Gedenken an Bombenangriff: Vor 80 Jahren brach die Mauer der Möhnetalsperre – Angriff britischer Bomber in der Nacht vom 16. auf den 17. Mai 1943 (+ Bilder)

Weitere Bilder im Bericht: „Operation Züchtigung“ im Mai 1943 sollte Rüstungsindustrie im Ruhrgebiet und Moral der Bevölkerung schwächen

In die­sem Mai jährt sich der Angriff bri­ti­scher Bom­ber auf fünf Tal­sper­ren im Sau­er­land und in Nord­hes­sen zum 80. Mal. Für den Angriff auf die Möhne‑, Lister‑, Sor­pe- und Enne­pe­tal­sper­re des Ruhr­ver­bands sowie auf die Eder­tal­sper­re im Wal­de­cker Land hat­ten die Pilo­ten der Roy­al Air Force mona­te­lang trai­niert. In der Nacht vom 16. auf den 17. Mai 1943 war es schließ­lich so weit:

Die 617. Bomb Squa­dron unter dem Befehl von Wing Com­man­der Guy Pen­ro­se Gib­son griff die Absperr­bau­wer­ke mit eigens für die­sen Zweck kon­stru­ier­ten Rota­ti­ons­bom­ben an, die nach dem Prin­zip eines hüpfenden Kie­sel­steins in Rich­tung der Stau­mau­er bzw. des Stau­damms sprin­gen, dort ver­sin­ken und in der Tie­fe explo­die­ren sollten.

Die ver­hee­rends­ten Fol­gen des Angriffs gab es an der Möhnetalsperre: Hier erreich­te eine der abge­wor­fe­nen Bom­ben ihr Ziel und ver­ur­sach­te einen Riss in der Mau­er, der sich durch den Druck der ausströmenden Was­ser­mas­sen rasch zu einer fast 80 Meter brei­ten Lücke erwei­ter­te. Mit einer Höhe von bis zu sie­ben Metern ras­te die Flut­wel­le durch das enge Möhnetal und riss alles mit sich, was ihr im Weg stand. In weni­ger als neun Stun­den strömten über 100 Mil­lio­nen Kubik­me­ter Was­ser aus der Tal­sper­re und ergos­sen sich bis weit ins Ruhr­tal hin­ein. Häuser wur­den fortgespült, Brücken und Stra­ßen zerstört. Das Kraft­werk am Hengs­tey­see, mehr als 60 Kilo­me­ter flussabwärts gele­gen, wur­de eben­so überflutet wie die Was­ser­wer­ke an der mitt­le­ren Ruhr. Auf den umlie­gen­den Äckern hin­ter­ließ das Was­ser unvor­stell­ba­re Men­gen von Schlamm und Geröll. Schätzungsweise 1.600 Men­schen kamen bei der Möhnekatastrophe ums Leben, die meis­ten davon ausländische Kriegs­ge­fan­ge­ne sowie Zwangs­ar­bei­te­rin­nen und Zwangs­ar­bei­ter, die in einem Lager fünf Kilo­me­ter unter­halb der Sperr­mau­er unter­ge­bracht waren.

Die Men­schen in der Regi­on spürten die Fol­gen der Zerstörung noch mona­te­lang: Die Ver­sor­gung mit Trink­was­ser war durch die Beschädigung der Stau­an­la­gen und Was­ser­wer­ke stark eingeschränkt. Da vie­le Kläranlagen eben­falls zerstört oder beschädigt waren, gelang­ten hoch belas­te­te Indus­trie- abwässer unge­rei­nigt in die Flüsse. In den Rüstungsstandorten Dort­mund, Bochum und Hagen lag die Pro­duk­ti­on durch den Aus­fall von Was­ser- und Elektrizitätswerken meh­re­re Tage lang still.

Nach­dem sich Albert Speer, Reichs­mi­nis­ter für Bewaff­nung und Muni­ti­on, bereits weni­ge Stun­den nach dem Angriff persönlich einen Überblick über das Aus­maß der Zerstörung ver­schafft hat­te, begann die „Orga­ni­sa­ti­on Todt“, der Bau­trupp des NS-Regimes, rasch mit dem Wie­der­auf­bau und setz­te dabei nahe­zu 4.000 Arbeitskräfte, überwiegend ausländische Zwangs­ar­bei­te­rin­nen und Zwangs­ar­bei­ter, ein. Bereits im Sep­tem­ber 1943 konn­te die Möhnetalsperre wie­der ein­ge­staut werden.

