Wie hält man die Angst vor Corona im Zaum ?

KKH-Experte Falkenstein : Mehr Nähe trotz Mindestabstand/​Helfen lenkt ab !

win­ter­berg-total­lo­kal : Die Vögel zwit­schern, die Bäu­me trei­ben aus : Wäh­rend vor unse­ren Woh­nungs­tü­ren das Früh­jahr zu Hoch­form auf­läuft, betrach­ten wir es die­ser Tage meist aus dem Fens­ter. In Deutsch­land gel­ten strik­te Maß­nah­men, um die Aus­brei­tung des Coro­na-Virus zu ver­hin­dern. Der All­tag steht Kopf. Die eige­nen vier Wän­de sind längst dau­er­haf­ter Rück­zugs­ort. Was löst die­se unge­woll­te Enge in uns aus ? Und wie kön­nen wir ihr begeg­nen ? Ant­wor­ten gibt Psy­cho­lo­gie-Exper­te Micha­el Fal­ken­stein von der KKH Kauf­män­ni­sche Krankenkasse :

Herr Fal­ken­stein, wer sich und sei­ne Lie­ben vor dem Coro­na-Virus schüt­zen möch­te, bleibt der­zeit am bes­ten in den eige­nen vier Wän­den. Eigent­lich bie­tet ein Zuhau­se gera­de jetzt Gebor­gen­heit und Schutz. War­um berei­tet vie­len die­ser Rück­zug Unbehagen ?

Die Situa­ti­on ist für uns alle völ­lig neu. Wir sind es gewohnt, das Haus zu jeder Tages- und Nacht­zeit ver­las­sen zu kön­nen. Von einem Tag auf den ande­ren ist das nicht mehr mög­lich. Die­se extre­me Ein­schrän­kung ver­un­si­chert enorm. Dabei feh­len uns vor allem die sozia­len Kon­tak­te im Home­of­fice, beim Home­schoo­ling oder bei Frei­zeit­ak­ti­vi­tä­ten. Hin­zu kommt bei vie­len die Sor­ge, dem Coro­na-Virus hilf­los aus­ge­lie­fert zu sein. All das wirkt bedroh­lich, weil es sich unse­rer Kon­trol­le ent­zieht. Damit umge­hen zu ler­nen, ist eine ech­te Herausforderung.

Die Coro­na-Kri­se sorgt für eine star­ke Kon­zen­tra­ti­on auf Fami­lie und Freun­de. Das Auf­ein­an­d­er­ho­cken kann beson­ders auf enge­rem Raum zur Zer­reiß­pro­be wer­den. Wie gelingt es, Span­nun­gen und Frus­tra­tio­nen abzu­bau­en, damit es in Fami­li­en und Part­ner­schaf­ten nicht zu unnö­ti­gen Kon­flik­ten kommt ?

Das enge Mit­ein­an­der kann in der Tat ner­ven­auf­rei­bend sein. Die Coro­na-Kri­se soll­te daheim nicht The­ma Num­mer 1 sein, das heißt auch, nicht stän­dig Nach­rich­ten dazu lau­fen zu las­sen. Es ist wich­tig, sich zu infor­mie­ren, aber über seriö­se Medi­en und zeit­lich begrenzt. Ansons­ten über­for­dert man sich und ande­re emo­tio­nal. Nut­zen Sie Fern­se­her oder Lap­top viel­mehr, um sich etwas Lus­ti­ges oder Span­nen­des anzu­se­hen. Ablen­kung ist der wesent­li­che Schlüs­sel, um durch die­se extre­me Zeit zu kom­men. Viel­leicht liest man auch mal wie­der ein gutes Buch, lauscht einem Hör­spiel oder hält sich mit Hil­fe von Sport und Gym­nas­tik täg­lich fit. Ach­ten Sie auch dar­auf, dass sich jeder regel­mä­ßig für eine klei­ne Aus­zeit zurück­zie­hen kann. Und ganz wich­tig : gute Gesprä­che. Die Coro­na-Kri­se bringt eine Ver­lang­sa­mung mit sich. Wir haben mehr Zeit für ein­an­der, für Part­ner, Kin­der und Freun­de. Erin­nern Sie sich gemein­sam an schö­ne Ereig­nis­se oder schmie­den Sie Plä­ne für die Zeit nach Corona.

Die Coro­na-Pan­de­mie löst Ängs­te bei den Bür­gern aus : die Angst vor Ver­ein­sa­mung, davor, selbst zu erkran­ken, sowie Exis­tenz­angst. Wie las­sen sich die­se Ängs­te im Zaum halten ?

