Hochsauerlandkreis rast mit 100 Sachen auf die graue Wohnungsnot zu

Pestel-Institut legt Untersuchung zum Senioren-Wohnen im Hochsauerlandkreis vor: Hochsauerlandkreis rast mit 100 Sachen auf die graue Wohnungsnot zu: 2045 werden 14.200 Seniorenwohnungen gebraucht

Warnung an Politik: „Wer schlecht wohnt, fühlt sich schlecht regiert“

Pest­el-Insti­tut: Der Hoch­sauer­land­kreis kommt in die Jah­re – und ist auf das Woh­nen der älte­ren Men­schen nicht vor­be­rei­tet: Die Baby-Boo­mer gehen bis 2035 kom­plett in Ren­te. Dann wer­den im Hoch­sauer­land­kreis rund 11.800 Men­schen mehr im Ruhe­stand sein als heu­te – ins­ge­samt näm­lich rund 69.300. Das geht aus einer Regio­nal-Unter­su­chung zum Senio­ren-Woh­nen her­vor, die das Pest­el-Insti­tut gemacht hat.

Die Wis­sen­schaft­ler war­nen dabei: „Der Woh­nungs­markt im Hoch­sauer­land­kreis ist mit der neu­en Rent­ner­ge­nera­ti­on der gebur­ten­star­ken Jahr­gän­ge kom­plett über­for­dert. Es feh­len Senio­ren­woh­nun­gen“, sagt Mat­thi­as Gün­ther vom Pest­el-Insti­tut. Schon jetzt gebe es einen mas­si­ven Man­gel an alters­ge­rech­ten Woh­nun­gen. „Das wird sich in den nächs­ten Jah­ren aller­dings noch enorm ver­schlim­mern. Oder anders gesagt: Der Hoch­sauer­land­kreis rast mit 100 Sachen auf die graue Woh­nungs­not zu“, so Mat­thi­as Günther.

Der Lei­ter des Pest­el-Insti­tuts nennt dazu kon­kre­te Zah­len: So gibt es aktu­ell rund 121.300 Haus­hal­te im Hoch­sauer­land­kreis. In 36 Pro­zent davon leben Senio­ren. „Bereits heu­te braucht der Hoch­sauer­land­kreis rund 10.100 Woh­nun­gen für die älte­ren Men­schen, die nicht mehr gut zu Fuß sind. Doch die­se Senio­ren­woh­nun­gen gibt der Woh­nungs­markt im Hoch­sauer­land­kreis bei wei­tem nicht her“, sagt Mat­thi­as Gün­ther. Und für 2045 ermit­telt die Unter­su­chung bei den benö­tig­ten Senio­ren­woh­nun­gen sogar einen deut­li­chen Anstieg: So wird der Hoch­sauer­land­kreis in zwan­zig Jah­ren für rund 14.200 Senio­ren­haus­hal­te Woh­nun­gen brau­chen, die zum Leben im Alter passen.

Eigent­lich sei der Bedarf sogar noch höher, so das Pest­el-Insti­tut. „Denn ein Groß­teil der alters­ge­rech­ten Woh­nun­gen wird noch nicht ein­mal von Älte­ren bewohnt. Oft nut­zen näm­lich auch Fami­li­en den Kom­fort einer Woh­nung ohne Schwel­len, mit brei­ten Türen, Flu­ren und Räu­men. Denn wo das Leben mit einem Rol­la­tor klappt, da kommt man auch mit einem Kin­der­wa­gen klar“, sagt Mat­thi­as Günther.

Neben dem Neu­bau sei des­halb vor allem eine Sanie­rungs­of­fen­si­ve not­wen­dig, um für mehr senio­ren­ge­rech­te Woh­nun­gen im Hoch­sauer­land­kreis zu sor­gen. „Doch die ist bis­lang nicht in Sicht: Das Fata­le ist, dass wir dazu poli­tisch nur eine Vogel-Strauß-Tak­tik erle­ben. Statt mit einem effek­ti­ven Pro­gramm fürs Senio­ren-Woh­nen das Pro­blem anzu­pa­cken, hat vor allem der Bund den Kopf in den Sand gesteckt und die graue Woh­nungs­not seit Jah­ren igno­riert“, sagt Günther.

