Gekrähe im Kinderzimmer – Schlaf-Gummibärchen ??? Tiktok-Hype, das Versprechen klingt verlockend.

Berliner Morgenpost: Eltern, leistet Widerstand! Ein Kommentar von Petra Koruhn zu Schlaf-Gummibärchen

Fragt man Eltern, was sie sich wün­schen, kommt ganz schnell die Ant­wort: Mein Kind soll end­lich bes­ser schla­fen. Dabei haben sie doch alles ver­sucht. Haben Gute­nacht­ge­schich­te über Gute­nacht­ge­schich­te vor­ge­le­sen und ein Ein­schlaf­lied noch oben­drauf gesummt. Der Erfolg war oft dünn.

Es ist eben ein­fach häu­fig so: Gera­de hat man es sich im Sofa gemüt­lich gemacht, und da ist es schon wie­der, das Gekrä­he aus dem Kin­der­zim­mer. Jetzt also sol­len Schlaf-Gum­mi­bär­chen die Wen­de brin­gen. Und man möch­te sofort sagen: Lie­be Eltern, die ihr für eure Kin­der nach­hal­ti­ge Weih­nachts­ge­schen­ke kauft und für schad­stoff­re­du­zier­te Äpfel in den Bio­markt fahrt: Geht’s noch?

Ein Drit­tel der Kin­der in Deutsch­land lei­det unter Schlaf­stö­run­gen, so die Sta­tis­tik. Und damit lei­den auch ihre Eltern. Natür­lich kommt mit jeder wei­te­ren Nacht, die man am Kin­der­bett ver­bringt, der Gedan­ke auf: Gibt es nicht eine Lösung, die uns allen hilft? Ver­ständ­lich. Unaus­ge­schla­fe­ne Kin­der sind anstren­gend und unaus­ge­schla­fe­ne Eltern im Job nicht gern gese­hen. Soll­te man also nicht viel­leicht auch mal zu die­sen Gum­mi­bär­chen grei­fen, die gera­de der gro­ße Tik­tok-Hype sind? Im Grun­de wis­sen wir, dass es nicht gut sein kann. Aber das Ver­spre­chen klingt ver­lo­ckend: Die Vide­os in den sozia­len Medi­en, die unter Titeln wie „Wie du dein Kind in unter fünf Minu­ten zum Schla­fen bringst“ süß schlum­mern­de Kin­der zei­gen, wir­ken wie eine Verheißung.

Eini­ge Pro­mis machen es uns vor. Jeden­falls in den USA. Jüngst erst ver­kün­de­te Hol­ly­wood-Star Kris­ten Bell, sie ver­ab­rei­che ihren Töch­tern – neun und sie­ben Jah­re alt – die­se Süßig­kei­ten, damit sie und ihr Ehe­mann am Abend Zeit für sich hät­ten. „Es haut sie ein­fach schnel­ler um – und es geht ihnen super“, so Bell. In den USA lie­gen die Bär­chen längst im Trend.

In den letz­ten zehn Jah­ren, so die Sta­tis­ti­ken, sei die jähr­li­che Zahl der Mela­to­nin-Ein­nah­men bei Kin­dern dort um sagen­haf­te 530 Pro­zent ange­stie­gen. Gestie­gen ­sei­en auch die Hil­fe­ru­fe in den Giftnotrufzen­tralen und Befürch­tun­gen um die Gesund­heit der Klei­nen. Selbst von zwei Todes­fäl­len womög­lich durch Mela­to­nin-Über­do­sie­rung ist die Rede.

Dass Kin­der­ärz­te in Deutsch­land eben­falls elek­tri­siert sind, liegt auf der Hand: Viel zu wenig sei bekannt über den Mela­to­nin-Stoff­wech­sel bei Kin­dern. Wirk­lich Ein­fluss zu neh­men, ist aber schwer für die Ärz­te, da die Pro­duk­te mit Mela­to­nin frei ver­käuf­lich sind. Im Inter­net und in Dro­ge­rien fin­den sich zahl­rei­che Nah­rungs­er­gän­zungs­mit­tel mit Mela­to­nin. Es gibt sie in Form von Tablet­ten, Sprays, Tees, Trop­fen. Im Inter­net wer­den expli­zit für Kin­der put­zi­ge „Schlaf-Gum­mi­bär­chen“ oder „Jel­ly Pills“ in lus­ti­gen Fläsch­chen angeboten.

Doch statt sich auf­zu­re­gen, dass die­se Gum­mi­bär­chen & Co. über­all ver­füg­bar sind, soll­ten wir stren­ger mit uns selbst sein. Natür­lich leben wir in einer Zeit, in der immer gleich ein Mit­tel­chen gegen jede Art von Unan­nehm­lich­keit bereit­steht. Wenn es aber unse­re Kin­der betrifft, geht es nur so: Fin­ger weg.

Schläft das Kind dau­er­haft schlecht, gehört es in die Hän­de von Ärz­ten. Erst muss abge­klärt wer­den, ob nicht eine Krank­heit dahin­ter­steckt. Wenn alles gut ist, lässt sich nur sagen: Durch­hal­ten! So schwer es auch sein mag – wir müs­sen immer wie­der das Ein­schlaf­lied anstim­men. Und aber­mals alle Schlaf­ri­tua­le wie­der­ho­len. Und wenn man manch­mal die Ner­ven ver­liert, hilft es, dar­an zu den­ken: Das haben schon Gene­ra­tio­nen vor uns geschafft. Auch ohne Schlaf-Gummibärchen.

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Quel­le: BER­LI­NER MORGENPOST
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