Fatma Aydemir : Es ist Zeit, das Wort Integration zu entsorgen

Bestseller-Autorin will, dass gesellschaftlicher Zusammenhalt neu gedacht wird

Fat­ma Ayd­emir for­dert, in der Gesell­schaft nicht mehr zwi­schen Alt­ein­ge­ses­se­nen und Zuwan­de­rern zu unter­schei­den. “Ich den­ke, es ist Zeit, das Wort ‚Inte­gra­ti­on’ zu ent­sor­gen. Die Idee, dass es eine Ein­heit gibt, in die sich ande­re inte­grie­ren müs­sen, fin­de ich nicht zeit­ge­mäß. Mir leuch­tet das nicht ein, weil alle stän­dig in Bewe­gung sind und über­all zu Hau­se sein könn­ten”, sag­te die Best­sel­ler-Autorin im Inter­view mit der “Neu­en Osna­brü­cker Zeitung”.

Ayd­emir nimmt es als posi­ti­ves Zei­chen, dass in der Lite­ra­tur anders über migran­ti­sche The­men gespro­chen wird. “Das Label Migran­ten­li­te­ra­tur spielt zum Glück kei­ne so gro­ße Rol­le mehr”, sag­te die Autorin, die mit ihrem Roman “Dschin­ns” in der Short­list zum Deut­schen Buch­preis 2022 ver­tre­ten war.

Ayd­emir tritt wei­ter dafür ein, über­kom­me­ne Vor­stel­lun­gen von Hei­mat und Iden­ti­tät zu ver­ab­schie­den. “Ich habe mich an dem Begriff der Hei­mat so lan­ge abge­kämpft. Ich mag nicht, wie der Begriff poli­tisch instru­men­ta­li­siert wird.Sei­ner­zeit ist ja auch ein Hei­mat­mi­nis­te­ri­um gegrün­det und mit Horst See­ho­fer sehr kon­ser­va­tiv besetzt wor­den. Mir kam das damals wie ein Ufo vor, das plötz­lich in unse­rer Wirk­lich­keit lan­det”, sag­te sie weiter.

Die Autorin kri­ti­sier­te deut­lich den poli­ti­schen Umgang mit der Gewalt bei den Sil­ves­t­er­kra­wal­len in Ber­lin. Die Taten sei­en zu Unrecht über­wie­gend Migran­ten zuge­rech­net wor­den. “Aber es ist nicht über­ra­schend, dass die Vor­fäl­le von Ber­lin zum Anlass genom­men wor­den sind, das The­ma Migra­ti­on noch ein­mal als Gan­zes zu skan­da­li­sie­ren. Das Bild des migran­ti­schen Man­nes, der gewalt­tä­tig ist, wird so immer wie­der zu poli­ti­schen Zwe­cken bedient”, monier­te Aydemir.

Sie bemän­gel­te zugleich, dass Gewalt­ta­ten gegen Migran­ten wie das Atten­tat von Hanau 2020 zu zöger­lich auf­be­rei­tet wür­den. “Ich den­ke, die Gesell­schaft ist zu tole­rant”, aber nur im Umgang mit rech­tem Gedan­ken­gut. Der rechts­extre­me Anschlag von Hanau mar­kiert ein his­to­ri­sches Ereig­nis, so Aydemir.

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Quel­le : Neue Osna­brü­cker Zei­tung, Redaktion
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Foto­credit : Ado­be­Stock 110801033

 

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