Starkregen standhalten: Wolkenbruchplan für Städte
Stürme, Starkregen, Hochwasser: Deutschland muss sich aufgrund des Klimawandels auf immer stärkere Wetterextreme einstellen. „Das macht geeignete Klimaanpassungsstrategien für Städte immer wichtiger. Kernstück ist die sogenannte blau-grüne Infrastruktur. Sie verknüpft Grünflächen, Wassermanagement und den strategischen Einsatz moderner Technik“, sagt Jochen Kurrle, Starkregenmanager bei Drees & Sommer. Er berät Städte und Kommunen, wie sie sich und ihre Bewohnerschaft vor den Folgen extremer Regenfälle schützen können.
Unterschätzte Gefahren
Wenn sich enorme Wassermassen in kürzester Zeit entladen, sprechen Klima-Experten von Starkregen. Ein Wetterphänomen, das vergleichsweise neu ist: den Begriff verwenden Meteorologen erst seit 2010. Das Problem liegt dabei nicht an der Regenmenge an sich, sondern daran, dass sie in kurzer Zeit anfällt. Der Deutsche Wetterdienst warnt vor Starkregen, wenn in einer Stunde an einem Ort mehr als 20 bis 25 Millimeter oder binnen sechs Stunden 20 bis 35 Millimeter zu erwarten sind. Liegen die Regenmengen darüber, erfolgt eine Unwetterwarnung. Solche Wolkenbrüche verfügen über ein enormes Verwüstungspotential. Auch abseits von Flüssen, Bächen und Seen bergen sie schwer kalkulierbare Überschwemmungsrisiken für Städte und Kommunen – im schlimmsten Fall können die Regenmengen nicht nur Häuser zum Einsturz bringen, sondern auch Menschenleben kosten.
Dämme können kontraproduktiv sein
In ihrem Auftreten lassen sich Starkregen nicht beeinflussen. Doch Kommunen können sich gegen die verheerenden Auswirkungen wappnen. Das von Drees & Sommer konzipierte Starkregenmanagement sieht vor, mit einer integrierten Infrastrukturplanung nicht nur vor Überflutung zu schützen, sondern gleichzeitig den Lebensraum Stadt vielfältig aufzuwerten.
Am Anfang steht dabei eine Analyse der Gefahren und Risiken bei großen Wassermengen im urbanen Raum. Als Basis können sogenannte Starkregenkarten dienen. Dabei handelt es sich um computergestützte Modelle, die sich auf topografische Gegebenheiten sowie die Leistungsfähigkeit des Kanalnetzes stützen und somit Hochwasserrisiken berechnen können. Zudem müssen die örtlichen Gegebenheiten untersucht werden: Wie ist der Zustand der Gewässer? Welche mobilen oder festen Hochwasserschutzmaßnahmen gibt es bereits? Stehen ausreichend Retentionsbecken und ‑flächen zur Verfügung, welche die Wassermassen auffangen können? Sind Rettungswege im Starkregenfall nutzbar, ist die Erreichbarkeit von Feuerwehr und Krankenhäusern gewährleistet? Zentral sind auch die Dichte der Bebauung und die daraus resultierende Anzahl versiegelter Flächen.
Bestehende Hochwasserschutzmaßnahmen können dabei auch kontraproduktiv sein. Dämme beispielsweise halten zwar das Wasser fern, gleichzeitig drängen sie Wassermassen so stark zusammen, dass sich die Fließgeschwindigkeit erhöht und eine Flutwelle umso verheerender ausfallen kann. Anstatt Wasser abzudrängen, ist es ratsamer, Städte an die Gegebenheiten anzupassen.
An der Infrastruktur ansetzen: Beispiel Kopenhagen
Kernstück der Anpassung an die Naturgewalt Regenwasser ist die sogenannte blau-grüne Infrastruktur. Sie verknüpft Grünflächen, Wassermanagement und den strategischen Einsatz moderner Technik. Betroffen sind zentrale Leistungen der öffentlichen Hand: Mobilität, öffentlicher Raum, Sicherheit und Biodiversität. Ein Beispiel blau-grüner Infrastruktur stellen Parks dar, die als Freizeitfläche dienen und sich bei Wolkenbrüchen in einen See oder Kanal verwandeln und so auf natürlichem Weg große Wassermengen aufnehmen. Durch eine einzige Maßnahme lassen sich somit Hochwasserschutz, Hitzeschutz, Luftreinhaltung sowie Biodiversität erzielen. Gleichzeitig entstehen attraktive Aufenthaltsräume für die Stadtbewohner.