Das müs­se sich jetzt drin­gend ändern, for­dert Katha­ri­na Metz­ger. Sie ist Prä­si­den­tin des Bun­des­ver­ban­des Deut­scher Bau­stoff-Fach­han­del (BDB), der die Regio­nal-Unter­su­chung zum Senio­ren-Woh­nen beim Pest­el-Insti­tut in Auf­trag gege­ben hat. An die Adres­se der Bun­des­tags­ab­ge­ord­ne­ten von CDU und SPD aus Nord­rhein-West­fa­len rich­tet Katha­ri­na Metz­ger einen ein­dring­li­chen Appell: „Das Woh­nen muss bei den Koali­ti­ons­ver­hand­lun­gen ein abso­lu­ter Schwer­punkt sein. Der Woh­nungs­bau braucht einen gewal­ti­gen Schub. Es ist wich­tig, dass die CDU und die SPD im Hoch­sauer­land­kreis die­ses ‚SOS-Not­si­gnal fürs Woh­nen‘ deut­lich nach Ber­lin funken.“

Eine künf­ti­ge schwarz-rote Bun­des­re­gie­rung müs­se den Woh­nungs­bau als Motor für die Bin­nen­kon­junk­tur ent­de­cken und nut­zen: „Es geht um mehr Senio­ren­woh­nun­gen, die durch Neu­bau und Sanie­rung ent­ste­hen müs­sen – auch im Hoch­sauer­land­kreis. Außer­dem um mehr bezahl­ba­re Woh­nun­gen und um mehr Sozi­al­woh­nun­gen“, so die Prä­si­den­tin des Baustoff-Fachhandels.

Die neue Bun­des­re­gie­rung müs­se die Bri­sanz, die die Woh­nungs­not habe, drin­gend erken­nen: „Wer schlecht wohnt, fühlt sich schlecht regiert. Wer eine hor­ren­de Mie­te zah­len muss oder erst gar kei­ne Woh­nung fin­det, die er noch irgend­wie bezah­len kann, bei dem wächst Frust. Das alles ist sozia­ler und letzt­lich auch demo­kra­ti­scher Spreng­stoff“, warnt Katha­ri­na Metzer.

Der Bund habe den Neu­bau von Woh­nun­gen zu wenig und außer­dem auch noch falsch geför­dert: „Statt weni­ge Gebäu­de mit über­trie­be­ner Kli­ma­schutz­tech­nik zu för­dern, muss der Bund künf­tig deut­lich mehr Geld für mehr Woh­nun­gen in die Hand neh­men, die dann auch bar­rie­re­arm sein müs­sen. Was er bis­lang in das Senio­ren-Woh­nen inves­tiert hat, ist nicht mehr als der Trop­fen auf dem hei­ßen Stein“, so Metzger.

Gemein­sam mit den Wis­sen­schaft­lern vom Pest­el-Insti­tut warnt der Bau­stoff-Fach­han­del eine von Fried­rich Merz geführ­te Bun­des­re­gie­rung davor, beim Woh­nungs­bau die poli­ti­sche „Wei­ter-so-Tas­te“ zu drü­cken: „Wenn sich die Woh­nungs­bau-Kri­se wei­ter zuspitzt, wird das auch im Hoch­sauer­land­kreis einen erheb­li­chen Ver­lust von Arbeits­plät­zen auf dem Bau bedeu­ten. Dabei geht es um die Jobs von Bau­ar­bei­tern, die im Hoch­sauer­land­kreis drin­gend gebraucht wer­den – für den Neu­bau und für das Sanie­ren von Woh­nun­gen“, sagt Mat­thi­as Günther.

