Ingenieurinnen und Ingenieure finden Gefahren, bevor sie entstehen
winterberg-totallokal : Düsseldorf : Überhöhte Geschwindigkeit, Fahrten unter Alkohol- und Drogeneinfluss oder der Griff zum Smartphone führen immer wieder zu schweren Unfällen. Doch neben individuellen Faktoren gibt es auch strukturelle Unfallgefahren im Straßenverkehr. Ingenieurinnen und Ingenieure identifizieren mögliche Gefahrenpotentiale bereits, bevor Unfälle überhaupt geschehen können. Als sogenannte Verkehrssicherheitsauditoren ermitteln sie frühzeitig, systematisch und unabhängig mögliche Sicherheitsdefizite bei der Planung, dem Entwurf und dem Bau von Straßen. Diese Verkehrssicherheitsaudits verhindern Unfälle und retten Menschenleben. Bei Straßen in der Baulast des Bundes und der Länder ist ihre Durchführung bereits Pflicht. Städte und Gemeinden verzichten bei ihrer Verkehrswegeplanung noch zu oft darauf. Dabei bleiben die Kosten im Vergleich zu den eingesparten Unfallkosten marginal, wie verschiedene Studien zeigen. „Sicherheit nach Haushaltslage darf es auf deutschen Straßen nicht geben. Verkehrssicherheitsaudits durch unabhängige und spezialisierte Ingenieurbüros sollten auf allen staatlichen Ebenen verpflichtend und selbstverständlich sein.“ Darauf weist der Präsident der Ingenieurkammer-Bau (IK-Bau) NRW, Dr. Heinrich Bökamp, zum Tag der Verkehrssicherheit am 19. Juni hin, der seit 2005 jedes Jahr am dritten Samstag im Juni auf Initiative des Deutschen Verkehrssicherheitsrates (DVR) stattfindet.
Durch ein Sicherheitsaudit erhält der Aspekt der Verkehrssicherheit im gesamten Planungs‑, Entwurfs- und Bauablauf eine besondere Beachtung. In Nordrhein-Westfalen sind diese auf Landesebene seit dem Jahr 2002 Pflicht. Straßen.NRW z. B. führt diese Audits mit eigenen Ingenieurinnen und Ingenieuren durch. Die Auditoren dürfen nicht an der Planung des geprüften Projektes beteiligt sein, so könne sich der Auditor ein unabhängiges Urteil bilden. Axel C. Springsfeld, Mitglied des Vorstandes der IK-Bau NRW und selbst Verkehrsingenieur : „Dass die öffentliche Hand ihre Audits von eigenen Ingenieurinnen und Ingenieuren durchführen lässt, kann man durchaus kritisch sehen. Zwar waren die Auditoren an der Planung des zu prüfenden Projektes in der Regel nicht beteiligt. Es sprechen aber gute Gründe dafür, dass ein Auditor tatsächlich auch institutionell vom Planer getrennt sein sollte. Nur eine solche Regelung würde dem hohen Wert des Vieraugenprinzips im Ingenieurwesen vollends gerecht.“
Die Städte und Gemeinden scheuen oft gänzlich die Ausgaben für ein Sicherheitsaudit ihrer Verkehrswege. „Dabei betragen diese Kosten meist weit weniger als ein Prozent der gesamten Bausumme und die vermiedenen Unfallkosten sind dabei nach verschiedenen Erhebungen deutlich höher als die eigentlichen Ausgaben für die Sicherheitsprüfung“, so Axel C. Springsfeld. Kann sich die Kommune dann doch zu einem externen Audit durchringen, erhält in der Regel das billigste Angebot den Zuschlag. Dies birgt die Gefahr eines Preisdumpings und führt für die beteiligten Ingenieurinnen und Ingenieure zu nicht mehr auskömmlichen Honoraren. Dr. Heinrich Bökamp : „Auch hier gilt der Grundsatz, Sicherheit ist nicht verhandelbar und für eine sicherheitsrelevante Leistung, die eine umfangreiche Aus- und Fortbildung erfordert, müssen auch angemessene und auskömmliche Honorare gezahlt werden.“
Dabei bedeutet mehr Sicherheit auf den Straßen nicht unbedingt ein Mehr an Reglementierung. Die Ingenieurinnen und Ingenieure im Verkehrswesen haben es sich zur Aufgabe gemacht, den sprichwörtlichen Schilderwald auf deutschen Straßen zu lichten. Doch weniger Schilder allein bedeuten noch nicht sicherere Straßen. Axel C. Springsfeld : „Auf viele Schilder können wir dann verzichten, wenn die Straßenraumgestaltung „selbsterklärend“ ist. In den Niederlanden ist eine interessante Idee schon weit verbreitet : Dort ist man dazu übergegangen, Informationen für die Verkehrsteilnehmer, beispielsweise über die zugelassene Höchstgeschwindigkeit direkt mit der Straßenmarkierung zu hinterlegen und dafür auf eine Vielzahl von Schildern zu verzichten.“
Die Ingenieurkammer-Bau Nordrhein-Westfalen (IK-Bau NRW) ist die berufsständische Selbstverwaltung und Interessenvertretung der im Bauwesen tätigen Ingenieurinnen und Ingenieure in Nordrhein-Westfalen. Mit mehr als 10.000 Mitgliedern ist sie die mitgliederstärkste Ingenieurkammer in Deutschland. Gemeinsamer Sitz ihrer Geschäftsstelle und der Ingenieurakademie West gGmbH, Fortbildungswerk der IK-Bau NRW, ist Düsseldorf. Weitere Informationen unter www.ikbaunrw.de
Bild : Archivbild der Ausstellung „Schöne Aussichten“ im Baukunstarchiv.
Quelle : Ingenieurkammer-Bau NRW