Fortschritt, Enttäuschung und kleine Sensation: Was das 49-Euro-Ticket bringt
Fortschritt und Enttäuschung, aber auch eine kleine Sensation: All das erwartet Deutschland mit der Einführung des 49-Euro-Tickets zum 1. Mai. Unter dem Strich jedoch ist das Ticket ein Gewinn, erklärt der ACV Automobil-Club Verkehr und liefert eine 3‑Punkte-Analyse.
Zunächst die Enttäuschung, sie liegt im Preis. Das 49-Euro-Ticket ist kein Schnäppchen, wie sein umjubelter Vorläufer, das 9‑Euro-Ticket aus der Pandemie. Aufs Jahr umgerechnet zahlen die Kunden 588 Euro für die Nutzung aller öffentlichen Verkehrsmittel im Nah- und Regionalverkehr, von Flensburg bis Garmisch, von Frankfurt/Oder bis Aachen. ACV Geschäftsführer Holger Küster erklärt dazu: „Auf den ersten Blick ist der Preis von 49 Euro zwar ein attraktives Angebot, denn die meisten bisher angebotenen Fahrscheinabos sind viel teurer. Es ist aber eben trotzdem ein Betrag, bei dem viele potenzielle Neukunden schon wieder abwinken und lieber ihre bisherige Verkehrsmittelwahl beibehalten. Der jüngst aufkeimende Wille vieler Menschen zur verstärkten Nutzung des Öffentlichen Verkehrs ist deshalb längst der Ernüchterung gewichen. Die Aufbruchstimmung ist verpufft.“
Einen Fortschritt markiert hauptsächlich dieser Punkt: die einfache deutschlandweite Nutzung des öffentlichen Verkehrs mit einem einzigen Ticket. Damit verschwindet eines der nervigsten Kuriosa der deutschen Mobilitätsgeschichte, und das ist die Sensation. Denn das 49-Euro-Ticket besiegelt das Ende der unsäglichen Verbundgrenzen. Fahrgäste müssen sich künftig beim Übertritt von einem zum anderen der 75 Verkehrsverbünde in diesem Land nicht länger fühlen, als lebten sie noch in jener Zeit der Fürstentümer, wo Territorialherren Reisenden gegen Barzahlung Geleitrechte bis zum Erreichen des Nachbarstaats gewährten. Nahverkehr zum Einheitspreis, ohne komplizierte Tarif-Rechenaufgaben mit Fußnoten zum Wochentag und Fußangeln im Kleingedruckten, dieses Angebot hätte es für die Fahrgäste schon lange geben müssen. Gut, dass es jetzt so weit ist.
Ein Riesenproblem bleibt, 49-Euro-Ticket hin, Umstiegswille der Menschen her: Das Angebot des öffentlichen Verkehrs ist vielerorts völlig unzeitgemäß, unattraktiv und unbefriedigend. Die schlechte Anbindung gerade im ländlichen Raum ist ein Dauer-Ärgernis. Die enorme Unzuverlässigkeit, bedingt durch fehlendes Personal und marodes Material, ein weiteres. Obendrein stecken die Verkehrsbetriebe mitten in einer Antriebswende, mit dem Ziel der klimaneutralen Mobilität. Eine kaum zu bewältigende Herkules-Aufgabe. So gesehen ist der Start des 49-Euro-Tickets dann doch ein Grund zur Freude, auch beim ACV. Holger Küster: „Wir wissen, dass viele Menschen multimodal leben wollen, dafür ist das 49-Euro-Ticket ein wichtiger Schritt. Aber jetzt braucht es weitere große Anstrengungen, um die verschiedenen Verkehrsmittel sinnvoll miteinander zu vernetzen, zum Beispiel an den Übergängen vom Auto zur Bahn oder von der Bahn aufs Rad.“ Hierfür setze sich der ACV auch weiterhin mit aller Kraft ein, im Gespräch mit der Politik und mit allen, die aktiv die Mobilität von morgen gestalten wollen.
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Quelle: Gerrit Reichel, Pressesprecher, ACV Automobil-Club Verkehr
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