Das Risikomanagement in Rüstungsprojekten: Wer berät den Verteidigungsminister?

Wer berät also den Minister in der aktuellen Kommunikation – insbesondere an den Verteidigungs- bzw. Haushaltsausschuss?

Ange­sichts der anhal­ten­den Bericht­erstat­tung über die Pro­jekt­ver­zö­ge­run­gen bei der Beschaf­fung, aber vor allem bei der Inte­gra­ti­on von Funk­ge­rä­ten (D‑LBO) und dem augen­schein­li­chen Ver­such, die Ver­ant­wor­tung auf die Beschäf­tig­ten des BAAINBw und BMVg abzu­wäl­zen, wol­len wir als VBB dies im über­ge­ord­ne­ten Kon­text des Rüs­tungs­ma­nage­ments einordnen:

Die not­wen­di­ger­wei­se am 27. Febru­ar 2022 poli­tisch aus­ge­ru­fe­ne Zei­ten­wen­de scheint an der stra­te­gi­schen Ent­schei­dungs­ebe­ne des BMVg zu schei­tern. Das Pro­jekt Digi­ta­li­sie­rung Land­ba­sier­ter Ope­ra­tio­nen (D‑LBO) ist nur eines von vie­len Rüs­tungs­pro­jek­ten, wel­ches in Schief­la­ge gera­ten ist. Die Grün­de dafür sind viel­fäl­tig, teil­wei­se wird ent­ge­gen dem Bedarf der Streit­kräf­te, teil­wei­se ent­ge­gen der rüs­tungs­tech­ni­schen Exper­ti­se beschafft – manch­mal auch bei­des zugleich. Anders als die Bericht­erstat­tung ver­mu­ten lässt, gehör­te die Fra­ge­stel­lung der Inte­gra­ti­on von Funk­ge­rä­ten sowohl in bereits vor­han­de­ne und als auch in zukünf­ti­ge platt­form­zen­trier­te Waf­fen­sys­te­me, zur Pro­jekt­be­trach­tung von Anfang an dazu.

Mit Blick auf Pres­se­be­richt­erstat­tung oder Berich­te an den Bun­des­tag (aktu­ell im SPIE­GEL und im Busi­ness Insi­der) stellt sich die drän­gen­de Fra­ge, wer Ver­tei­di­gungs­mi­nis­ter Boris Pis­to­ri­us berätund was in der Bera­tungs­leis­tung die eigent­li­chen Schwer­punk­te sind. Die Aus­stat­tung der Sol­da­tin­nen und Sol­da­ten mit dem not­we­ni­gen Mate­ri­al sind es ganz offen­sicht­lich nicht.

Das noch unter Staats­se­kre­tä­rin Dr. Suder ein­ge­rich­te­te Risi­ko­ma­nage­ment hat­te zum Ziel, Risi­ken von Rüs­tungs­pro­jek­ten zeit­ge­recht, struk­tu­riert und ziel­ge­rich­tet zu iden­ti­fi­zie­ren, um vor allem auch die stra­te­gi­sche Ebe­ne – in Gestalt des Rüs­tungs­staats­se­kre­tärs oder ‑staats­se­kre­tä­rin – früh­zei­tig und unmit­tel­bar zu infor­mie­ren. So konn­te die­se, auch flan­kie­rend, auf stra­te­gi­scher Ebe­ne gegensteuern.

Hier­zu wur­den eng­ma­schig in Form eines Risi­ko-Con­trol­lings die tech­ni­schen, finan­zi­el­len oder poli­ti­schen Risi­ken – zum Teil bereits vor einer Aus­wahl­ent­schei­dung oder einem Ver­trags­schluss – auf­ge­zeigt. Zwei­mal jähr­lich wur­den dann in soge­nann­ten Lei­tungs­boards Rüs­tung bei den größ­ten Pro­jek­ten der poli­ti­schen Spit­ze des BMVg genau die­se Risi­ken klar aufgezeigt.

Wer berät also den Minis­ter in der aktu­el­len Kom­mu­ni­ka­ti­on – ins­be­son­de­re an den Ver­tei­di­gungs- bzw. Haus­halts­aus­schuss? Das Risi­ko-Con­trol­ling res­sor­tiert nicht mehr beim Rüs­tungs­staats­se­kre­tär, son­dern wur­de in die Abtei­lung Aus­rüs­tung ver­la­gert. Und wei­te­re Tei­le der bis­he­ri­gen Rüs­tungs­steue­rung sind in den Pla­nungs- und Füh­rungs­stab eingeflossen.

