Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2023 vorgestellt

Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2023 vorgestellt: Deutsche Sicherheitsbehörden treten inneren und äußeren Bedrohungen entgegen

Bun­des­in­nen­mi­nis­te­rin Nan­cy Fae­ser: “Wir haben alle Schutz­maß­nah­men mas­siv hoch­ge­fah­ren

Bun­des­in­nen­mi­nis­te­rin Nan­cy Fae­ser hat heu­te gemein­sam mit dem Prä­si­den­ten des Bun­des­am­tes für Ver­fas­sungs­schutz (BfV), Tho­mas Hal­den­wang, in der Bun­des­pres­se­kon­fe­renz in Ber­lin den Ver­fas­sungs­schutz­be­richt für das Jahr 2023 vor­ge­stellt. Im Mit­tel­punkt stan­den dabei hybri­de Bedro­hun­gen wie Cyber­an­grif­fe und Spio­na­ge ins­be­son­de­re durch das rus­si­sche Régime sowie die extre­mis­ti­schen Bedro­hun­gen durch Isla­mis­mus, Rechts­extre­mis­mus und Linksextremismus.

Bun­des­in­nen­mi­nis­te­rin Nan­cy Fae­ser: “Die Sicher­heits­la­ge bleibt ange­spannt. Der bru­ta­le rus­si­sche Angriffs­krieg gegen die Ukrai­ne stellt wei­ter­hin die euro­päi­sche Frie­dens­ord­nung in Fra­ge. Und die furcht­ba­ren Eska­la­tio­nen im Nahen Osten nach dem Ter­ror der Hamas gegen Isra­el wir­ken sich auch bei uns aus. Wir haben alle Schutz­maß­nah­men mas­siv hoch­ge­fah­ren, um uns gegen die aktu­el­len Bedro­hun­gen durch Extre­mis­mus, Ter­ro­ris­mus und hybri­de Bedro­hun­gen zu wapp­nen. Das ist auch abso­lut not­wen­dig. Denn die Bedro­hung unse­rer Demo­kra­tie durch Spio­na­ge, Sabo­ta­ge, Des­in­for­ma­ti­on und Cyber­an­grif­fe hat eine neue Dimen­si­on erreicht. Höchs­te Sen­si­bi­li­tät und höchs­te Schutz­vor­keh­run­gen brau­chen wir in allen Berei­chen: in Insti­tu­tio­nen genau­so wie in Unter­neh­men, ins­be­son­de­re im Bereich der kri­ti­schen Infrastruktur.

Unse­re Sicher­heits­be­hör­den ver­stär­ken den Kampf gegen isla­mis­ti­schen Ter­ro­ris­mus wei­ter. Wir set­zen alle Instru­men­te ein: von der nach­rich­ten­dienst­li­chen Beob­ach­tung bis hin zu inten­si­ven Ermitt­lun­gen. Außer­dem wol­len wir isla­mis­ti­sche Gewalt­tä­ter und Gefähr­der wie­der nach Afgha­ni­stan und Syri­en abschie­ben – und arbei­ten inten­siv dar­an, hier­für Wege zu fin­den. Das Sicher­heits­in­ter­es­se Deutsch­lands hat hier ganz klar die Priorität.”

BfV-Prä­si­dent Tho­mas Hal­den­wang: “Die ver­schärf­te Gefähr­dungs­la­ge für Deutsch­land stellt auch den Ver­fas­sungs­schutz vor gro­ße Her­aus­for­de­run­gen. Wir sehen uns aktu­ell einem sehr hohen Niveau von Bedro­hun­gen gegenüber.

Das Risi­ko jiha­dis­ti­scher Anschlä­ge ist seit dem Ter­ror­an­griff der Hamas auf Isra­el wei­ter gestie­gen. Deutsch­land steht im Fokus – vor allem von Grup­pen wie dem ISPK. Aber auch radi­ka­li­sier­te Ein­zel­tä­ter ohne erkenn­ba­re Anbin­dung an Ter­ror­or­ga­ni­sa­tio­nen stel­len eine gro­ße Gefahr dar.

