Putin muss weg – Kommentar von Andreas Härtel zum Krieg in der Ukraine

Im Ukraine-Krieg hat wieder eine neue Phase begonnen. Zwei Dinge sind dafür entscheidend …

Ers­tens wei­tet der Wes­ten Schritt für Schritt sei­ne Waf­fen­lie­fe­run­gen aus. Da war kurz vor Weih­nach­ten die Ankün­di­gung aus Washing­ton, der Ukrai­ne Patri­ot-Flug­ab­wehr­ra­ke­ten zu lie­fern. Schon das mach­te deut­lich, dass man sich kaum noch um Reak­tio­nen aus Mos­kau schert. Dann kün­dig­te Frank­reich an, der Ukrai­ne Späh­pan­zer zu über­las­sen. Und nun gehen die USA und Deutsch­land mit der Lie­fe­rung von Schüt­zen­pan­zern noch ein gehö­ri­ges Stück wei­ter. Zwei­tens gerät Russ­land auf dem Schlacht­feld wegen tak­ti­scher Feh­ler wei­ter in die Defen­si­ve – und die Kri­tik am Mili­tär nimmt in Mos­kau erneut zu.

Der Beschuss rus­si­scher Sol­da­ten­un­ter­künf­te durch das ukrai­ni­sche Mili­tär mit Dut­zen­den oder gar Hun­der­ten von Toten war ein erschüt­tern­der, grau­sa­mer Kriegs­akt. Aber auch eine Tra­gö­die für Mos­kau. Wie konn­te man eine so hohe Zahl an Rekru­ten in einer Berufs­schu­le zusam­men­zie­hen und sie so einem hohen Risi­ko aus­set­zen ? War­um wur­de dort noch dazu Muni­ti­on gela­gert ? Ant­wor­ten auf die­se Fra­gen pro­rus­si­scher Kriegs­blog­ger und ande­rer Kri­ti­ker gab es aus dem Kreml nicht.

Putin schweigt : Ist das ein Zei­chen von Schwäche ? 

Das ist höchst unge­wiss. Als gesi­chert kann der­zeit nur gel­ten, dass sich an der Front wenig bewegt, und dass der Kreml die­sen Krieg ger­ne auf lan­ge Zeit wei­ter­kö­cheln las­sen wür­de, mal hei­ßer, mal weni­ger heiß. Das sichert Ein­fluss in der Ukrai­ne – und hat dau­er­haft das Poten­zi­al, den Wes­ten aus­ein­an­der­zu­trei­ben. Wahr­schein­lich kön­nen dage­gen auch die nun ange­kün­dig­ten aus­ge­wei­te­ten Waf­fen­lie­fe­run­gen des Wes­tens noch wenig aus­rich­ten. Für den Wes­ten, für Euro­pa, wäre ein auf Dau­er ein­ge­fro­re­ner Kon­flikt jedoch fatal. Die EU hat hier die Chan­ce zu bewei­sen, dass sie in Zusam­men­ar­beit mit den USA in der Lage ist, in ihrer Nach­bar­schaft für Frie­den zu sor­gen. In die­sem Zusam­men­hang die­nen die Waf­fen­lie­fe­run­gen aber nicht allein dazu, unmit­tel­bar Ein­fluss aufs Kampf­ge­sche­hen zu neh­men. Son­dern sie sind auch Teil einer psy­cho­lo­gi­schen Kriegs­füh­rung, nach dem Mot­to : Seht her, wir machen die Ukrai­ne stär­ker, und ihr könnt nichts dage­gen tun.

Mit der ange­grif­fe­nen Ukrai­ne ist man in die­sem psy­cho­lo­gi­schen Ziel einig. 

Kiew bemüht sich wie beim Mas­sa­ker von Maki­jiw­ka, die Kampf­mo­ral der rus­si­schen Trup­pen zu tref­fen und die Mili­tär­füh­rung bloß­zu­stel­len. Dass der rus­si­sche Nor­mal­bür­ger ange­sichts gleich­ge­schal­te­ter Medi­en davon weni­ger erfährt, stört dabei zunächst nicht. Das Ziel ist die Schwä­chung des Macht­ap­pa­rats um Putin. Denn erst wenn der Kriegs­trei­ber nicht mehr an der Macht ist, gibt es eine reel­le Chan­ce auf Frie­dens­ge­sprä­che. Was soll­te man mit Putin schon bespre­chen ? Er betrach­tet den Osten der Ukrai­ne als Teil Russ­lands und hat die Infra­struk­tur des Nach­bar­lan­des zer­stört. Er hat den Wes­ten mit Vor­wür­fen über­zo­gen, ihm mit Atom­waf­fen gedroht und immer wie­der gelo­gen, dass sich die Bal­ken bie­gen. Einen irgend­wie gear­te­ten Kom­pro­miss kann es mit so jeman­dem nicht geben. Eben­so wenig wie eine aus­ge­präg­te Zusammenarbeit.

Also : Putin muss weg, sein Régime muss weg, die­ser “Puti­nis­mus”, wie man­che es nen­nen, die aggres­si­ve Mischung aus Kreml-Auto­kra­tie, einer aus­ge­präg­ten Schwä­che der Zivil­ge­sell­schaft, mas­si­ven Insze­nie­run­gen für die Öffent­lich­keit und mund­to­ter Medien. 

Der Regime­wech­sel in Mos­kau muss des­halb auch Ziel der deut­schen Außen- und Sicher­heits­po­li­tik sein – trotz so man­cher Gefah­ren. Denn Putin darf man immer noch einen Rest an Ratio­na­li­tät in sei­nem Han­deln unter­stel­len. Für jeman­den wie Pri­go­schin, den Anfüh­rer der Wag­ner-Söld­ner­grup­pe, oder den Tsche­tsche­nen-Schläch­ter Kady­row gilt das nicht. Aber es geht ja auch nicht nur um einen Aus­tausch der Füh­rungs­fi­gur, son­dern um das gan­ze Macht­sys­tem. Es steht zu befürch­ten, dass die Poli­tik nicht war­ten kann, bis es auf die Fra­ge, wer auf Putin folgt, eine ein­deu­ti­ge und seriö­se Ant­wort gibt.

 

Quel­le : All­ge­mei­ne Zei­tung Mainz, Zen­tra­ler Newsdesk
Ori­gi­nal-Con­tent von : All­ge­mei­ne Zei­tung Mainz, über­mit­telt durch news aktuell

Foto­credit : Ado­be­Stock 240834019

 

 

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