Der vom Ver­tei­di­gungs­mi­nis­ter zum 31. Mai 2023 ein­ge­rich­te­te Pla­nungs- und Füh­rungs­stab soll u. a. sicher­stel­len, dass “alle Akti­vi­tä­ten der Errei­chung der stra­te­gi­schen Zie­le die­nen”. Gleich­zei­tig soll­te damit “die zügi­ge Umset­zung von Ent­schei­dun­gen des Minis­ters (…) sicher­zu­stel­len” sein.

Die­ser Ansatz geht offen­bar nicht auf! Gera­de bei der Auf­ar­bei­tung von Sach­ver­hal­ten wie dem zu D‑LBO gehört eine ehr­li­che, wenn auch schmerz­haf­te Auf­ar­bei­tung dazu. Wir emp­feh­len in die­sem Zusam­men­hang eben­so drin­gend die ein­ge­hen­de Betrach­tung der Risi­ken beim Leich­ten Kampf­hub­schrau­ber (LKH), beim Schwe­ren Trans­port­hub­schrau­ber (STH), beim A400M und ande­ren Großprojekten.

Das ste­te Abwäl­zen von stra­te­gisch-poli­ti­scher Ver­ant­wor­tung auf die Beschäf­tig­ten im BMVg oder im BAAINBw ent­spricht nicht der vom Ver­tei­di­gungs­mi­nis­ter aus­ge­ru­fe­nen neu­en Fehlerkultur.

Die Zei­ten­wen­de steht und fällt mit einer ehr­li­chen und loya­len Ent­schei­dungs­kul­tur im Inter­es­se der best­mög­li­chen Aus­rüs­tung der Streit­kräf­te. Die zügi­ge Aus­stat­tung der Streit­kräf­te muss wich­ti­ger sein als Wirt­schafts­hil­fen ohne ter­min­ge­rech­te Lieferung.

Der VBB for­dert daher den Ver­tei­di­gungs­mi­nis­ter auf, den Kul­tur­wan­del im BMVg im eige­nen Inter­es­se beherz­ter zu betrei­ben. Für die von ihm für das Jahr 2023 ange­streb­ten orga­ni­sa­to­ri­schen Ände­run­gen im BMVg müss­te er nach unse­rer Auf­fas­sung spä­tes­tens jetzt einen kla­ren Kom­pass haben. Orga­ni­sa­to­ri­sche und per­so­nel­le Fest­le­gun­gen schla­gen eben auch auf die Sach­ent­schei­dun­gen durch. Auf die­sen Zusam­men­hang hat­te der VBB früh­zei­tig hin­ge­wie­sen. Der Pla­nungs- und Füh­rungs­stab hat erkenn­bar die in ihn gesetz­ten Erwar­tun­gen nicht erfüllt. Dass die Dele­gie­rung der Auf­ga­ben von Staats­se­kre­tä­ren auf ande­re Ebe­nen nicht sinn­voll ist, wird aktu­ell ein­drucks­voll bestätigt.

Wir for­dern nach­drück­lich, den für die Bun­des­wehr und ins­be­son­de­re die Streit­kräf­te essen­zi­ell wich­ti­gen Rüs­tungs­be­reich auf allen Ebe­nen mit Kom­pe­tenz und Loya­li­tät zu beset­zen und eben nicht aus­zu­dün­nen – wie vor weni­gen Mona­ten gesche­hen, als die Plan­stel­le des stell­ver­tre­ten­den Abtei­lungs­lei­ters Aus­rüs­tung für den Lei­ter des Pla­nungs- und Füh­rungs­sta­bes geop­fert wurde.

Tau­sen­de von Beschäf­tig­ten im Geschäfts­be­reich BMVg lesen in den Medi­en über Cha­os im BMVg und wer­den dann noch nicht ein­mal vor dem Vor­wurf ver­meint­li­cher Inkom­pe­tenz geschützt. Das Alles ist geeig­net, dem Dienst­herrn Bun­des­wehr im Wett­be­werb um die bes­ten und klügs­ten Köp­fe zum Nach­teil zu gereichen.

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Quel­le: Ver­band der Beam­ten und Beschäf­tig­ten der Bun­des­wehr e.V. (VBB)
Ori­gi­nal-Con­tent von: VBB Ver­band der Beam­ten und Beschäf­tig­ten der Bun­des­wehr e.V., über­mit­telt durch news aktuell

Foto­credit: Ado­be­Stock 441224662 / Brisystem

 

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