DEKRA Verkehrssicherheitsreport 2020

Mit oder ohne Fahrradhelm ? Große Unterschiede in europäischen Hauptstädten
  • Im Fahr­rad­land Nie­der­lan­de trägt prak­tisch nie­mand einen Helm
  • Spit­zen­rei­ter Lon­don : Fast zwei Drit­tel aller Rad­fah­rer mit Kopfschutz
  • E‑S­coo­ter-Crash zeigt Schutz­wir­kung von Fahrradhelmen

win­ter­berg-total­lo­kal : Die Hal­tung zum Fahr­rad­helm ist in euro­päi­schen Haupt­städ­ten sehr unter­schied­lich. Das hat eine groß ange­leg­te Ver­kehrs­be­ob­ach­tung der DEKRA Unfall­for­schung gezeigt. Die Ergeb­nis­se sind Teil des DEKRA Ver­kehrs­si­cher­heits­re­ports 2020 zum The­ma „Mobi­li­tät auf zwei Rädern“. Ins­ge­samt wur­den in neun Städ­ten mehr als 12.000 Rad- und E‑S­coo­ter-Fah­re­rin­nen und Fah­rer in die Stu­die ein­be­zo­gen. Die Beob­ach­tungs-Teams waren – vor der Coro­na-Pan­de­mie – in Ams­ter­dam, Ber­lin, Kopen­ha­gen, Ljublja­na, Lon­don, Paris, War­schau, Wien und Zagreb unterwegs.

„Über alle Städ­te hin­weg betrach­tet, lag die Helm­tra­ge­quo­te bei 22 %“, so DEKRA Unfall­for­scher Lui­gi Anco­na. „Wobei der Gesamt­durch­schnitt wenig Aus­sa­ge­kraft hat, denn die Ein­zel-Ergeb­nis­se gehen sehr weit auseinander.“

Die höchs­te Helm­tra­ge­quo­te wur­de mit 60,9 % in Lon­don ver­zeich­net. Mit deut­li­chem Abstand fol­gen Wien (26,7 %) und Ber­lin (24,3 %). Am wenigs­ten Helm getra­gen wird in Ams­ter­dam, näm­lich prak­tisch über­haupt nicht – die Quo­te lag bei nur 1,1 %. Nied­ri­ge Quo­ten wur­den auch in Zagreb (5,9 %) und Ljublja­na (9,1 %) ermit­telt. Das Mit­tel­feld bil­den Kopen­ha­gen und Paris (jeweils 19,9 %) sowie War­schau (22,0 %).

DEKRA Verkehrssicherheitsreport 2020
Der Anteil der Rad­fah­re­rin­nen und Rad­fah­rer mit Helm ist in Euro­pas Haupt­städ­ten sehr unter­schied­lich. Das hat eine Ver­kehrs­be­ob­ach­tung der DEKRA Unfall­for­schung für den DEKRA Ver­kehrs­si­cher­heits­re­port 2020 ergeben.

Kin­der tra­gen häu­fi­ger Helme

Wenig über­ra­schend war die Beob­ach­tung, dass Kin­der, die mit dem Rad unter­wegs sind, häu­fi­ger einen Helm tra­gen als alle ande­ren Alters­grup­pen. Das hat vor allem damit zu tun, dass Eltern bei ihren Kin­dern beson­ders auf die Sicher­heit ach­ten. Hin­zu kommt, dass in vier Län­dern, in denen die DEKRA Beob­ach­tungs­teams unter­wegs waren, für Kin­der und teil­wei­se auch für Jugend­li­che eine Helm­pflicht gilt : In Öster­reich und Frank­reich bis 12 Jah­re, in Slo­we­ni­en bis 15 Jah­re und in Kroa­ti­en sogar bis 16 Jah­re. Auf­fäl­lig auch : Die nied­rigs­te Helm­tra­ge­quo­te wur­de bei Teen­agern ermittelt.

Auf E‑Scootern wird sel­te­ner Helm getragen 

Bei Pri­vat­fahr­rä­dern, die in allen Städ­ten die gro­ße Mehr­heit aus­mach­ten, lag die Helm­tra­ge­quo­te deut­lich über der­je­ni­gen bei Ver­leih­fahr­rä­dern. E‑Scooter spiel­ten vor allem in Ber­lin, War­schau, Wien und Paris eine Rol­le. Hier wur­de sehr wenig Helm getra­gen, die Quo­te lag über­all deut­lich unter der bei Fahr­rä­dern. In Ber­lin wur­den 173 E‑Scooter erfasst – nie­mand trug dabei einen Helm. In Paris tru­gen auf 316 beob­ach­te­ten E‑Scootern immer­hin 30 Per­so­nen (9,5 %) einen Helm.

Die Ver­kehrs­be­ob­ach­tung wur­de in allen neun Städ­ten jeweils an Wochen­ta­gen zu unter­schied­li­chen Tages­zei­ten und an meh­re­ren Orten rund um den Stadt­kern durchgeführt.

Zusam­men­hang zwi­schen Sicher­heits­ge­fühl und Helm-Entscheidung

Auf­fäl­lig ist für die DEKRA Unfall­for­scher vor allem die mini­ma­le Helm­tra­ge­quo­te im Fahr­rad­land Nie­der­lan­de. „Die Nie­der­lan­de sind für Rad­fah­re­rin­nen und Rad­fah­rer das zweit­si­chers­te Land nach Däne­mark, wenn man die Unfall­zah­len mit der Gesamt­fahr­leis­tung ins Ver­hält­nis setzt“, so DEKRA Exper­te Ancona.

