Experten von NABU und Allergiefolgenforschung der Charité Universitätsmedizin Berlin erklären bestmöglichen Umgang mit Wespen sowie Behandlungsoptionen, wenn es zum Stich kommt
Bad Homburg v. d. Höhe, 29.09.2023—Gefühlt sind sie jetzt überall, die schwarz-gelben Insekten, die mit uns um Obstkuchen & Co. konkurrieren. Was für die meisten Menschen einfach nur lästig ist, kann für Wespengiftallergiker:innen ein ernstes Risiko bedeuten. Werden sie von einer Wespe gestochen, kommt es zu einer allergischen Reaktion, die sich sogar bis zur Anaphylaxie mit lebensbedrohlichen Symptomen ausweiten kann (siehe primäre Abbildung/Abbildung 1). Wie Wespenstiche möglichst vermieden werden können, weiß Dr. Stephan Härtel*, Diplom-Biologe vom Naturschutzbund (NABU) Landesverband Berlin. Doch nicht immer ist ein Stich zu verhindern. Zur Notfallbehandlung bei Insektengiftallergie kann vom Arzt/von der Ärztin ein Notfallset verordnet werden, das vor allem einen so genannten Adrenalin-Autoinjektor (AAI), aber auch andere Medikamente wie einem Antihistaminikum und einem Kortisonpräparat enthält. „Für Menschen mit einer bekannten Insektengiftallergie, denen der Arzt oder die Ärztin ein Notfallset verordnet hat, ist es eine eiserne Regel, dies auch immer bei sich zu führen, selbst im häuslichen Garten. Abhängig vom Schweregrad wird der Arzt oder die Ärztin einen Adrenalin-Autoinjektor verordnen, mit dem sich bei einer anaphylaktischen Reaktion der oder die Betroffene selbst oder durch eine andere Person das lebensrettende Adrenalin in den Oberschenkelmuskel injizieren kann. Adrenalin ist das wichtigste Notfallmedikament und wirkt innerhalb von wenigen Sekunden“, so Prof. Dr. Torsten Zuberbier**, Allergologe an der Charité Universitätsmedizin Berlin.
Wespenkunde kann helfen, Stiche zu vermeiden
Anders als der teilweise verregnete Juli und der Beginn des Augusts erwarten ließen, ist auch 2023 ein Wespenjahr, wie die Beobachtungen der jährlichen NABU-Insektenzählaktion[i] zeigen. Dazu werden vom NABU Insekten-Beobachtungen im gesamten Bundesgebiet ausgewertet. Für die “Echte Wespe“ (wissenschaftlicher Name: Vespula/Dolichovespula indet), wurden im diesjährigen August 10.764 Exemplare beobachtet im Vergleich zu 10.667 Tieren im Vorjahresmonat. Somit ist die Wespe auch in diesem Spätsommer ein vergleichsweise häufiger Begleiter, mit dem es sich zu arrangieren gilt. Im Allgemeinen hat die Wespe ein schlechtes Image. „Dabei ist sie eigentlich ‚die bessere Biene‘, denn sie nimmt mehr nützliche Aufgaben wahr. Wie Bienen bestäuben auch Wespen Pflanzen. Darüber hinaus vertilgen sie aber auch Schädlinge und Mücken, die für den Menschen gefährliche Krankheitserreger übertragen könnten“, erläutert Härtel. Wer einige Dinge im Umgang mit den Tieren beachtet, der kann das Risiko eines Stichs deutlich verringern, was insbesondere für Allergiker wichtig ist. „Die meisten Wespenstiche ereignen sich am Essenstisch“, so Härtel. „Das wichtigste Ziel ist es daher, die Wespen gar nicht erst am Tisch landen zu lassen. Hat eine Wespe erst einmal das Nahrungsmittel entdeckt, wird diese Information sofort an die Artgenossen weitergegeben und es kommt zur Besiedelung.“ Sinnvoll sei es, laut Härtel, das Tier ruhig aber bestimmt mit der Hand oder einer Zeitung wegzuschieben. Mit Wasser aus einem Wasserzerstäuber anzusprühen sei ebenfalls eine gute Lösung. Auf keinen Fall hingegen sollte man die Tiere durch Anpusten oder Wegpusten vertreiben wollen. Das dabei ausgeatmete CO2 macht Wespen aggressiv. „Das ist nicht verwunderlich“, erläutert Härtel, „bringen die Tiere das Ausatemgas doch mit Nesträubern wie dem Wespenbussard in Verbindung“. Auch einen eigenen “Wespentisch“ zu decken, ist sinnlos. Denn die Informationen, die Wespen an andere Wespen weitergeben, sind nicht so zielgenau wie bei Bienen. So werden immer auch andere Wespen an den eigentlich für Menschen gedeckten Tisch angelockt.