Als Vorreiter einer ganzheitlichen Klimaanpassung gilt die Stadt Kopenhagen, der Drees & Sommer beratend zur Seite stand. Nachdem die Metropole 2011 von Überflutungen in Folge eines Starkregens heimgesucht wurde, reagierte die dänische Hauptstadt 2012 mit einem Cloudburst-Management-Plan, einem Wolkenbruch-Plan. Rund 1,5 Milliarden Euro fließen in den kommenden Jahren in 300 Einzelprojekte. Das Besondere: Überflutungsschutz und Infrastrukturmaßnahmen werden so kombiniert, dass nicht nur die drohenden Überflutungen begrenzt, sondern gleichzeitig positive Effekte auf das Mikroklima, den Wasserverbrauch und die Energiebilanz von Quartieren erzielt werden. Um die Kosten möglichst gering zu halten, verbindet die Stadt einen Teil der Maßnahmen mit ohnehin anstehenden Um- und Ausbauvorhaben im öffentlichen Raum. Die Einwohnerinnen und Einwohner profitieren in doppelter Hinsicht, denn der Starkregen-Schutz geht einher mit einer Aufwertung des Stadtbilds und einer höheren Lebensqualität.
Ein weiteres Projekt, das Drees & Sommer maßgeblich begleitet hat, ist der PHOENIX See in Dortmund. Der künstliche See auf einem ehemaligen Stahlwerksareal ist bei gutem Wetter ein beliebtes Ausflugsziel. Bei Regen wirkt er als Auffangfläche für den Niederschlag der umgebenden Bebauung wie auch als Retentionsraum für die nahe gelegene Emscher. Das Areal rund um den See wurde zudem starkregensicher gebaut; so sind etwa die Straßenränder mit vertieften Grünflächen versehen, damit der Niederschlag an Ort und Stelle versickern kann.
Städte als Schwämme
Solche Retentionsflächen, wie man sie bislang vor allem in hochwassergefährdeten Gebieten kennt, werden in Zukunft für alle Städte wichtiger und können vielfältige Formen annehmen. Große Plätze oder auch Skaterparks lassen sich in Muldenform anlegen, so dass sich dort Wasser sammeln und dieses später dosiert an das Kanalnetz abgeführt werden kann. Wie ein Schwamm können auch begrünte Flachdächer in innerstädtischen Gebieten wirken, allerdings muss die Statik der Gebäude auf diese Zusatzbelastung ausgelegt sein. Weitere Bausteine eines Wolkenbruch-Plans können beispielsweise die Lenkung des Wasserflusses durch Wälle oder Einfassungen oder die Vermeidung versiegelnder, wasserundurchlässiger Materialien sein. An die Stelle von Teer oder Pflastersteinen können beispielsweise wasserdurchlässige Rasengittersteine treten.
Starkregenversuchsanlage in Gelsenkirchen
Um das Know-how im Starkregenmanagement zu erweitern, begleitet Drees & Sommer in Gelsenkirchen das Institut für Unterirdische Infrastruktur beim Bau einer Starkregenversuchsanlage: In einer Halle werden auf einer 200 Quadratmeter großen Plattform unterschiedliche Oberflächenmaterialien eingebaut, um zu untersuchen, wie diese sich auf das Fließverhalten von Wasser auswirken und die Folgen von Starkregen vermindern können.
Angesichts des Klimawandels sind Städte und Gemeinde gefordert, aktiven Klimaschutz durch eine ganzheitlich Klimaanpassungsstrategie zu ergänzen. Mit einem Wolkenbruch-Plan und einer integrierten Infrastrukturplanung können sie sich erfolgreich für künftige Wetterextreme rüsten und gleichzeitig die Lebensqualität ihrer Bewohnerschaft entscheidend verbessern.
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Quelle:Drees & Sommer SE
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