In Bangladesch überlagern sich drei schwerwiegende Krisen gleichzeitig – Eine toxische Mischung

Im Fokus: In Bangladesch überlagern sich drei schwerwiegende Krisen gleichzeitig – Eine toxische Mischung

Kli­ma­wan­del, eine läh­men­de Wirt­schafts­kri­se und rie­si­ge Flücht­lings­la­ger, in denen sich Hun­dert­tau­sen­de Roh­in­gya-Flücht­lin­ge drän­gen: Ban­gla­desch hat mit drei schwe­ren Kri­sen gleich­zei­tig zu kämp­fen. „Es bedarf einer grö­ße­ren inter­na­tio­na­len Auf­merk­sam­keit und einer stär­ke­ren Soli­da­ri­tät, um die­se Pro­ble­me anzu­ge­hen“, appel­liert Enamul Haque, Lei­ter der SOS-Kin­der­dör­fer in Ban­gla­desch. „Vor allem durch den Kli­ma­wan­del lau­fen in unse­rem Land Mil­lio­nen von Men­schen Gefahr, ihr Zuhau­se zu ver­lie­ren, und unzäh­li­ge Leben ste­hen auf dem Spiel.“

Kli­ma­kri­se

Das dicht­be­sie­del­te Ban­gla­desch mit sei­nen rund 170 Mil­lio­nen Ein­woh­nern gilt als eines der Län­der, das am stärks­ten von den Fol­gen der Kli­ma­kri­se bedroht ist. „Über­schwem­mun­gen, Wir­bel­stür­me und Dür­ren wer­den in unse­rem Land als Fol­ge des Kli­ma­wan­dels immer häu­fi­ger und hef­ti­ger“, erklärt der Lei­ter der SOS-Kin­der­dör­fer in Ban­gla­desch. „Jedes Jahr ver­schär­fen Kata­stro­phen die Armut, indem sie Men­schen ver­trei­ben, Ern­ten ver­nich­ten und Infra­struk­tur zerstören.“

Die größ­te Gefahr geht laut Haque von Über­schwem­mun­gen aus: Durch den Kli­ma­wan­del neh­me der Mon­sun­re­gen zu. Die Fol­ge: Rekord­flu­ten wie im Juni 2022, als die Was­ser­mas­sen über 7,2 Mil­lio­nen Men­schen im Nord­os­ten Ban­gla­deschs hereinbrachen.

„In den Küs­ten­re­gio­nen wird die Bevöl­ke­rung durch den stei­gen­den Mee­res­spie­gel und Sturm­flu­ten bedroht“, so Haque wei­ter. Dies füh­re bereits zur Ver­sal­zung der Böden. „Im Som­mer drückt salz­hal­ti­ges Meer­was­ser in die Flüs­se, was eine gro­ße Gefahr für die land­wirt­schaft­li­che Pro­duk­ti­on, die bio­lo­gi­sche Viel­falt und die mensch­li­che Gesund­heit darstellt.“

Weil der Kli­ma­wan­del die Lebens­grund­la­ge der Men­schen zer­stört, so Haque, ist Kli­ma­flucht in Ban­gla­desch schon heu­te Rea­li­tät: „Über­schwem­mun­gen und die Ero­si­on der Fluss­ufer zwin­gen unzäh­li­ge Fami­li­en dazu, in die Slums der Städ­te zu ziehen.“

Wirt­schafts­kri­se

Wäh­rend der Kli­ma­wan­del den Men­schen in Ban­gla­desch immer mehr zu schaf­fen machen, nimmt die Armut im Land auch wegen einer schwe­ren Wirt­schafts­kri­se zu: Gera­de hat­te sich das Land von der Coro­na-Kri­se erholt, da wur­de es von den wirt­schaft­li­chen Fol­gen des Ukrai­ne­krie­ges getrof­fen. „Die­ser Kon­flikt hat enor­me Aus­wir­kun­gen auf Ban­gla­desch, das stark von Öl- und Gasim­por­ten abhän­gig ist“, sagt der Lei­ter der SOS-Kin­der­dör­fer in Ban­gla­desch. „Die Infla­ti­on macht Grund­nah­rungs­mit­tel immer teu­rer, wes­halb Haus­hal­te mit nied­ri­gem bis unte­rem mitt­le­rem Ein­kom­men beson­ders lei­den“, erklärt Haque. „Fami­li­en kämp­fen, um über die Run­den zu kom­men, und vie­le Kin­der sind des­halb von Kin­der­ar­beit und Schul­ab­bruch bedroht.“