Sofort handeln, wenn es zum Wespenstich kommt
Nicht immer lässt sich trotz aller Vorsicht ein Stich vermeiden. Im Normalfall führt dies zu einer lokalen Reaktion, bei der sich die Einstichstelle rötet, anschwillt und schmerzt, was aber ohne ernsthafte Folgen bleibt. Die Behandlung der lokalen (örtlichen) Reaktion sollte mit einem stark wirksamen topischen Glukokortikoid (Kortison) als Crème oder Gel erfolgen, gegebenenfalls begleitet durch Kühlung mittels eines feuchten Umschlags. Dieser sollte ca. 20 min belassen werden und kann in Abstand mehrerer Stunden wiederholt eingesetzt werden.[ii] Zudem sollte ein Antihistaminikum (H1-blockierendes Antihistaminikum) in Tablettenform eingenommen werden.[ii]
Die Auswirkungen bei Insektengiftallergiker:innen sind jedoch andere. Die häufigsten allergischen Reaktionen sind zunächst Hauterscheinungen und Kribbelgefühle an Händen und Füßen. Außerdem können aber auch der Magen-Darm-Trakt, die Atemwege sowie das Herz-Kreislauf-System betroffen sein. Im schlimmsten Fall weitet sich die Reaktion aus und es kommt zum anaphylaktischen Schock. Diese Überreaktion des Immunsystems ist zwar selten, kann sich jedoch innerhalb weniger Minuten entwickeln und rasch lebensbedrohlich werden. Insbesondere wenn sich Symptome an zwei Organsystemen zeigen, ist das Risiko hoch, dass eine Anaphylaxie vorliegt – z. B. Hautauschlag und gleichzeitig Atembeschwerden.[iii] Dann ist schnelles Handeln notwendig, denn der weitere Verlauf der Reaktion ist nicht vorhersehbar. Bei Anzeichen einer beginnenden Reaktion wie. z. B. Quaddeln, Hautrötung, Juckreiz, Schwellung der Lippen/des Gesichts oder bei Magen-Darmbeschwerden bzw. Kribbeln in Mund und Rachen sollte ein Notruf abgesetzt werden und – sofern vorhanden – in der Zwischenzeit die Medikamente Antihistaminikum und Kortison aus dem Notfallset des/der Patient:in eingesetzt werden.[iv] Das Notfallset enthält zudem einen AAI und in bestimmten Fällen einem Asthmaspray und muss vom Arzt/von der Ärztin verordnet werden. Wichtig ist es, die betroffene Person auf weitere Anzeichen einer Anaphylaxie zu beobachten und den AAI bereit zu halten.[iv] Im Falle einer schweren Reaktion, wenn nach dem Stich z. B. plötzliche Heiserkeit, Husten, pfeifendes Atmen oder Atemnot auftreten oder wenn Symptome an zwei Organen gleichzeitig oder aufeinander folgend auftreten (z. B. Haut und Magen-Darm/Atemwegs-/Kreislaufbeschwerden), sollte sofort der AAI eingesetzt und der oder die Betroffene sicher gelagert werden: bei Atemnot sitzend, bei Kreislaufbeschwerden liegend, bei Bewusstlosigkeit in stabiler Seitenlage. Dann gilt es den Notarzt zu verständigen. Zusätzlich können Antihistaminikum und Kortison verabreicht werden.[iv]
„In der Anaphylaxie-Situation ist Adrenalin die wichtigste Gegenmaßnahme“, so Zuberbier. „Das Adrenalin stabilisiert den Kreislauf und wirkt allgemein der Schockreaktion entgegen“. Am einfachsten lässt sich Adrenalin mit Hilfe eines AAI verabreichen. Dieser Pen ist eine Spritzhilfe, mit der eine voreingestellte Dosis Adrenalin verabreicht wird. Der/die Betroffene kann sich selbst oder durch eine andere Person das Adrenalin durch die Kleidung in den Oberschenkelmuskel injizieren.
