„Sie promovierter Arsch“ – Unter der Gürtellinie – Wenn Beleidigungen unter Mietern und Eigentümern vor Gericht landen

Unter der Gürtellinie – Wenn Beleidigungen unter Mietern und Eigentümern vor Gericht landen

Zum Glück ver­läuft der All­tag unter den Bewoh­nern von Miets­häu­sern und Mit­glie­dern von Eigen­tü­mer­ge­mein­schaf­ten in der Regel fried­lich. Belei­di­gun­gen zäh­len zu den abso­lu­ten Aus­nah­me­erschei­nun­gen. Aber sie kom­men natür­lich vor. Der Info­dienst Recht und Steu­ern der LBS stellt eini­ge Urtei­le deut­scher Gerich­te vor, die sich damit befas­sen muss­ten. Meis­tens geht es dar­um, was man – gera­de noch oder eben nicht mehr – zu sei­nen Mit­men­schen sagen darf. Die Ent­schei­dun­gen fal­len höchst unter­schied­lich aus, weil es oft auch auf die kon­kre­ten Rah­men­be­din­gun­gen ankommt.

Ver­ba­le Ent­glei­sun­gen sind schon vor weni­gen Zuhö­rern höchst unan­ge­nehm für den Betrof­fe­nen. Erst recht ist das so, wenn sie vor einer brei­ten Öffent­lich­keit statt­fin­den. Ein Ver­mie­ter muss­te zum Bei­spiel erle­ben, dass ihn sein Mie­ter in den sozia­len Netz­wer­ken als „Huso“ (Kurz­form von „Huren­sohn“) bezeich­ne­te. Das Amts­ge­richt Düs­sel­dorf (Akten­zei­chen 27 C 34618) befand, die­ses Vor­ge­hen berech­ti­ge zu einer frist­lo­sen Kün­di­gung des Miet­ver­hält­nis­ses, denn es hand­le sich ein­deu­tig um eine schwer­wie­gen­de Beschimp­fung und Beleidigung.

Bei Belei­di­gun­gen spie­len die Umstän­de des Ein­zel­falls eine gewich­ti­ge Rol­le – ins­be­son­de­re auch das vor­an­ge­gan­ge­ne Ver­hal­ten des Belei­dig­ten. Mie­ter und Ver­mie­ter hat­ten bereits über einen län­ge­ren Zeit­raum Streit über die Repa­ra­tur einer Gas­eta­gen­hei­zung. Der Mie­ter schrieb schließ­lich einen Brief an den Haus­ver­wal­ter, in dem er von des­sen „erbärm­li­chem“ Niveau sprach und davon, dass die­ser eine „Untreue“ began­gen habe. Das Amts­ge­richt Neu­kölln (Akten­zei­chen 10 C 11919) beton­te, im Rah­men solch einer lang­wie­ri­gen und hit­zi­gen Aus­ein­an­der­set­zung könn­ten schon mal „har­te Wor­te“ fal­len, „ohne dass hier­bei gleich von einer Ehr­ver­let­zung aus­ge­gan­gen wer­den kann“. Eine frist­lo­se Kün­di­gung des Mie­ters sei nicht gerechtfertigt.

In einer Miet­woh­nung war nach Anga­ben des Bewoh­ners die Was­ser­tem­pe­ra­tur zu nied­rig und er mahn­te eine Repa­ra­tur an. Als der Eigen­tü­mer selbst vor­bei­kom­men woll­te, um das Pro­blem in Augen­schein zu neh­men, wur­de er vom Mie­ter als „Sie pro­mo­vier­ter Arsch“bezeich­net. Nach Ansicht des Amts­ge­richts Mün­chen (Akten­zei­chen 474 C 1854314) war das eine völ­lig unan­ge­mes­se­ne und hef­ti­ge Belei­di­gung, die zu Recht eine frist­lo­se Kün­di­gung nach sich zog.

Nicht nur den unmit­tel­ba­ren Ver­trags­part­ner, son­dern auch die im Objekt ein­ge­setz­ten Hand­wer­ker haben Anspruch auf eine ange­mes­se­ne Wort­wahl. Ein Unter­mie­ter ver­gaß das, als in einer Nach­bar­woh­nung am frü­hen Mor­gen Bau­ar­bei­ten durch­ge­führt wur­den. Er bezeich­ne­te die Hand­wer­ker als „Mother­fu­cker“ und sag­te zu ihnen „Fuck you“. Das Amts­ge­richt Neu­kölln (Akten­zei­chen 13 C 12618) sah nur des­we­gen von einer frist­lo­sen Kün­di­gung des Miet­ver­hält­nis­ses ab, weil es sich um einen ein­ma­li­gen Vor­fall gehan­delt habe.

