Erfolg für Wissing: Das Auto der Zukunft bleibt technologieoffen – gut so!

Leitartikel von Christian Kerl: Das Auto der Zukunft bleibt technologieoffen – gut so!

Der Ver­bren­ner­mo­tor in neu­en Autos wird in Euro­pa im nächs­ten Jahr­zehnt wohl doch nicht kom­plett ver­bo­ten. Zwar darf ab 2035 kein neu zuge­las­se­nes Auto mehr mit Ben­zin oder Die­sel fah­ren – tankt es aus­schließ­lich kli­ma­neu­tra­le E‑Fuels, soll eine Zulas­sung aber mög­lich sein. Ob es wirk­lich so kommt, ist auch nach der Eini­gung zwi­schen Bun­des­re­gie­rung und EU-Kom­mis­si­on noch nicht ver­läss­lich klar. Und wie vie­le Fahr­zeu­ge es betref­fen wür­de, ob die­se Tech­no­lo­gie mehr wäre als eine Nische für Luxus-Autos, ist erst recht ungewiss.

Aber Ver­kehrs­mi­nis­ter Wis­sing ist es immer­hin gelun­gen, die Chan­cen für eine sol­che Tech­no­lo­gie­of­fen­heit sehr deut­lich zu erhö­hen. Gut so.

E‑Fuels erzeu­gen zwar beim Ver­bren­nen Koh­len­di­oxid, wegen der CO2-Absorp­ti­on bei der Her­stel­lung sind sie aber kli­ma­neu­tral.Sicher, nach jet­zi­gem Stand sind die syn­the­ti­schen Kraft­stof­fe kei­ne brei­te Alter­na­ti­ve zum Elek­tro­an­trieb: Ihre Kli­ma­bi­lanz ist bis­her ungüns­ti­ger als die der Stro­mer, die Her­stel­lung ist ener­gie­auf­wen­dig, sie blei­ben wohl knapp und für den Durch­schnitts-Auto­fah­rer zu teu­er. Aber nie­mand weiß, wie die tech­no­lo­gi­sche Ent­wick­lung in den nächs­ten Jah­ren ver­läuft. Es gibt des­halb kei­nen Grund, die lang­fris­ti­ge Nut­zung von E‑Fuels durch ein De-Fac­to-Ver­bot von Ver­bren­ner­mo­to­ren poli­tisch zu blockieren.

Das war ein Web­feh­ler in dem EU-Gesetz, das die Bun­des­re­gie­rung mit ihrem Veto in letz­ter Minu­te auf­ge­hal­ten hat. Wis­sing muss sich vor­wer­fen las­sen, das Pro­blem nicht schon wäh­rend der Geset­zes­ver­hand­lun­gen aus­ge­räumt zu haben. Er hat sich statt­des­sen mit einem vagen, recht­lich unver­bind­li­chen Prüf­auf­trag an die EU-Kom­mis­si­on abspei­sen las­sen. Der Auf­trag war wert­los, was vie­le Exper­ten von Anfang an ent­we­der mit Hohn oder Kopf­schüt­teln an die Adres­se Ber­lins quittierten.

Die Kom­mis­si­on hat­te sich klar gegen E‑Fuel-Autos posi­tio­niert und aus ihrem Unwil­len gegen die ver­lang­te Tech­no­lo­gie­of­fen­heit gar kei­nen Hehl gemacht. Ein fai­rer Umgang mit den Beden­ken aus dem gro­ßen Mit­glieds­land Deutsch­land, des­sen wirt­schaft­li­che Zukunft auch vom wei­te­ren Erfolg der Auto­in­dus­trie abhängt, war das nicht. Wer jetzt über den Ver­trau­ens­ver­lust klagt, den die deut­sche Last-Minu­te-Blo­cka­de in eini­gen EU-Län­dern ange­rich­tet hat, soll­te sich daher bes­ser an die Kom­mis­si­ons­prä­si­den­tin und ihr Team wen­den. Der poli­ti­sche Flur­scha­den in Brüs­sel, den das unge­wöhn­lich spä­te Veto Ber­lins ange­rich­tet hat, ist ärger­lich, aber im Aus­nah­me­fall tragbar.

Aller­dings:

Weil das zu Grun­de lie­gen­de Gesetz selbst nicht mehr zeit­auf­wen­dig geän­dert wer­den soll, bedarf es nun eini­ger recht­li­cher Win­kel­zü­ge, um die Zukunft für E‑Fuels zu sichern. Das hat sei­ne Tücken. Dass das EU-Par­la­ment mit­spielt, ist nicht garan­tiert.Wie belast­bar das von Wis­sing erziel­te Ver­hand­lungs­er­geb­nis wirk­lich ist, wird sich erst spä­ter her­aus­stel­len. Aber der Minis­ter hat ver­hin­dert, dass von der Ley­ens Kom­mis­si­on auf Zeit spielt, ohne sich um eine Lösung zu küm­mern. Die Behör­de muss sich nun red­lich bemü­hen, E‑Fuels bei den Zulas­sungs-Vor­schrif­ten eine Chan­ce zu geben – alles ande­re wäre ein offe­ner Affront gegen die Bundesregierung.

Ob dar­aus jemals ein Durch­bruch für E‑Fuels-Autos wird? Eher unwahr­schein­lich. Min­des­tens unge­wiss. Aber das zu ent­schei­den, ist nicht Sache der Poli­tik. Wenn die Tür für tech­no­lo­gi­schen Fort­schritt über­haupt offen bleibt, ist das ein Erfolg. Wis­sing hat erreicht, was jetzt noch zu errei­chen war.

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Quel­le: BER­LI­NER MORGENPOST
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