„Unse­re Zah­len las­sen durch­aus Rück­schlüs­se dar­auf zu, dass es einen Zusam­men­hang gibt zwi­schen fahr­rad­freund­li­cher Infra­struk­tur, dem sub­jek­ti­ven Sicher­heits­ge­fühl und der Ent­schei­dung, einen Helm zu tra­gen oder nicht.“ Dazu passt auch eine wei­te­re Beob­ach­tung : In Lon­don, der Stadt mit der mit gro­ßem Abstand höchs­ten Helm­tra­ge­quo­te, tru­gen auf­fäl­lig vie­le Rad­fah­re­rin­nen und Rad­fah­rer zusätz­lich Warn­wes­ten, um bes­ser sicht­bar zu sein.

Die Emp­feh­lung der DEKRA Unfall­for­scher ist klar : „Tra­gen Sie auf dem Fahr­rad oder auf dem E‑Scooter auf jeden Fall immer einen Helm.“ Zugleich plä­diert Anco­na für einen ganz­heit­li­chen Ansatz zur Ver­bes­se­rung der Ver­kehrs­si­cher­heit von Rad­fah­rern : Die Infra­struk­tur müs­se fahr­rad­freund­lich und mög­lichst sicher sein, als Worst-Case-Absi­che­rung sei der Helm aber unverzichtbar.

E‑S­coo­ter-Crash zeigt Schutz­wir­kung des Fahrradhelms 

„Das haben auch unse­re aktu­el­len Crash­ver­su­che mit einem E‑Scooter gezeigt, bei denen der Dum­my ein­mal mit und ein­mal ohne Helm unter­wegs war“, so Peter Rück­er, Lei­ter der DEKRA Unfall­for­schung. Dabei fuhr der E‑Scooter im DEKRA Crash Test Cen­ter in Neu­müns­ter in unter­schied­li­chen Win­keln mit 20 km/​h gegen eine Bord­stein­kan­te. Die Mess­wer­te aus dem Dum­my beim Auf­prall mit dem Kopf auf dem Boden zeig­ten : Ohne Helm wäre mit schwers­ten bis töd­li­chen Kopf­ver­let­zun­gen zu rech­nen gewe­sen. Mit Helm war der gemes­se­ne Belas­tungs­wert (HIC36) um 97 % gerin­ger, das Risi­ko einer schwer­wie­gen­den Kopf­ver­let­zung wäre so deut­lich reduziert.

Auch ein so genann­ter Air­bag-Helm, der als eine Art Hals­krau­se getra­gen wird und bei einem Sturz aus­löst, konn­te im Test eine gute Wir­kung zei­gen – die Mess­wer­te waren ver­gleich­bar mit denen im Ver­such mit dem han­dels­üb­li­chen Fahrradhelm.

Aller­dings galt das nur in dem Ver­suchs­sze­na­rio eines Allein­un­falls. In zwei ande­ren Crash­ver­su­chen, bei denen ein Rad­fah­rer von einem Pkw erfasst wur­de bzw. seit­lich auf einen Pkw auf­fuhr, lös­te der Air­bag-Helm nicht aus. „Beim rei­nen Sturz funk­tio­nier­te die Aus­lö­sung sehr zuver­läs­sig, die Schutz­wir­kung lag auf dem Niveau kon­ven­tio­nel­ler Hel­me“, so Peter Rück­er. „In der Kon­fi­gu­ra­ti­on Fahr­rad gegen Pkw hat der Air­bag-Helm aller­dings deut­li­che Schwä­chen in der Crash-Erken­nung gezeigt. Hier scheint es noch Schwie­rig­kei­ten mit dem Aus­lö­se-Algo­rith­mus zu geben, so dass von der Schutz­wir­kung her ein klas­si­scher Fahr­rad­helm zumin­dest aktu­ell noch die ver­läss­li­che­re Vari­an­te darstellt.“

Der DEKRA Verkehrssicherheitsreport

Seit 2008 ver­öf­fent­licht DEKRA jähr­lich den Ver­kehrs­si­cher­heits­re­port zu einem Aus­schnitts­the­ma. Der Report 2020 beschäf­tigt sich mit Mobi­li­tät auf zwei Rädern. Die Ver­kehrs­si­cher­heit im Zusam­men­hang mit Fahr­rä­dern, Pedelecs, E‑Scootern und Kraft­rä­dern wird dabei von den DEKRA Exper­ten aus den unter­schied­lichs­ten Blick­win­keln beleuch­tet. Am Ende ste­hen kon­kre­te For­de­run­gen und Emp­feh­lun­gen zu den Berei­chen Tech­nik, Infra­struk­tur und Fak­tor Mensch.

Das Online-Por­tal www​.dekra​-road​sa​fe​ty​.com bie­tet die Inhal­te des Reports und sei­ner Vor­gän­ger sowie tie­fer­ge­hen­de Infor­ma­tio­nen, zum Bei­spiel im Bewegt­bild. Außer­dem kön­nen hier alle DEKRA Ver­kehrs­si­cher­heits­re­ports als PDF her­un­ter­ge­la­den werden.

Quel­le : DEKRA e. V. Stuttgart

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