Richtig reagieren in Stresssituationen auf herbstlichen Straßen

Tipps vom Formel-1-Profi: Richtig reagieren in Stresssituationen auf herbstlichen Straßen

Bernd Mayländer zu Aquaplaning, Seitenwind, Wild
  • Basics: Auf­merk­sam­keit, Sicher­heits­ab­stand, ange­pass­te Geschwindigkeit
  • Lenk­ein­grif­fe rich­tig dosie­ren, kei­ne fal­sche Scheu beim Bremsen
  • Rich­ti­ge Sitz­po­si­ti­on und Lenk­rad­hal­tung sind wichtig

Aqua­pla­ning, Sei­ten­wind, Wild und mehr: Gera­de auf herbst­li­chen Stra­ßen gera­ten Auto­fah­re­rin­nen und ‑fah­rer häu­fig in Stress­si­tua­tio­nen am Steu­er. Wer dar­auf gut vor­be­rei­tet ist und rich­tig reagiert, ist siche­rer unter­wegs, sagt DEKRA Mar­ken­bot­schaf­ter und For­mel-1-Safe­ty-Car-Fah­rer Bernd Maylän­der. Sein wich­tigs­ter Grund­satz-Tipp: Immer auf­merk­sam sein und mit allem rechnen.

Das bedeu­tet zunächst: Kei­ne zu gro­ße Ablen­kung durch Bord-Info­tain­ment, Mit­fah­ren­de oder gar das Han­dy. „Fah­ren ist und bleibt eine kom­ple­xe Auf­ga­be, und wir müs­sen uns best­mög­lich dar­auf kon­zen­trie­ren. Zu oft las­sen wir uns durch die Rou­ti­ne ein­lul­len und ent­wi­ckeln ein trü­ge­ri­sches Sicher­heits­ge­fühl“, weiß der Renn­stre­cken-Pro­fi. „Dann hal­ten wir zum Bei­spiel nicht genü­gend Abstand zum vor­aus­fah­ren­den Fahr­zeug – aber gera­de die­ser Sicher­heits­ab­stand kann in einer kri­ti­schen Situa­ti­on den ent­schei­den­den Unter­schied aus­ma­chen.“ Auch das The­ma ange­pass­te Geschwin­dig­keit ist für Maylän­der ein ganz wich­ti­ger Punkt.

Aquaplaning: Wenn das Auto buchstäblich schwimmt

Der­art vor­aus­schau­en­des Fah­ren hilft bei­spiels­wei­se, die Gefah­ren durch das so genann­te Aqua­pla­ning mög­lichst gering zu hal­ten. Wenn es stark oder lang­an­hal­tend reg­net, kann sich je nach Fahr­bahn­be­schaf­fen­heit Was­ser auf der Stra­ße sam­meln. Beson­ders Spur­ril­len sind anfäl­lig dafür. „Je frü­her ich sehe, dass vor mir die Stra­ße mehr als nur nass ist, umso bes­ser kann ich dar­auf reagie­ren“, erklärt Bernd Maylän­der. Am wich­tigs­ten: run­ter mit der Geschwin­dig­keit. „Beim Aqua­pla­ning schiebt sich ein Was­ser­keil zwi­schen Fahr­bahn und Rei­fen, das Fahr­zeug schwimmt auf. Brem­sen und Len­ken sind dann schwie­rig, weil die Räder kei­ne gute Ver­bin­dung zum Asphalt haben. Wenn ich aber schon vor­her die Geschwin­dig­keit redu­ziert habe, kann das hel­fen, damit die kri­ti­sche Situa­ti­on gar nicht erst entsteht.“

Auch der Rei­fen­zu­stand und vor allem die Pro­fil­tie­fe spie­len beim The­ma Aqua­pla­ning eine Rol­le. „Die Erfah­rung aus dem Renn­sport ist, dass Rei­fen ohne Pro­fil prak­tisch kein Was­ser ablei­ten kön­nen. Da ist es schon schwie­rig, auf nas­ser Stre­cke über­haupt gera­de­aus zu fah­ren“, so Maylän­der. Ähn­lich ist es mit dem nor­ma­len Pkw auf der Stra­ße: Je bes­ser das Rei­fen­pro­fil, umso eher blei­ben die Räder bei Näs­se lenk­fä­hig und kön­nen auch Brems­kräf­te bes­ser über­tra­gen. „Wir müs­sen uns klar­ma­chen, dass die Rei­fen unse­re ein­zi­ge Ver­bin­dung zur Stra­ße sind, und des­halb auf das Pro­fil, auf den Luft­druck und auf den Rei­fen­zu­stand ins­ge­samt ach­ten“, sagt der Experte.

