Also Ende gut, alles gut? Ein elendes Gewürge Leitartikel von Julia Emmrich zum Cannabis-Gesetz

Berliner Morgenpost: Ein elendes Gewürge – Leitartikel von Julia Emmrich zum Cannabis-Gesetz

Grü­nes Licht für die Lega­li­sie­rung: Die Län­der haben das umstrit­te­ne Can­na­bis-Gesetz der Ampel im Bun­des­rat pas­sie­ren las­sen. Also Ende gut, alles gut? Nein. Wer jetzt jubelt, muss eines wis­sen: Das Gesetz hat zwar die­sen Frei­tag über­lebt; ob es das kom­men­de Jahr über­steht, ist dage­gen höchst unwahr­schein­lich. Die Uni­ons­par­tei­en haben bereits ange­kün­digt, dass sie die Can­na­bis-Lega­li­sie­rung rück­gän­gig machen wer­den, soll­ten sie an die Regie­rung kommen.

Sicher, dafür bräuch­ten sie dann die Zustim­mung des jewei­li­gen Koali­ti­ons­part­ners. Die SPD aber wäre ver­mut­lich sofort bereit, das unge­lieb­te Gesetz zu kip­pen. Die FDP hät­te defi­ni­tiv ande­re Sor­gen, als aus­ge­rech­net fürs Kif­fen zu kämp­fen – und selbst die Grü­nen waren in den ver­gan­ge­nen Mona­ten auf­fäl­lig still, wenn es um Karl Lau­ter­bachs ein­sa­men Kampf für das Gesetz ging. Soll­te sich dann noch her­aus­stel­len, dass die Lega­li­sie­rung gesell­schaft­lich, juris­tisch und medi­zi­nisch nach hin­ten los­geht, wird es kein Hal­ten mehr geben und die Sache ist ganz schnell wie­der vom Tisch.

Es kommt nicht oft vor, dass eine Regie­rung Geset­ze ver­ab­schie­det, an die sie selbst nicht mehr glaubt und die auch sonst kaum noch jemand für schlau hält.

Das Can­na­bis-Gesetz ist des­we­gen auch ein beson­ders bit­te­res Bei­spiel für eine poli­ti­sche Durch­hal­te­tak­tik, die mehr dazu dient, das Gesicht der Ampel zu wah­ren, als wirk­lich gute Poli­tik zu machen. Die Geschich­te des Geset­zes ist die Geschich­te einer pein­li­chen Ver­zwer­gung und gleich­zei­tig ein Beweis für die noto­ri­sche Unfä­hig­keit der Ampel, recht­zei­tig die Reiß­lei­ne zu ziehen.

Bit­te mal erin­nern: Am Anfang fei­er­te sich die Koali­ti­on für ihren Mut, ihre Moder­ni­tät und Jugend­lich­keit. Can­na­bis lega­li­sie­ren? Klar, machen wir schnell mal eben! Dann erging es der Ampel, wie es jedem groß­spu­ri­gen Jugend­li­chen geht, der auf ein­mal unsanft mit der Rea­li­tät zusammenstößt.

Allein die schie­re Zahl der Minis­te­ri­en, die bei der Lega­li­sie­rung mit­re­den muss­ten, zeig­te auch dem letz­ten Lega­li­sie­rungs­fan, was sich die Ampel da ein­ge­brockt hatte:

Gesund­heits­schutz und Rechts­fol­gen, Kon­trol­le und Anbau, Han­del und EU-Recht – alles betrof­fen, alles nicht ein­fach im Hand­um­dre­hen zu regeln. Nicht von unge­fähr gibt es nur sehr weni­ge Län­der, die sich bis­lang einen sol­chen Schritt getraut haben. Mit ande­ren Wor­ten: Es ist ein­fa­cher, Can­na­bis zu ver­bie­ten als zu legalisieren.

Die Fol­ge des Zusam­men­sto­ßes zwi­schen Visi­on und Wirk­lich­keit ist: Der gro­ße Wurf wur­de von Monat zu Monat klei­ner, aus der Lega­li­sie­rung wur­de am Ende nicht viel mehr als ein vor­sich­ti­ges Her­auf­set­zen der zuläs­si­gen Min­dest­men­gen für den pri­va­ten Kon­sum von Can­na­bis. Doch selbst dage­gen lie­fen zum Schluss nahe­zu sämt­li­che Exper­ten Sturm: Kin­der­ärz­te war­nen vor einer Zunah­me des Kon­sums und dras­ti­schen Fol­gen für die Ent­wick­lung. Jus­tiz­be­hör­den bekom­men Schnapp­at­mung, wenn sie an die vie­len Fäl­le den­ken, die jetzt auf­ge­rollt wer­den müs­sen, weil bestimm­te Delik­te kei­ne mehr sein sollen.

Die Innen­mi­nis­ter tip­pen sich an die Stirn beim Gedan­ken, dass der Staat ein­fach mal eine neue Dro­ge frei­gibt, ohne die Fol­gen für den Ver­kehr wirk­lich sicher ein­schät­zen zu können.

Klar, es gibt Fäl­le, wo Durch­hal­ten eine poli­ti­sche Tugend ist. Bei Can­na­bis wäre es bes­ser gewe­sen, die Ampel hät­te gesagt: Leu­te, wir haben es gut gemeint, es funk­tio­niert aber nicht. Jetzt geht das Gewür­ge weiter.

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