Adrenalin-Autoinjektor stets parat haben
Das Notfallset mitsamt dem AAI muss der Patient/die Patientin ständig bei sich tragen, um es im Notfall griffbereit zu haben (siehe Abbildung 2). Besonders wichtig, um in der Gefahrensituation rasch, korrekt und sicher handeln zu können, ist der vertraute Umgang mit dem Adrenalin-Injektor. Dazu sollten die Betroffenen auf ihr jeweiliges verordnetes Gerätemodell geschult werden, da verschiedene AAI-Modelle angeboten werden. Diese sind in ihrer Anwendung zwar ähnlich, aber eben nicht gleich. Vor diesem Hintergrund ist es für Patient:innen wichtig, stets darauf zu achten, dass ihnen in der Apotheke genau das Modell ausgehändigt wird, das der Arzt/die Ärztin verordnet hat und auf das sie geschult wurden. „Darüber hinaus“, ergänzt Zuberbier, „empfehlen die medizinischen Leitlinien inzwischen, zur Sicherheit zwei AAI zur Hand zu haben.[v] Besondere Vorsicht ist bei Kindern geboten. Hier sollte ein Injektor für alle Fälle in der Schule oder in der Kindertagesstätte deponiert werden und auch die Betreuungspersonen mit der Handhabung vertraut gemacht werden.“
Hintergrundinformation: Mögliche Auslöser einer anaphylaktischen Reaktion
Als Anaphylaxie oder anaphylaktische Reaktion wird die schwerste Form einer allergischen Reaktion bezeichnet. Es handelt sich um eine Überreaktion des Immunsystems. Grundsätzlich kann jeder Eiweiß-haltige Stoff eine solche Reaktion auslösen. Die häufigsten Auslöser sind allerdings Nahrungsmittel, Insektengifte (vor allem von Bienen und Wespen) sowie Medikamente. Unter den Nahrungsmitteln sind Erdnüsse, Baumnüsse, Milch, Eier, Fisch, Krebstiere (z.B. Krebse und Garnelen/Shrimps), Weichtiere (z.B. Muscheln und Tintenfisch), Weizen- und Sojaprodukte als häufige Auslöser bekannt. Bei Arzneimitteln können Antibiotika (z. B. Penicillin), Schmerz- und Rheumamittel, Narkosemittel, Blutverdünner wie Heparin und andere eine anaphylaktische Reaktion auslösen. Zusätzlich zu den Auslösern spielen auch Verstärkungsfaktoren (so genannte Augmentationsfaktoren) eine Rolle bei der Entstehung einer anaphylaktischen Reaktion. Das können beispielsweise körperliche Anstrengung, Infekte, Stress, Alkoholkonsum, bestimmte Medikamente und Vorerkrankungen wie z. B. Asthma sein.[v]
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Quelle: Pressestelle Viatris-Gruppe Deutschland
Original-Content von: Pressestelle Viatris-Gruppe Deutschland, übermittelt durch news aktuell
Bild: Wespen stören bei der Grillparty und wer hierbei wild um sich schlägt, wird schnell gestochen: Dies führt zu lokaler Reaktion an der Einstichstelle bei den einen, bei den anderen zu allergischer Reaktion, die innerhalb weniger Minuten lebensbedrohlich werden kann. Eine solche Situation erfordert schnelles Handeln.
Fotocredit: Viatris-Gruppe Deutschland / ©AOK Mediendienst
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[i] NABU – Naturschutzbund Deutschland e. V. https://www.nabu.de/tiere-und-pflanzen/aktionen-und-projekte/insektensommer/ergebnisse/24664.html(Zugriff September 2023).
[ii] Przybilla B et al. Diagnose und Therapie der Bienen- und Wespengiftallergie. Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Allergologie und klinische Immunologie (DGAKI), des Ärzteverbandes Deutscher Allergologen (ÄDA), der Gesellschaft für Pädiatrische Allergologie und Umweltmedizin (GPA), der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft (DDG) und der Deutschen Gesellschaft für Kinderund Jugendmedizin (DGKJ) in Zusammenarbeit mit der Österreichischen Gesellschaft für Allergologie und Immunologie (ÖGAI) und der Schweizerischen Gesellschaft für Allergologie und Immunologie (SGAI). Allergo Journal 2011; 20: 318–339.
[iii] Deutscher Allergie- und Asthmabund (DAAB). Allergie Anaphylaxie erkennen und handeln. https://youtu.be/3dmdhBx8hxo (Zugriff September 2023).
[iv] Anaphylaxie-Notfallplan des Deutschen Allergie- und Asthmabunds (DAAB). Anaphylaxie-Notfallplan. https://www.daab.de/fileadmin/images/Anaphylaxie/Im_Alltag/Anaphylaxie-Notfallplan-2018.pdf (Zugriff September 2023).
[v] Leitlinie zu Akuttherapie und Management der Anaphylaxie – Update 2021. S2k-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Allergologie und klinische Immunologie (DGAKI), des Ärzteverbands Deutscher Allergologen (AeDA), der Gesellschaft für Pädiatrische Allergologie und Umweltmedizin (GPA), der Deutschen Akademie für Allergologie und Umweltmedizin (DAAU), des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ), der Gesellschaft für Neonatologie und Pädiatrische Intensivmedizin (GNPI), der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft (DDG), der Österreichischen Gesellschaft für Allergologie und Immunologie (ÖGAI), der Schweizerischen Gesellschaft für Allergologie und Immunologie (SGAI), der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI), der Deutschen Gesellschaft für Pharmakologie (DGP), der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP), der Patientenorganisation Deutscher Allergie- und Asthmabund (DAAB) und der Arbeitsgemeinschaft Anaphylaxie – Training und Edukation (AGATE) Allergo Journal International 2021; 30: 1–25.