Stichwort der Woche : Müll

Winterberg-Totallokal : Stichwort der Woche, von Norbert Schnellen…

win­ter­berg-total­lo­kal : Viel­leicht meint man­cher, dass ich an die­ser Stel­le häu­fig Müll schrei­be, heu­te möch­te ich jedoch aus­nahms­wei­se mal über Müll schrei­ben. Wir Deut­schen sind ja mäch­tig stolz auf unser Sys­tem der Müll­tren­nung. Wo frü­her der Herr­gotts­win­kel war, hängt heu­te in jedem Haus­halt der Abfuhr­plan der Kom­mu­ne. Man muss ja schließ­lich wis­sen, wel­che Ton­ne in die­ser Woche dran ist. Graue Ton­ne, Blaue Ton­ne, Grü­ne Ton­ne und gel­ber Sack bestim­men einen Teil unse­res Lebens­rhyth­mus. Eine der ers­ten Sachen, die den geflüch­te­ten Men­schen in den Flücht­lings­un­ter­künf­ten bei­gebracht wird, ist die Müll­tren­nung. Auf man­che unbe­darf­te Men­schen aus ent­fern­ten Win­keln der Erde mag die­ses Tun als eine Art sakra­le Hand­lung wir­ken, so eine Art Beschwich­ti­gung der Kon­sum­göt­ter und damit lie­gen die­se Leu­te noch nicht ein­mal so falsch. In unse­rer exzes­si­ven Kon­sum­ge­sell­schaft dient die Müll­tren­nung haupt­säch­lich der Beru­hi­gung des Gewis­sens der Kon­su­men­ten, weni­ger der Erhal­tung unse­rer Umwelt. „Wenn der gan­ze Müll recy­celt wird, kann ich ja auch Unmas­sen davon pro­du­zie­ren“, ein Trug­schluss, der von Pro­du­zen­ten und Poli­tik immer wie­der gern ver­brei­tet oder zumin­dest unwi­der­spro­chen hin­ge­nom­men wird.

Tat­sa­che ist, dass die­se Welt bald im Müll ersti­cken wird. Wir Deut­schen sind, als Euro­pa­meis­ter bei der Müll­erzeu­gung, dar­an sicher gut mit­be­tei­ligt. Lag der anfal­len­de Müll in den sieb­zi­ger Jah­ren noch bei ca. 200 kg pro Kopf und Jahr, waren es in den neun­zi­ger Jah­ren schon ca. 450 kg und heu­te belas­tet jeder von uns die Umwelt mit über 600 kg Müll. Trotz inten­si­ver Müll­tren­nung liegt die Recy­cling­quo­te nur bei etwas über 40 Pro­zent, das heißt unterm Strich ist das Rest­müll­auf­kom­men trotz Recy­cling ange­stie­gen. Recy­cling ist aber auch kein Königs­weg, denn es ver­schlingt jede Men­ge Ener­gie- und Wasserressourcen.

Der ein­zi­ge Weg aus der Mise­re wäre Müll­ver­mei­dung. Doch wie wol­len wir die bei unse­rem auf­wen­di­gen Lebens­stil errei­chen ? Wir haben immer klei­ne­re Haus­halts­grö­ßen und die täg­li­che Arbeits­zeit lässt kaum noch Frei­räu­me für die Zube­rei­tung fri­scher Lebens­mit­tel. Die Auf­ga­be des Kochens haben wir daher schon Groß­teils an die Lebens­mit­tel­in­dus­trie dele­giert, unser Part besteht nur noch im „Erwär­men in der Mikro­wel­le“. Kunst­stoff­fla­schen, Mini­fläsch­chen von Joghurt­drinks, Ham­bur­ger- und Piz­za­kar­tons und „Cof­fe-to-go-Becher“ gehö­ren heu­te ein­fach dazu. Auch der Online­han­del ver­stärkt das Auf­kom­men an Ver­pa­ckungs­müll. Kurz gesagt, wenn wir die­sen Lebens­stil so wei­ter­füh­ren möch­ten wer­den wir, trotz Recy­cling, bald auf einer rie­si­gen Müll­hal­de leben. Aber wer möch­te schon sein Kon­sum­ver­hal­ten ändern ? Dann blen­den wir die­se Pro­ble­ma­tik doch lie­ber aus, tren­nen unse­ren Müll peni­bel wei­ter und war­ten auf die Ein­füh­rung der nächs­ten Ton­nen­idee. Den nicht recy­cel­ten Müll schi­cken wir dann in chi­ne­si­sche Müll­ver­bren­nungs­an­la­gen oder ein­fach auf Depo­nien in Afri­ka. Das Leben in der „Glau­bens­ge­mein­schaft der Kon­su­men­ten“ kann doch so schön ein­fach sein !

Ihr Nor­bert Schnellen

 

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