Paderborn-Lippstadt Airport stellt Weichen für Unternehmenssanierung

Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung

win­ter­berg-total­lo­kal : Dr. Marc Cezan­ne hat heu­te in sei­ner Funk­ti­on als Geschäfts­füh­rer der Flug­ha­fen Paderborn/​Lippstadt GmbH beim Amts­ge­richt Pader­born einen Antrag auf Eröff­nung eines Insol­venz­ver­fah­rens in Eigen­ver­wal­tung gestellt. Damit steht das in den ver­gan­ge­nen Mona­ten aus­ge­ar­bei­te­te Sanie­rungs­kon­zept vor sei­ner Umset­zung. Dem hei­mi­schen Air­port wird so eine posi­ti­ve Zukunfts­per­spek­ti­ve eröffnet.

„Ins­be­son­de­re auf­grund mas­siv rück­läu­fi­ger Flug­be­we­gun­gen infol­ge der Coro­na-Kri­se ist eine umfang­rei­che Unter­neh­mens­sa­nie­rung not­wen­dig gewor­den“, so Dr. Cezan­ne. „Tat­säch­lich lie­gen die aktu­el­len Pas­sa­gier­zah­len um 85 Pro­zent unter dem Niveau des Vor­jah­res­zeit­rau­mes und es wird vor­aus­sicht­lich noch eini­ge Zeit dau­ern, bis die Pas­sa­gier­zah­len wie­der­an­nä­hernd­das Vorkrisen-Niveauerreichen.“

Aber auch bereits vor der aktu­el­len Kri­se reich­ten die Erlö­se des Flug­ha­fens nicht aus, um die Betriebs-und Inves­ti­ti­ons­kos­ten zu decken. Der Jah­res­ver­lust 2019 führ­te zu einem Liqui­di­täts­ab­fluss, der auf­grund bei­hil­fe­recht­li­cher Vor­ga­ben in die­ser Höhe nicht durch die kom­mu­na­len Gesell­schaf­ter kom­pen­siert wer­den durfte.

Kon­sens ist, dass die Flug­ha­fen­ge­sell­schaft in Zukunft nur bestehen kann, wenn die Kos­ten­struk­tu­ren an die zu erwar­ten­den Erlö­se ange­passt werden.

Flug­ha­fen soll Sta­tus eines Ver­kehrs­flug­ha­fens mit Flug­si­che­rung behalten

In dem Sanie­rungs­kon­zept ist vor­ge­se­hen, dass der Paderborn/​Lippstadt Air­port den Sta­tus eines Ver­kehrs­flug­ha­fens mit Flug­si­che­rung behält und wei­ter­hin 24 Stun­den am Tag in Betrieb sein wird. Ange­sichts der gerin­ge­ren Flug­be­we­gun­gen ist es jedoch kauf­män­nisch nicht ver­tret­bar, die Kapa­zi­tä­ten für die Flug­zeug­ab­fer­ti­gung im bis­he­ri­gen Umfang vor­zu­hal­ten. Eine all­ge­mei­ne Redu­zie­rung der Kapa­zi­tä­ten für die Flug­zeug­ab­fer­ti­gung wird wesent­lich zur Kos­ten­sen­kung bei­tra­gen. Dies bedeu­tet aber nicht, dass zukünf­tig geplan­te Flü­ge abge­wie­sen werden.

Sobald der Bedarf wie­der zunimmt, wird es mög­lich sein, die Infra­struk­tur des Flug­ha­fens suk­zes­si­ve bis zu ihrer Kapa­zi­täts­gren­ze von deut­lich mehr als 1 Mio. Pas­sa­gie­ren jähr­lich auszulasten.

Weni­ger Flug­be­we­gun­gen erfor­dern zwangs­läu­fig lei­der auch die Anpas­sung der Kos­ten­struk­tu­ren durch einen mas­si­ven und schmerz­haf­ten Abbau des Per­so­nal­kör­pers. Daher lau­fen bereits Ver­hand­lun­gen mit dem Betriebs­rat über einen mög­lichst sozi­al­ver­träg­li­chen Abbau von Arbeits­plät­zen. Ein­be­zo­gen wur­den außer­dem die Gewerk­schaf­ten zum Abschluss eines Tarif­ver­tra­ges, um einen 24 Stun­den-Dienst für die Flug­ha­fen­feu­er­wehr ein­füh­ren zu kön­nen. Die­ser ist unver­zicht­ba­rer Bestand­teil der Sanierung.