Die Flücht­lings­kri­se der Rohingya

Eine Kri­se, die kaum noch Schlag­zei­len macht: 2017 eska­lier­te die Gewalt im Nach­bar­land Myan­mar und zwang die Roh­in­gya zur Flucht über die Gren­ze nach Ban­gla­desch: Über 900.000 Roh­in­gya-Flücht­lin­ge leben dort seit ihrer Ver­trei­bung in rie­si­gen Camps. „Eine Lösung für die­se Kri­se ist nicht in Sicht“, sagt Haque. Die Auf­nah­me hun­dert­tau­sen­der Flücht­lin­ge stel­le eine enor­me Her­aus­for­de­rung für Ban­gla­desch dar. Wäh­rend die Lebens­be­din­gun­gen sich in den Camps ver­schlech­ter­ten, wach­se die Kri­mi­na­li­tät in der Umge­bung und die Span­nun­gen zwi­schen Geflüch­te­ten und der loka­len Bevöl­ke­rung näh­men zu. „Jüngs­te Ereig­nis­se wie ein ver­hee­ren­der Brand und die Kür­zung der Lebens­mit­tel­ra­tio­nen haben die Flücht­lin­ge noch mehr in Gefahr gebracht“, sagt Haque. „Die inter­na­tio­na­le Gemein­schaft muss zusam­men­ar­bei­ten, um Lösun­gen zu fin­den. Dazu gehört auch, Druck auf Myan­mar aus­zu­üben und Ban­gla­desch bei der Hil­fe für die Flücht­lin­ge zu unterstützen.“

SOS-Kin­der­dör­fer in Bangladesch

Die SOS-Kin­der­dör­fer sind in Ban­gla­desch seit 1972 aktiv, um Kin­dern und Fami­li­en eine Per­spek­ti­ve zu geben. Wäh­rend der Flut­ka­ta­stro­phe im Juni 2022 star­te­ten die SOS-Kin­der­dör­fer ein Not­hil­fe­pro­gramm, um 2440 Fami­li­en in Syl­het einen Neu­an­fang zu ermöglichen.

Hin­ter­grund

Kli­ma­wan­del, Fol­gen der Pan­de­mie, Krieg in der Ukrai­ne, Auf­stän­de im Iran, Erd­be­ben in Syri­en und der Tür­kei – nie zuvor wuch­sen Kin­der in einer Zeit auf, in der sich so vie­le schwer­wie­gen­de Kri­sen über­la­ger­ten. Die media­le Bericht­erstat­tung lenkt dabei den Fokus der Öffent­lich­keit vor allem auf Kata­stro­phen mit einem aktu­el­len Bezug.

Doch inzahl­rei­chen wei­te­ren Regio­nen auf der Welt kämp­fen Kin­der und Fami­li­en seit Jah­ren ums Über­le­ben – im Schat­ten der Öffent­lich­keit und auf huma­ni­tä­re Hil­fe angewiesen. 

In einer Serie gehen die SOS-Kin­der­dör­fer Kri­sen nach, die weit­ge­hend im Ver­bor­ge­nen statt­fin­den und zei­gen auf, war­um wir die betrof­fe­nen Men­schen nicht im Stich las­sen dür­fen. Die Serie ist Teil der Kam­pa­gne #InDen­Fo­kus. Rund 30 deut­sche Hilfs­or­ga­ni­sa­tio­nen haben sich zusam­men­ge­schlos­sen, um gemein­sam mit dem Aus­wär­ti­gen Amt ver­ges­se­ne Kri­sen in den Fokus zu rücken. Ziel ist es, das Bewusst­sein für das Leid der Men­schen zu schär­fen, welt­wei­te Not­la­gen, die in den Hin­ter­grund gera­ten sind, wie­der sicht­ba­rer machen und über die Arbeit von Hilfs­or­ga­ni­sa­tio­nen vor Ort zu infor­mie­ren. Über „Ver­ges­se­ne Kri­sen“ in Ban­gla­desch, Hai­ti, Mala­wi und ande­ren Ländern.

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Quel­le: Boris Brey­er, Pres­se­spre­cher, SOS-Kin­der­dör­fer weltweit
Ori­gi­nal-Con­tent von: SOS-Kin­der­dör­fer welt­weit, über­mit­telt durch news aktuell

Foto­credit: Ado­be­Stock 510447963