­digt : In der Wer­ler Pau­lus­kir­che wur­de Regio­nal­pfar­rer Romesh Moday­il jetzt von sei­nen Auf­ga­ben entpflichtet.

Foto­credits : Hans-Albert Limbrock

Quel­le : Hans-Albert Limbrock

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