Der Chef-Öko­nom des Pest­el-Insti­tuts hat bei einer Sanie­rungs­of­fen­si­ve für mehr alten­ge­rech­te Woh­nun­gen vor allem auch die rund 27.000 Haus­hal­te im Hoch­sauer­land­kreis im Blick, wo Senio­ren in den eige­nen vier Wän­den woh­nen: „Ob Eigen­heim, Rei­hen­haus oder Eigen­tums­woh­nung – es ist wich­tig, älte­ren Men­schen für ihr Wohn­ei­gen­tum recht­zei­tig einen Anreiz zu geben, ihr eige­nes Zuhau­se senio­ren­ge­recht umzu­bau­en. Dabei ist das Bad das A und O.“ Das Wich­tigs­te sei­en gro­ße Bäder mit einer Dusche ohne Schwel­len und Stufen.

Bei Senio­ren, die zur Mie­te woh­nen, warnt das Pest­el-Insti­tut vor Alters­ar­mut: „Bei vie­len Baby-Boo­mern gab es immer wie­der Pha­sen von Arbeits­lo­sig­keit. Außer­dem waren die gebur­ten­star­ken Jahr­gän­ge die, die oft zum Nied­rig­lohn gear­bei­tet haben. Also gehen vie­le der Baby-Boo­mer mit einer eher klei­nen Ren­te nach Hau­se. Ihre Mie­te kön­nen sie sich damit nicht mehr leis­ten – sie wird zur ‚K.o.-Miete‘. In Zukunft wer­den also deut­lich mehr Men­schen als heu­te im Hoch­sauer­land­kreis auf staat­li­che Unter­stüt­zung ange­wie­sen sein, um über­haupt ein Dach über dem Kopf zu haben“, so die Pro­gno­se von Pest­el-Insti­tuts­lei­ter Günther.

Die Unter­su­chung nimmt auch das Mie­ter-Porte­mon­naie der Senio­ren ins Visier: So liegt die durch­schnitt­li­che Kalt­mie­te im Hoch­sauer­land­kreis aktu­ell bei rund 5,20 Euro pro Qua­drat­me­ter Wohn­flä­che. 62 Pro­zent der Senio­ren­haus­hal­te, die zur Mie­te woh­nen, leben sogar güns­ti­ger: Rund 8.100 Haus­hal­te im Hoch­sauer­land­kreis, in denen Älte­re leben, zah­len nach Anga­ben des Pest­el-Insti­tuts der­zeit weni­ger als die Durchschnittsmiete.

„Noch jeden­falls“, sagt Öko­nom Mat­thi­as Gün­ther. Denn das wer­de sich deut­lich ändern, wenn der Staat nicht bereit sei, den Neu­bau von Senio­ren­woh­nun­gen und den alters­ge­rech­ten Umbau bestehen­der Woh­nun­gen kräf­tig zu unter­stüt­zen. Dabei warnt der Wis­sen­schaft­ler: „Eine Woh­nung alters­ge­recht zu machen, kos­tet Geld und schraubt die Mie­te nach oben. Aber eine höhe­re Mie­te kön­nen sich vie­le Älte­re ein­fach nicht leis­ten. Und erst recht nicht die Kos­ten für eine senio­ren­ge­rech­te Sanie­rung ihrer Wohnung.“

Dabei sei es für die öffent­li­chen Kas­sen in der Regel sogar deut­lich güns­ti­ger, alters­ge­rech­ten Wohn­raum zu schaf­fen: „Andern­falls sind Älte­re näm­lich gezwun­gen, ins Heim zu gehen. Und die Kos­ten für einen Heim­platz ste­hen auf Dau­er in kei­nem Ver­hält­nis zu dem, was der Staat inves­tie­ren müss­te, um eine alters­ge­rech­te Woh­nung zu schaf­fen“, so Pest­el-Insti­tuts­lei­ter Mat­thi­as Günther.

 

_____________________

Quel­le: Pestel-Institut
Foto­credits: Nils F. Hillebrand