Auch die nord­hes­si­sche Eder­tal­sper­re wur­de bei dem nächtlichen Angriff zerstört; in der Flut­wel­le, die sich ihren Weg bis nach Kas­sel bahn­te, fan­den Dut­zen­de Men­schen den Tod. Die Absperr­bau­wer­ke der übrigen ange­grif­fe­nen Tal­sper­ren wur­den zwar teil­wei­se beschädigt, bra­chen aber nicht. Zur Abwehr erneu­ter Bom­bar­de­ments erhiel­ten die Tal­sper­ren in der Fol­ge Flak­stel­lun­gen; aller­dings sind bis auf einen wei­te­ren Angriff auf die Sor­pe­tal­sper­re im Okto­ber 1944, dem der Stau­damm wie schon im Mai des Vor­jah­res stand­hielt, bis Kriegs­en­de kei­ne geziel­ten Angrif­fe auf Tal­sper­ren mehr bekannt.

Mit dem Wie­der­auf­bau der eben­falls beschädigten Grundablässe der Möhnetalsperre begann der Ruhr­ver­band erst 1950.

Anschlie­ßend wur­de als Ersatz für das bei dem Angriff zerstörte Haupt­kraft­werk ein neu­es Werk am Aus­lauf des früheren Umlei­tungs­stol­lens für Möhne und Heve errich­tet. Das alte Neben­kraft­werk wur­de abge­tra­gen und – zusam­men mit einem deut­lich vergrößerten Aus­gleichs­wei­her – eben­falls durch ein neu­es Kraft­werk 400 Meter west­lich der alten Posi­ti­on ersetzt.

Die „Ope­ra­ti­on Chas­ti­se“ („Züchtigung“), wie ihr Code­na­me lau­te­te, hat sich tief in das kol­lek­ti­ve Gedächtnis der Men­schen in der Regi­on ein­ge­gra­ben – vor allem natürlich in der am schwers­ten betrof­fe­nen Regi­on rund um die Möhnetalsperre.

Am Stand­ort des durch die Flut­wel­le völlig zerstörten Klos­ters Him­mel­pfor­ten erin­nert heu­te ein Mahn­mal an die vie­len hun­dert Men­schen, die im dor­ti­gen Lager für ausländische Zwangsarbeitskräfte von der Flut überrascht wur­den und ertran­ken. Auch im Orts­kern von Neheim, das heu­te zu Arns­berg gehört und von der Hoch­was­ser­wel­le schwer getrof­fen wur­de, gibt es ein Mahn­mal für die Opfer der Katastrophe.

Unter ande­rem in der Gemein­de Möhnesee fin­den in den nächsten Tagen zahl­rei­che Ver­an­stal­tun­gen zum Geden­ken an die Kata­stro­phe vor 80 Jah­ren statt. Alle dor­ti­gen Ter­mi­ne im Überblick gibt’s auf der Web­sei­te der Gemein­de unter https://​www​.gemein​de​-moeh​ne​see​.de/​c​a​t​e​g​o​r​y​/​a​k​t​u​e​l​les

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Bildunterschriften:Quelle©Ruhrverband

Foto 1: Durch die 80 Meter brei­te Lücke in der Stau­mau­er strömten bin­nen weni­ger Stun­den mehr als 100 Mil­lio­nen Kubik­me­ter Was­ser aus.

Foto 2: In Neheim rich­te­te die Flut­wel­le schwers­te Verwüstungen an. Foto 3: Zerstörtes Haus in Fröndenberg.

Foto 4: Für den Wie­der­auf­bau wur­den fast 4.000 ausländische Arbeitskräfte durch den Nazi-Bau­trupp „Orga­ni­sa­ti­on Todt“ zwangsrekrutiert.

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Quel­le: Mar­kus Rüdel, Pres­se­spre­cher, Ruhr­ver­band, Unternehmenskommunikation

 

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