In kritischen Situationen nicht zu viel lenken

Nicht nur bei Aqua­pla­ning, son­dern auch in ande­ren kri­ti­schen Situa­tio­nen kann das rich­ti­ge Len­ken ent­schei­dend sein – etwa, wenn es gilt, einem plötz­lich auf­tau­chen­den Hin­der­nis wie einem Wild­tier auf der Stra­ße aus­zu­wei­chen. „Wich­tig ist, dass ich genau dort­hin len­ke, wo ich hin­fah­ren will“, sagt Maylän­der. Das klingt zunächst wie eine Bin­sen­weis­heit, ist aber ein wesent­li­cher Sicher­heits-Tipp: „Wenn ich in einer kri­ti­schen Fahr­si­tua­ti­on zu stark len­ke, ver­schär­fe ich die Lage oft­mals eher. Der Lenk­ein­griff muss genau dosiert sein. Die rich­ti­ge Blick­füh­rung ist dabei ent­schei­dend, denn wohin ich schaue, dahin len­ke ich auch.“

Wich­tig beim Aus­wei­chen aus Sicht des Pro­fis: Immer brem­sen und len­ken. „Vor einem Hin­der­nis muss ja immer das Ziel sein, eine Kol­li­si­on zu ver­mei­den. Wenn das aber nicht mög­lich ist, spielt die Geschwin­dig­keit eine ent­schei­den­de Rol­le für die Fol­gen. Des­halb ist für mich jedes Aus­weich­ma­nö­ver unbe­dingt auch ein Bremsmanöver.“

Anders als beim Len­ken, gilt in moder­nen Fahr­zeu­gen für das Brem­sen: Viel hilft viel. „Vie­le trau­en sich nicht, voll zu brem­sen. Das ist ein Feh­ler“, sagt Maylän­der. „Mit ABS in den heu­ti­gen Fahr­zeu­gen kann ich gar nicht ‚zu stark‘ brem­sen“, erklärt er und emp­fiehlt für kri­ti­sche Situa­tio­nen die so genann­te Schlag­brem­sung. „Über­setzt heißt das: voll in die Eisen. Das erfor­dert für man­che im ers­ten Moment eini­ges an Über­win­dung. Umso wich­ti­ger ist, dass ich das mal geübt habe – zum Bei­spiel in einem Fahrsicherheitstraining.“

Richtige Sitzposition und Lenkradhaltung

Damit der Lenk- und Brems­ein­griff, etwa beim Aus­wei­chen, gelingt, sind auch die rich­ti­ge Sitz­po­si­ti­on und Lenk­rad­hal­tung wich­tig. Der erfah­re­ne Safe­ty-Car-Fah­rer emp­fiehlt, rela­tiv auf­recht zu sit­zen und das Lenk­rad mit bei­den Hän­den fest­zu­hal­ten, etwa „auf 9 und 15 Uhr“ an den Hol­men, und zwar mit leicht ange­win­kel­ten Armen. Auch die Bei­ne soll­ten in der nor­ma­len Fahr­po­si­ti­on deut­lich ange­win­kelt sein. „So kann ich das Maxi­mum an Kraft für eine schnel­le Reak­ti­on aufbringen.“

Vorsicht vor plötzlichem Seitenwind

Gera­de im Herbst spielt auch das The­ma Wind immer wie­der eine Rol­le auf den Stra­ßen. Gefähr­lich ist vor allem plötz­lich auf­tre­ten­der Sei­ten­wind. „Die Tücke am Wind ist, dass ich ihn – anders als zum Bei­spiel Näs­se – nicht sehen kann, son­dern ihn erst spü­re, wenn er mei­ne Fahr­sta­bi­li­tät beein­flusst“, sagt Maylän­der. Je grö­ßer das Fahr­zeug und je höher die Geschwin­dig­keit, umso grö­ßer kann der Ein­fluss des Win­des wer­den. „Ich besit­ze seit kur­zem ein Wohn­mo­bil und hat­te das zwei­fel­haf­te Ver­gnü­gen, es an einem sehr win­di­gen Tag abzu­ho­len. Das war eine sehr spe­zi­el­le Erfahrung.“