Nor­ma­ler­wei­se sind nicht geneh­mig­te Ton­band- und Video­auf­nah­men als Beweis­mit­tel nicht zuge­las­sen. Eine Aus­nah­me kann aller­dings dann vor­lie­gen, wenn auf die­se Wei­se schwers­te Belei­di­gun­gen doku­men­tiert sind und die Auf­zeich­nun­gen nicht heim­lich im pri­va­ten Kreis erfolg­ten. Das Amts­ge­richt Bot­trop (Akten­zei­chen 11 C 26422) sah dies als gege­ben an, als in einem (auf Video doku­men­tier­ten) Streit zwi­schen Mie­ter und Ver­mie­ter For­mu­lie­run­gen wie „Drecks­stück“ und „sonst brin­ge ich dich um“ aus dem offe­nen Fens­ter her­aus gefal­len waren. Die Mie­ter muss­ten die Woh­nung räumen.

Beson­ders fatal für den Urhe­ber sind Belei­di­gun­gen immer dann, wenn sie in Kom­bi­na­ti­on mit kör­per­li­chen Atta­cken statt­fin­den. Denn das zeigt deut­lich, dass es sich um schwer­wie­gen­de Über­grif­fe han­delt. Ein Mie­ter sag­te zu sei­nem Ver­mie­ter „Halt die Fres­se“ und berühr­te die­sen auch noch am Ober­kör­per, so dass er aus­wei­chen muss­te. Nach Mei­nung des Amts­ge­richts Mün­chen (Akten­zei­chen 473 C 947321) war damit kei­ne wei­te­re Ver­trags­be­zie­hung mehr möglich.

Ver­ba­le Ent­glei­sun­gen kön­nen nicht nur miet­recht­li­che und straf­recht­li­che Kon­se­quen­zen haben. Prin­zi­pi­ell ist es auch mög­lich, dass ein Betrof­fe­ner auf Schmer­zens­geld klagt. Der Bun­des­ge­richts­hof (Akten­zei­chen VI ZR 49615) hält es aller­dings regel­mä­ßig für nicht erfor­der­lich, Schmer­zens­geld zuzu­spre­chen, wenn die Belei­di­gun­gen nicht in der Öffent­lich­keit gemacht wur­den und wenn sie sich nicht über einen län­ge­ren Zeit­raum erstreck­ten. In sol­chen Fäl­len kön­ne es genü­gen, wenn die Geschä­dig­ten ihre Unter­las­sungs­an­sprü­che durchsetzen.

Es gibt wohl kaum eine schlim­me­re Form der Belei­di­gung, als wenn die­se aus­ge­rech­net wäh­rend einer Fern­seh­sen­dung geäu­ßert wird. Dann nimmt näm­lich ein größt­mög­li­ches Publi­kum dar­an teil. Ein Pro­mi­nen­ter äußer­te in einer TV-Sen­dung, sei­ne Ver­mie­ter sei­en „Arsch­lö­cher aus Mün­chen“. Das führ­te nicht nur zu einer frist­lo­sen Kün­di­gung, son­dern auch zu einem Schmer­zens­geld in Höhe von 4.000 Euro. Das Amts­ge­richt Char­lot­ten­burg (Akten­zei­chen 210 C 19820) berück­sich­tig­te hier ins­be­son­de­re die Öffent­lich­keit der Beleidigung.

Die­ser Aus­lö­ser für eine miet­recht­li­che Aus­ein­an­der­set­zung war beson­ders häss­lich: Ein Bewoh­ner hat­te sei­ne Freun­din geschla­gen und laut­hals beschimpft. Ein Nach­bar ermahn­te ihn, sofort damit auf­zu­hö­ren. Als Kon­se­quenz belei­dig­te der Gewalt­tä­ter nun auch noch den Nach­barn (unter ande­rem mit „Lass mich in Ruhe, sonst stirbst du“). Das Amts­ge­richt Mün­chen (Akten­zei­chen 474 C 1895616) stimm­te ange­sichts die­ser schwer­wie­gen­den Vor­wür­fe einer frist­lo­sen Kün­di­gung zu, zumal die Poli­zei in der Woh­nung des Man­nes auch noch eine Axt und Kampf­mes­ser ent­deckt hatte.

Der Eigen­tü­mer einer Immo­bi­lie woll­te sich für einen sei­ner Mie­ter ein­set­zen, der von einem ande­ren Mie­ter ras­sis­tisch belei­digt wor­den war. Als er den Betrof­fe­nen wegen die­ses Vor­falls zur Rede stell­te, bezeich­ne­te die­ser den Eigen­tü­mer als „Schwein“. Das war dem Amts­ge­richt Mün­chen (Akten­zei­chen 411 C 802713) dann doch zu viel. Es ent­sprach dem Ansin­nen des belei­dig­ten Ver­mie­ters, dem Unru­he­stif­ter die sofor­ti­ge frist­lo­se Kün­di­gung auszusprechen.

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Quel­le: Dr. Ivonn Kap­pel, Refe­rat Pres­se, Bun­des­ge­schäfts­stel­le Landesbausparkassen
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