Der Nah­ost­kon­flikt wirk­te wie ein Brand­be­schleu­ni­ger für den Anti­se­mi­tis­mus in Deutsch­land, der ein Brü­cken­n­ar­ra­tiv für teil­wei­se sehr unter­schied­li­che Extre­mis­mus­fel­der ist. Die Zahl der anti­se­mi­tisch moti­vier­ten Straf­ta­ten ist dra­ma­tisch gestie­gen, was uns alle alar­mie­ren sollte.

Der aktu­el­le Bericht zeigt sehr ein­dring­lich, dass die Ver­net­zungs­ak­ti­vi­tä­ten der soge­nann­ten Neu­en Rech­ten wei­ter zuge­nom­men haben und die Bedeu­tung die­ser Akteu­re für die rechts­extre­mis­ti­sche Sze­ne steigt.

Die Akti­vi­tä­ten frem­der Staa­ten haben sich im ver­gan­ge­nen Jahr erneut inten­si­viert: Sie rei­chen von Des­in­for­ma­ti­ons­kam­pa­gnen über Cyber­an­grif­fe bis hin zu klas­si­scher Spio­na­ge. Im ana­lo­gen und im Cyber­raum sehen wir uns Geg­nern gegen­über, die immer skru­pel­lo­ser ver­su­chen, ihre Zie­le zu erreichen.”

Für das Jahr 2023 wur­den ins­ge­samt 39.433 Straf­ta­ten mit extre­mis­ti­schem Hin­ter­grund aus­ge­wie­sen (2022: 35.452) – dies ist ein neu­er Höchst­stand. Davon waren 2.761 (2022: 2.847) Gewalttaten.

Der Bericht ent­hält erst­mals ein phä­no­men­über­grei­fen­des Son­der­ka­pi­tel zu den Aus­wir­kun­gen des Nah­ost­kon­flikts und zum Anti­se­mi­tis­mus, denn der Ter­ror­an­griff der HAMAS am 7. Okto­ber 2023 auf Isra­el sowie der dar­auf­fol­gen­de Krieg in Gaza haben Aus­wir­kun­gen auf die Sicher­heits­la­ge in Deutsch­land. Unter­schied­li­che extre­mis­ti­sche Akteu­re nutz­ten den Kon­flikt, um zu Hass und Gewalt gegen Jüdin­nen und Juden oder den Staat Isra­el auf­zu­ru­fen oder sein Exis­tenz­recht zu verneinen.

Die Bedro­hung durch Spio­na­ge, ille­gi­ti­me Ein­fluss­nah­me, Des­in­for­ma­ti­ons­kam­pa­gnen und Cyber­an­grif­fe hat sich gegen­über 2022 wei­ter ver­schärft. Die Haupt­ak­teu­re die­ser gegen Deutsch­land gerich­te­ten Akti­vi­tä­ten sind die Rus­si­sche Föde­ra­ti­on, die Volks­re­pu­blik Chi­na und die Isla­mi­sche Repu­blik Iran. Pro­pa­gan­da und Des­in­for­ma­ti­on – vor allem durch das rus­si­sche Régime – haben noch ein­mal deut­lich an Inten­si­tät gewon­nen. Auch das stra­te­gisch gesteu­er­te Vor­ge­hen Chi­nas for­der­te die Cyber- und Spio­na­ge­ab­wehr in beson­de­rem Maße.