Ängs­te gehö­ren zu unse­rem Leben. Sie die­nen als Schutz­schild. Ent­schei­dend ist es, sie so gut es geht unter Kon­trol­le zu hal­ten. Sonst kön­nen sie irra­tio­na­le For­men bis hin zu Panik anneh­men und zu irra­tio­na­lem Ver­hal­ten füh­ren, Bei­spiel Hams­ter­käu­fe. Gegen die Angst vor sozia­ler Iso­la­ti­on hilft der inten­si­ve Aus­tausch mit Fami­lie und Freun­den über Tele­fon oder Inter­net. Die Angst, sich mit dem Coro­na-Virus anzu­ste­cken, kann durch akti­ves Han­deln ver­rin­gert wer­den, sprich Hän­de gründ­lich waschen, Min­dest­ab­stand hal­ten, Kon­takt­sper­re befol­gen. Exis­tenz­ängs­te sind berech­tigt, denn das Aus­maß der wirt­schaft­li­chen Fol­gen kann noch nie­mand abschät­zen. Infor­mie­ren Sie sich über staat­li­che Unter­stüt­zungs­an­ge­bo­te. Das kann Ihre Sor­gen min­dern. Jeder soll­te beden­ken : Angst kann wie alle Gefüh­le ande­re anste­cken ! Wer sie unter Kon­trol­le hat, schützt sich und andere.

Sozia­le Kon­tak­te und All­tags­ak­ti­vi­tä­ten sind auf ein Mini­mum begrenzt. Vor allem Sin­gles sowie älte­re Men­schen daheim oder in Pfle­ge­hei­men sind iso­liert. Was macht die sozia­le Iso­la­ti­on mit uns ? Und wie kön­nen wir ihr begegnen ? 

Die Aus­wir­kun­gen sind indi­vi­du­ell. Vie­le Men­schen brau­chen täg­li­che sozia­le Kon­tak­te. Sie lei­den unter der momen­ta­nen Distanz und kön­nen psy­chisch krank wer­den, zum Bei­spiel depres­siv. Medi­en hel­fen dabei gegen­zu­steu­ern. Tele­fo­na­te, E‑Mails oder Chats ermög­li­chen inten­si­ve Kom­mu­ni­ka­ti­on. Damit lässt sich ein begrenz­ter Zeit­raum ohne Direkt­kon­tak­te über­brü­cken. Auch ein Gespräch von Bal­kon zu Bal­kon mit nöti­gem Abstand ist eine schö­ne Abwechs­lung. Ich den­ke, wer vor­her nicht ein­sam war, ist es jetzt auch nicht. Mir erzäh­len Men­schen, dass sie das Allein­sein gera­de genie­ßen und als Erho­lung vom sonst stres­si­gen All­tag emp­fin­den. Sozia­le Iso­la­ti­on kann auch wohl­tun und entlasten.

Wir erfah­ren der­zeit gro­ße Soli­da­ri­tät, in der Nach­bar­schaft oder auch in sozia­len Netz­wer­ken. Die Men­schen rücken näher. War­um geschieht das geballt nur in Krisenzeiten ? 

Um es mit einem Satz zu sagen : Hel­fen und für ande­re sor­gen, macht glück­lich ! Das liegt an den Endor­phi­nen, den Glücks­hor­mo­nen, die aus­ge­schüt­tet wer­den. Und gera­de in Kri­sen­zei­ten sorgt Hel­fen für Ablen­kung, lässt oben­drein wenig Raum für Angst und Panik. Mit Soli­da­ri­tät ver­bin­den wir Eigen­schaf­ten wie Hilfs­be­reit­schaft, Herz­lich­keit, Mit­ge­fühl, Enga­ge­ment, Groß­zü­gig­keit. Wer möch­te nicht so sein ? Soli­da­ri­tät erwächst aus posi­ti­ven Emo­tio­nen, die zum Aktiv­wer­den und Nach­ah­men motivieren.

Kann es gelin­gen, die der­zeit geleb­te Soli­da­ri­tät in die Zeit nach der Kri­se hinüberzuretten ?

Ich wün­sche es mir. Aber ich den­ke, wenn das Leben wie­der Fahrt auf­nimmt, wird ein gro­ßer Teil der Soli­da­ri­tät der Ver­gan­gen­heit ange­hö­ren. Doch wenn nur ein klei­ner Teil an Soli­da­ri­tät bleibt, zum Bei­spiel jun­ge für älte­re Men­schen wei­ter ein­kau­fen, wäre das ein schö­ner Effekt die­ser extre­men Zeit, die uns alle stark ein­schränkt und uns viel abverlangt.

Die KKH Kaufmännische Krankenkasse ist eine der größten bundesweiten gesetzlichen Krankenkassen mit rund 1,7 Millionen Versicherten. Nähere Informationen erhalten Sie unter kkh.de/presse/portrait.

 

Quel­le : Ulri­ke Schä­fer – KKH Kauf­män­ni­sche Krankenkasse

Print Friendly, PDF & Email