Berliner Morgenpost / Putins totaler Krieg / Der Hass treibt den Kremlchef an

Berliner Morgenpost / Putins totaler Krieg / Der Hass treibt den Kremlchef an. Bachmut ist dafür das Symbol / Leitartikel von Politik-Korrespondent Michael Backfisch

Dass die Trup­pen des rus­si­schen Prä­si­den­ten Wla­di­mir Putin eine rie­si­ge Spur der Zer­stö­rung hin­ter­las­sen, war schon öfter zu besich­ti­gen. Die Stadt Gros­ny wur­de im Zwei­ten Tsche­tsche­ni­en­krieg Anfang der 2000er-Jah­re in Schutt und Asche gelegt. Putin setz­te damit ein macht­vol­les und bru­ta­les Aus­ru­fe­zei­chen zu Beginn sei­ner Präsidentschaft.

Der Ukrai­ne-Krieg scheint alles in den Schat­ten zu stel­len. Die Ein­kes­se­lung und Kaputt­bom­bung der Stadt Mariu­pol im Mai 2022 war ein wei­te­res Zeug­nis von Putins Ver­nich­tungs­feld­zug. Rake­ten­an­grif­fe auf Schu­len, Thea­ter, Geburts­kli­ni­ken: Der Kreml­chef will Leben aus­lö­schen – kos­te es, was es wolle.

Vor­läu­fi­ger Höhe­punkt ist die Zer­trüm­me­rung der ost­ukrai­ni­schen Stadt Bach­mut.Mona­te­lang wur­de der Ort mit Rake­ten, Marsch­flug­kör­pern und Droh­nen atta­ckiert. Das Gelän­de sieht heu­te aus wie eine Mond­land­schaft. Der ukrai­ni­sche Prä­si­dent Wolo­dym­yr Selen­skyj zog beim G7-Gip­fel in Hiro­shi­ma eine Bilanz, die völ­li­ge Fas­sungs­lo­sig­keit, Ernüch­te­rung und Des­il­lu­sio­nie­rung wider­spie­gelt. „Sie müs­sen ver­ste­hen, dass da nichts ist“, sag­te er. „Für heu­te ist Bach­mut nur in unse­ren Her­zen.“ Putin prak­ti­ziert in der Ukrai­ne den tota­len Krieg. Im April 2022 ver­üb­ten die rus­si­schen Trup­pen Mas­sa­ker an der Zivil­be­völ­ke­rung des Kie­wer Vor­orts But­scha. Die ver­stö­ren­den Bil­der mit Lei­chen am Stra­ßen­rand, die Fol­ter­spu­ren auf­wie­sen, gin­gen rund um die Welt. Das mili­tä­ri­sche Äqui­va­lent zu But­scha ist heu­te Bach­mut. Es ist ein Krieg mit geno­zi­da­len Moti­ven. Putin will die Ukrai­ne als unab­hän­gi­gen Staat aus­lö­schen, der sei­ne gesell­schaft­li­che und poli­ti­sche Lebens­form frei wäh­len will. Der rus­si­sche Prä­si­dent befin­det sich nicht nur auf einer wahn­wit­zi­gen his­to­ri­schen Mis­si­on. Er nimmt für sich den Auf­trag in Anspruch, rus­si­sche Erde zurück­zu­ho­len, die sei­nem Land angeb­lich zustehe.

Putin ver­gleicht den Ukrai­ne-Krieg mit dem Nor­di­schen Krieg von Zar Peter dem Gro­ßen gegen Schwe­den. Nach dem Zusam­men­bruch der Sowjet­uni­on – laut dem Kreml­chef „die größ­te geo­po­li­ti­sche Kata­stro­phe des 20. Jahr­hun­derts“ – träumt er von einer Renais­sance der Welt­macht Russland.

Bereits im Juli 2021 schwa­dro­nier­te Putin in einem 19-sei­ti­gen Essay, dass Rus­sen, Bela­rus­sen und Ukrai­ner „ein Volk“ sei­en. Es ist für ihn die ideo­lo­gi­sche Grund­la­ge dafür, dass Geset­ze, Abkom­men und Ver­trä­ge bei­sei­te­ge­wischt wer­den kön­nen. Als ob es die inter­na­tio­na­le Aner­ken­nung der unab­hän­gi­gen Ukrai­ne 1991 nie gege­ben hät­te. Als ob das Buda­pes­ter Memo­ran­dum von 1994 null und nich­tig wäre, in dem unter ande­rem Russ­land die Sicher­heit der Ukrai­ne gegen die Zer­stö­rung der eige­nen Atom­waf­fen aner­kannt hat­te. Der Kreml­chef wird ange­trie­ben vom Hass auf den Wes­ten, den er als Draht­zie­her hin­ter dem Ver­tei­di­gungs­kampf der Ukrai­ne sieht. Es ist die Rache eines Man­nes, der sei­ne Geheim­dienst-Kar­rie­re im Dienst der UdSSR begann und jetzt vor den Trüm­mern sei­ner neo-impe­ria­len Träu­me steht.

Es ist eine Iro­nie der Geschich­te, dass Putin selbst mit einer völ­li­gen Ein­nah­me von Bach­mut nichts gewon­nen hät­te. Die Stadt hat kei­nen stra­te­gi­schen Wert. Den­noch wird der Prä­si­dent die Nach­richt von der Erobe­rung pro­pa­gan­dis­tisch als „Sieg“ aus­schlach­ten in einem Krieg, der für Russ­land schlecht läuft. Dass die Rus­sen auf dem Schlacht­feld fest­ste­cken, ist auch ein Ver­dienst des Wes­tens, der die Ukrai­ne mit den not­wen­di­gen Waf­fen aus­stat­tet. Putin darf mit sei­nem Ver­nich­tungs­krieg nicht durchkommen.

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Quel­le: BER­LI­NER MOR­GEN­POST, Redaktion
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