Sanie­rungs­exper­te zum Gene­ral­be­voll­mäch­tig­ten ernannt

Das Amts­ge­richt Pader­born hat dem Antrag auf Sanie­rung in Eigen­ver­wal­tung statt­ge­ge­ben. Vor­aus­ge­gan­gen war die Bestel­lung eines erfah­re­nen Sanie­rungs­exper­ten zum Gene­ral­be­voll­mäch­tig­ten des Flug­ha­fens. Die­se Funk­ti­on über­nimmt der Bie­le­fel­der Rechts­an­walt Dr. Yorck Streit­bör­ger. Mit sei­ner Unter­stüt­zung kann das Manage­ment die ein­ge­lei­te­te Restruk­tu­rie­rung fort­set­zen und das Unter­neh­men im Sanie­rungs­ver­fah­ren in Eigen­ver­wal­tung finan­zi­ell neu auf­stel­len. Ein Bau­stein ist hier das von der Arbeits­agen­tur gezahl­te Insol­venz­geld. Dadurch sind die Löh­ne und Gehäl­ter der 167 Mit­ar­bei­ter bis ein­schließ­lich Novem­ber bereits gesi­chert. Der Rechts­an­walt Ste­fan Mey­er von der Kanz­lei PLU­TA wur­de vom zustän­di­gen Amts­ge­richt Pader­born zum vor­läu­fi­gen Sach­wal­ter bestellt. Auch der vor­läu­fi­ge Sach­wal­ter Mey­er wird sich in sei­ner ers­ten Stel­lung­nah­me im Rah­men der gesetz­li­chen Rege­lun­gen für den Erhalt des Ver­kehrs­flug­ha­fens als wich­ti­ges Infra­struk­tur­ele­ment in OWL einsetzen.

Finan­zie­rungs­kon­zept liegt vor

Ein Finan­zie­rungs­kon­zept für die mit der Insol­venz in Eigen­ver­wal­tung ver­bun­de­nen Sanie­rungs­kos­ten liegt bereits vor. Vor­ge­se­hen sind unter ande­rem Zah­lun­gen der Gesell­schaf­ter. Dies sind die Land­krei­se Pader­born, Soest, Güters­loh, Lippe,Hochsauerland, Höx­ter, die Stadt Bie­le­feld sowie die Indus­trie-und Han­dels­kam­mern Ost­west­fa­len zu Bie­le­feld und Lip­pe. Der­zeit befin­den sich die Gesell­schaf­ter in einem engen Aus­tausch über die zukünf­ti­ge Eigen­tü­mer­struk­tur und die Betei­li­gung an den Sanierungskosten.

„Die Insol­venz in Eigen­ver­wal­tung und die in die­sem Rah­men erfol­gen­de Sanie­rung wird kei­ne nega­ti­ven Aus­wir­kun­gen auf Flug­gäs­te und Flug­ha­fen­nut­zer haben. Die Sanie­rungs­maß­nah­men die­nen viel­mehr dazu, den für die Regi­on wich­ti­gen Flug­ha­fen­stand­ort lang­fris­tig zu sichern. Gleich­zei­tig wird die finan­zi­el­le Belas­tung der Anteils­eig­ner und damit der Städ­te und Kom­mu­nen deut­lich gesenkt,“ so Dr. Streitbörger.

Zu unter­schei­den sei zwi­schen den ein­ma­li­gen Sanie­rungs­kos­ten im Rah­men eines Insol­venz­plans und den lau­fen­den Betriebs­kos­ten. Letz­te­re müss­ten zwin­gend gesenkt wer­den, weil die EU-Kom­mis­si­on bis­lang nur Betriebs­bei­hil­fen von 2,5 Mio. EUR jähr­lich geneh­migt hat. Es wur­de zwar ein Antrag gestellt, die­se Bei­hil­fen auf 5 Mio. EUR jähr­lich zu erhö­hen, aber selbst die­ser Betrag wür­de nicht mehr aus­rei­chen, um die lau­fen­den, Coro­na-bedingt noch ein­mal deut­lich gestie­ge­nen­Ver­lus­te zu decken. Selbst wenn also die Gesell­schaf­ter des Flug­ha­fens bereit wären, höhe­re lau­fen­de Kos­ten zu tra­gen, so wäre dies bei­hil­fe­recht­lich unzu­läs­sig. Kos­ten­ein­spa­run­gen sind somit zwin­gend notwendig.

