Berliner Morgenpost: Demokratie am Scheideweg zur Anklage gegen Trump

Berliner Morgenpost: Demokratie am Scheideweg – Leitartikel von Michael Backfisch zu Anklage gegen Trump

Die Ket­te der Skan­da­le und Betrugs­vor­wür­fe gegen Donald Trump nimmt kein Ende. Zwei Ankla­gen hat der ehe­ma­li­ge US-Prä­si­dent bereits am Hals. Er muss sich wegen der Ver­tu­schung von Schwei­ge­geld­zah­lun­gen an eine Por­no­dar­stel­le­rin und ille­gal gehor­te­ter Staats­ge­heim­nis­se in der Pri­vat­re­si­denz verantworten.Doch die jetzt vor­ge­leg­te drit­te Ankla­ge ist poli­ti­sches Dyna­mit. Es geht um die Anschul­di­gung, dass Trump am 6. Janu­ar 2021 einen Putsch­ver­such unter­nom­men habe, der die Grund­mau­ern der ame­ri­ka­ni­schen Demo­kra­tie erschüt­tern soll­te. Der Sieg des Demo­kra­ten Joe Biden bei der Prä­si­dent­schafts­wahl 2020 war zuvor von allen maß­geb­li­chen Insti­tu­tio­nen zer­ti­fi­ziert und auch von repu­bli­ka­ni­schen Spit­zen­po­li­ti­kern aner­kannt wor­den. Doch Trump woll­te mit sei­nem Auf­ruf zum Sturm auf das Kapi­tol den Volks­wil­len mit Gewalt kippen.

Trumps Bull­do­zer-Ver­hal­ten ist eine Kriegs­er­klä­rung gegen die Prin­zi­pi­en der Gewal­ten­tei­lung und des Rechts­staats. Demo­kra­tie wird im Wes­ten als Herr­schaft auf Zeit ver­stan­den. Poli­ti­sche Macht ist vom Wäh­ler geborgt, der als Sou­ve­rän über allem steht. Der Regie­rungs­wech­sel gehört dazu. Er ist der Herz­schlag der Demo­kra­tie. All dies prallt am frü­he­ren Prä­si­den­ten ab. Er ver­brei­tet heu­te sei­ne Lügen­ver­si­on von der „gestoh­le­nen Wahl“ noch aggres­si­ver. Er gif­tet noch mas­si­ver gegen „das Sys­tem“ und damit gegen die demo­kra­ti­sche Ord­nung. Er ver­teu­felt sei­ne poli­ti­schen Geg­ner noch mehr mit Hass und Het­ze. Trump stellt sich über das Gesetz.

Die Ankla­gen gegen ihn erin­ner­ten an „Nazi­deutsch­land in den 30er-Jah­ren, an die ehe­ma­li­ge Sowjet­uni­on und an ande­re auto­ri­tä­re, dik­ta­to­ri­sche Régime“, pol­tert Trump. Dahin­ter steckt eine Umde­fi­ni­ti­on von Demo­kra­tie in Dik­ta­tur und von Dik­ta­tur in Demo­kra­tie. Es ist eine Art von Geschichts­klit­te­rung, die man bis­lang nur vom rus­si­schen Prä­si­den­ten Wla­di­mir Putin kennt. Trump insze­niert sich als Opfer einer monu­men­ta­len Ver­schwö­rung von „denen da oben“. Er stellt sich als Rächer der Ent­rech­te­ten und Abge­häng­ten dar.

Beun­ru­hi­gend dabei: Je mehr Trump von der Jus­tiz mit Vor­wür­fen bom­bar­diert wird, des­to belieb­ter ist er bei sei­ner Parteibasis. 

Nach aktu­el­len Umfra­gen liegt er der­zeit bei den repu­bli­ka­ni­schen Wäh­lern mit 54 Pro­zent mei­len­weit vor sei­nem nächst­plat­zier­ten Kon­kur­ren­ten Ron DeS­an­tis mit 17 Pro­zent. Nach allem, was pas­siert ist, ist ein Groß­teil der Repu­bli­ka­ner Trump hörig. Er folgt ihm wie einem Sek­ten-Guru. Wenig tröst­lich, dass Trump im direk­ten Umfra­ge-Duell gleich­auf mit Biden liegt. Ein Indiz dafür, dass die Selbst­hei­lungs­kräf­te der ame­ri­ka­ni­schen Demo­kra­tie zumin­dest teil­wei­se beschä­digt sind.

Die juris­ti­sche Aus­ein­an­der­set­zung um Trumps Putsch­ver­su­che und All­machts­fan­ta­sien hat ein­schnei­den­de Kon­se­quen­zen: Sie wird zu einer Ent­schei­dungs­schlacht für die US-Demo­kra­tie. Kommt Trump mit sei­nem Bra­chi­al­kurs durch und lan­det am Ende im Wei­ßen Haus, wäre Ame­ri­ka de fac­to eine Auto­kra­tie. Von der poli­ti­schen Legi­ti­ma­ti­ons­ba­sis stün­de das Land auf einer Ebe­ne mit Putins Russ­land oder Xi Jin­pings China.

Man mag sich nicht aus­ma­len, was dies für die Zukunft der Nato, den Ukrai­ne-Krieg, die ame­ri­ka­nisch-euro­päi­schen Wirt­schafts­be­zie­hun­gen oder den Schul­ter­schluss des Wes­tens bedeu­ten wür­de. Trotz­dem soll­ten die Polit-Pro­fis im Kanz­ler­amt und im Ély­sée schon mal Sze­na­ri­en ent­wer­fen. Es gilt das Mot­to: „Hope for the best, prepa­re for the worst.“

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Quel­le: BER­LI­NER MOR­GEN­POST, Redaktion
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