Im Rechts­extre­mis­mus ist das Per­so­nen­po­ten­zi­al wei­ter ange­wach­sen und liegt bei 40.600 (2022: 38.800). Auch der Anteil der gewalt­ori­en­tier­ten Rechts­extre­mis­ten ist aber­mals auf nun­mehr 14.500 (2022: 14.000) gestie­gen. Die Ver­net­zung von Akteu­ren im Bereich der “Neu­en Rech­ten” nimmt wei­ter­hin zu. Zudem ist 2023 auch das Per­so­nen­po­ten­zi­al der “Reichs­bür­ger” und “Selbst­ver­wal­ter” erneut um 2.000 Per­so­nen auf ins­ge­samt 25.000 ange­wach­sen. Das gewalt­ori­en­tier­te Per­so­nen­po­ten­zi­al liegt bei wei­ter­hin rund zehn Pro­zent, also 2.500 Per­so­nen (2022: 2.300). Das Gefähr­dungs­po­ten­zi­al durch die Waf­fen­af­fi­ni­tät vie­ler Sze­ne­an­ge­hö­ri­ger besteht fort. Im Jahr 2023 wur­den min­des­tens 360 „Reichs­bür­gern“ und „Selbst­ver­wal­tern“ waf­fen­recht­li­che Erlaub­nis­se ent­zo­gen oder frei­wil­lig zurückgegeben.

Das links­extre­mis­ti­sche Per­so­nen­po­ten­zi­al ist im Jahr 2023 um 500 auf ins­ge­samt 37.000 Per­so­nen gestie­gen. Mehr als jeder vier­te Links­extre­mist ist als gewalt­ori­en­tiert ein­zu­schät­zen. Bei dem Anstieg der links­extre­mis­tisch moti­vier­ten Straf­ta­ten ist beson­ders der Zuwachs an Gewalt­ta­ten beun­ru­hi­gend (um 20,8 Pro­zent auf 727 Delik­te). Ins­be­son­de­re Gewalt gegen Poli­zei­be­am­tin­nen und ‑beam­te nahm deut­lich zu, dar­un­ter ein nach der­zei­ti­gem Ermitt­lungs­stand ver­such­ter Mord. Der Ver­such der Beein­flus­sung der Kli­ma­pro­test­be­we­gung durch Links­extre­mis­ten mit dem Ziel einer Radi­ka­li­sie­rung der Akti­ons­for­men hin zur Sabo­ta­ge von Infra­struk­tur setz­te sich fort. Das Bünd­nis “Ende Gelän­de” wird nun­mehr als links­extre­mis­ti­scher Ver­dachts­fall bearbeitet.

Im Bereich Islamismus/​islamistischer Ter­ro­ris­mus zeigt sich ein annä­hernd gleich­blei­ben­des Per­so­nen­po­ten­zi­al von 27.200 Per­so­nen (2022: 27.480). Euro­pa und damit auch Deutsch­land ste­hen wei­ter­hin und ver­stärkt im Fokus ter­ro­ris­tisch-jiha­dis­ti­scher Orga­ni­sa­tio­nen, vor allem des ISPK. Die Gefähr­dung durch den isla­mis­ti­schen Ter­ro­ris­mus in Deutsch­land sowie für deut­sche Inter­es­sen und Ein­rich­tun­gen welt­weit hat sich seit dem ter­ro­ris­ti­schen Angriff der HAMAS auf Isra­el wei­ter erhöht. Sowohl der IS als auch “al-Qai­da” haben die Ereig­nis­se im Nahen Osten zum Anlass genom­men, zum “Jihad” aufzurufen.

Das Per­so­nen­po­ten­zi­al im aus­lands­be­zo­ge­nen Extre­mis­mus ist im Ver­gleich zum Vor­jahr mit 30.650 Per­so­nen (2022: 29.750) wei­ter leicht ange­stie­gen. Die zah­len­mä­ßig bedeut­sams­te Orga­ni­sa­ti­on in Deutsch­land ist wei­ter­hin die “Arbei­ter­par­tei Kur­di­stans” (PKK) mit 15.000 Anhän­gern (2022: 14.500).

Den Ver­fas­sungs­schutz­be­richt 2023 fin­den Sie unter:
www​.bmi​.bund​.de/​V​S​B​2​023  oder unter www​.ver​fas​sungs​schutz​.de

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Quel­le: Bun­des­mi­nis­te­ri­um des Innern und für Heimat
Foto­credits: Hen­ning Schacht