Hin­ter­grund­in­for­ma­tio­nen –Leit­li­ni­en für staat­li­che Beihilfen

Zum Hin­ter­grund nach­fol­gend eini­ge Aus­zü­ge aus einer Mit­tei­lung der EU-Kom­mis­si­on zu „Leit­li­ni­en für staat­li­che Bei­hil­fe für Flug­hä­fen und Luft­ver­kehrs­ge­sell­schaf­ten (2014/C 99/03)“.

Wenn­gleich die Flug­hä­fen in der Uni­on noch vor­ran­gig in öffent­li­chem Eigen­tum ste­hen und vom Staat betrie­ben wer­den, ist der­zeit eine zuneh­men­de Betei­li­gung pri­va­ter Unter­neh­men zu beob­ach­ten. Im ver­gan­ge­nen Jahr­zehnt sind durch Teil­pri­va­ti­sie­run­gen bestimm­ter Flug­hä­fen sowie durch Wett­be­werb um den Betrieb von Flug­hä­fen in öffent­li­chem Eigen­tum, so u. a. auch von Regio­nal­flug­hä­fen, neue Märk­te entstanden.

Klei­ne­re Flug­hä­fen ste­hen am häu­figs­ten in öffent­li­chem Eigen­tum und sind auch zur Finan­zie­rung ihres Betriebs am häu­figs­ten auf öffent­li­che För­der­mit­tel ange­wie­sen. Die Prei­se die­ser Flug­hä­fen wer­den häu­fig nicht auf der Grund­la­ge von Markt­er­wä­gun­gen und ins­be­son­de­re soli­den Ex-ante-Ren­ta­bi­li­täts­aus­sich­ten fest­ge­setzt, son­dern vor allem unter Berück­sich­ti­gung loka­ler oder regio­na­ler Erwä­gun­gen. Unter den der­zei­ti­gen Markt­be­din­gun­gen hän­gen die Ren­ta­bi­li­täts­aus­sich­ten gewerb­lich betrie­be­ner Flug­hä­fen nach wie vor in gro­ßem Maße vom Ver­kehrs­auf­kom­men ab, wobei Flug­hä­fen mit weni­ger als einer Mil­li­on Pas­sa­gie­re im Jahr in der Regel Schwie­rig­kei­ten haben, ihre Betriebs­kos­ten zu decken. Folg­lich erhält die gro­ße Mehr­heit der Regio­nal­flug­hä­fen regel­mä­ßig staat­li­che Fördermittel.

In Bezug auf öffent­li­che För­de­rung, die eine staat­li­che Bei­hil­fe dar­stellt, ver­tritt die Kom­mis­si­on die Auf­fas­sung, dass bestimm­te Kate­go­rien von Bei­hil­fen für Regio­nal­flug­hä­fen und Luft­ver­kehrs­ge­sell­schaf­ten, die die­se Flug­hä­fen nut­zen, unter bestimm­ten Vor­aus­set­zun­gen gerecht­fer­tigt sein kön­nen ; dies gilt ins­be­son­de­re für Bei­hil­fen, die ein­ge­setzt wer­den, um neue Dienst­leis­tun­gen zu ent­wi­ckeln und um einen Bei­trag zur loka­len Anbin­dung bzw. wirt­schaft­li­chen Ent­wick­lung zu leis­ten. Den­noch soll­te etwa­igen Wett­be­werbs­ver­fäl­schun­gen auf den betrof­fe­nen Märk­ten Rech­nung getra­gen wer­den. Zuläs­sig sein kön­nen nur staat­li­che Bei­hil­fen, die ange­mes­sen und erfor­der­lich sind, um ein Ziel von gemein­sa­mem Inter­es­se voranzubringen.

In die­sem Zusam­men­hang soll­te betont wer­den, dass Betriebs­bei­hil­fen grund­sätz­lich eine stark wett­be­werbs­ver­fäl­schen­de Art der Bei­hil­fe dar­stel­len und nur unter außer­ge­wöhn­li­chen Umstän­den geneh­migt wer­den kön­nen. Die Kom­mis­si­on ver­tritt die Auf­fas­sung, dass Flug­hä­fen und Luft­ver­kehrs­ge­sell­schaf­ten ihre Betriebs­kos­ten in der Regel selbst tra­gen sollten.

Quel­le : Ste­fan Hen­se – Pader­born-Lipp­stadt Airport

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