Häu­fig tritt Sei­ten­wind auf Brü­cken auf, aber auch nach dem Über­ho­len eines Lkw, bei der Aus­fahrt aus einem Tun­nel oder aus dem Wald kann das Auto plötz­lich seit­li­chen Schub bekom­men. Maylän­ders Emp­feh­lung des­halb: „Las­sen Sie sich nicht über­ra­schen, haben Sie das The­ma Sei­ten­wind auf dem Schirm und len­ken Sie, sobald Sie ihn spü­ren, dosiert gegen.“ Man­che gro­ßen Auto­bahn­brü­cken sind auch mit Wind­fah­nen oder Wind­sä­cken aus­ge­stat­tet. „Wenn die stramm im Wind ste­hen, soll­te ich auf jeden Fall reagie­ren und die Geschwin­dig­keit reduzieren.“

Trotz Sicherheitssystemen: Grenzen der Fahrphysik nicht ausreizen

Ein wei­te­rer Appell ist Bernd Maylän­der außer­dem beson­ders wich­tig: Er warnt Auto­fah­re­rin­nen und ‑fah­rer vor blin­dem Ver­trau­en auf die im Fahr­zeug ver­bau­ten Sicher­heits­sys­te­me. „Natür­lich ver­hin­dert bei­spiels­wei­se ESP bei ‚nor­ma­ler‘ Fahrt zuver­läs­sig, dass das Fahr­zeug ins Schleu­dern kommt. Aber die Geset­ze der Phy­sik kann auch das bes­te Sys­tem nicht außer Kraft set­zen. Das heißt: Wenn ich extrem fah­re, flie­ge ich auch mit ESP von der Stra­ße.“ Für viel zu hohe Geschwin­dig­kei­ten lie­ßen sich sol­che Sys­te­me gar nicht aus­le­gen, erklärt der Safety-Car-Fahrer.

„Moder­ne Fah­rer­as­sis­tenz­sys­te­me wie ESP, Not­brems­as­sis­tent oder Spur­ver­las­sens­war­ner hel­fen mir zwar oft­mals, kri­ti­sche Situa­tio­nen zu ver­mei­den oder zu meis­tern. Sie neh­men mir aber nicht die Ver­ant­wor­tung ab. Ich als Fah­rer muss genau­so mei­nen Teil zur siche­ren Fahrt bei­tra­gen“, sagt Maylän­der und fasst zusam­men: „Wenn ich auf­merk­sam, vor­aus­schau­end und vor­sich­tig fah­re, dann fah­re ich in aller Regel auch sicher.“

 

Über DEKRA

DEKRA wur­de 1925 ursprüng­lich mit dem Ziel gegrün­det, die Sicher­heit im Stra­ßen­ver­kehr durch Fahr­zeug­prü­fun­gen zu gewähr­leis­ten. Mit einem weit­aus brei­te­ren Tätig­keits­spek­trum ist DEKRA heu­te die welt­weit größ­te unab­hän­gi­ge nicht bör­sen­no­tier­te Sach­ver­stän­di­gen­or­ga­ni­sa­ti­on im Bereich Prü­fung, Inspek­ti­on und Zer­ti­fi­zie­rung. Als glo­ba­ler Anbie­ter umfas­sen­der Dienst­leis­tun­gen und Lösun­gen hel­fen wir unse­ren Kun­den, ihre Ergeb­nis­se in den Berei­chen Sicher­heit und Nach­hal­tig­keit zu ver­bes­sern. Im Jahr 2023 hat DEKRA einen Umsatz von 4,1 Mil­li­ar­den Euro erzielt. Rund 49.000 Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­ter sind in rund 60 Län­dern auf fünf Kon­ti­nen­ten mit qua­li­fi­zier­ten und unab­hän­gi­gen Exper­ten­dienst­leis­tun­gen im Ein­satz. DEKRA gehört mit dem Pla­ti­num-Rating von Eco­Va­dis zu den Top-1-Pro­zent der nach­hal­ti­gen Unter­neh­men im Ranking.

 

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Bild: Bernd Maylän­der ist seit mehr als 20 Jah­ren als Safe­ty-Car-Fah­rer in der For­mel 1 im Ein­satz. Mit kri­ti­schen Fahr­si­tua­tio­nen kennt er sich bes­tens aus.

Quel­le: DEKRA e. V. Stuttgart

Foto­credits: DEKRA e. V. Stuttgart