Weihnachten in der Fremde : Im Rollstuhl aus der Ukraine geflohen – Am 25. Dezember oder am 7. Januar feiern ?

Weihnachten in der Fremde : Im Rollstuhl aus der Ukraine geflohen – Am 25. Dezember oder am 7. Januar feiern ?

Vik­tor Dmytruk blickt einem Weih­nachts­fest ent­ge­gen, wie es noch kei­nes für ihn gab. „Mein neu­es Leben beginnt in Deutsch­land. Mit neu­en Men­schen, neu­en Ansich­ten und Gefüh­len, mit neu­en Her­aus­for­de­run­gen und Schwie­rig­kei­ten“, so hat er es im aktu­el­len Ste­pha­nus-Boten for­mu­liert, dem Gemein­de­brief der Evan­ge­li­schen Kir­chen­ge­mein­de Hil­gen-Neu­en­haus  im Kir­chen­kreis Len­nep. Sei­nen Text hat der 33-Jäh­ri­ge mit dem Mund geschrie­ben. Spas­ti­ken ver­hin­dern die Kon­trol­le über sei­ne Glied­ma­ßen. Und ein Krieg ver­hin­dert, dass er Weih­nach­ten wie bis­her sein gan­zes Leben lang in dem Land fei­ern kann, in dem er gebo­ren wur­de : der Ukraine.

Dmytruk saß in dem ers­ten Bus, mit dem die Initia­ti­ve „Will­kom­men in Wer­mels­kir­chen“ nur zwei Wochen nach Kriegs­aus­bruch 34 Geflüch­te­te von der pol­ni­schen Grenz­stadt Prze­mysl ins Ber­gi­sche Land hol­te. Und dass er über­haupt einen Platz in dem Bus erhielt, wird er ver­mut­lich auch als eine die­ser Fügun­gen ver­ste­hen, die er im Rück­blick auf sei­ne Flucht aus dem bom­bar­dier­ten Kiew für sich so zusam­men­fasst : „Als wir in den Zug ein­stie­gen, wuss­ten wir nicht, wo unse­re Rei­se enden wür­de. Aber die gan­ze Zeit kam alles so, als ob der Herr uns genau dahin füh­ren wür­de, wo wir jetzt sind.“ Tau­sen­de Men­schen harr­ten am über­füll­ten Grenz­bahn­hof in Prze­mysl aus. Als es in dem eigent­lich schon voll besetz­ten Bus durch eine Absa­ge plötz­lich wie­der eine Mit­fahr­mög­lich­keit gab, fiel die Wahl auf den Mann im Rollstuhl.

Weih­nachts­fest : Datums­fra­ge ver­liert an Bedeutung

Weih­nacht­li­che Tra­di­tio­nen sind dem Ukrai­ner wich­tig : Aus sei­ner Kind­heit kennt er noch die zwölf Fas­ten­spei­sen, die an Hei­lig­abend auf den Tisch kom­men. Und die Didukh genann­te Gar­be, die zu den ukrai­ni­schen Weih­nachts­de­ko­ra­tio­nen zählt – als sym­bo­li­sches Ern­te­op­fer. Die ver­trau­ten Bräu­che wer­den bei allem Inter­es­se an den deut­schen Weih­nachts­ge­pflo­gen­hei­ten auch im Mit­tel­punkt ste­hen, wenn er mit sei­ner Schwes­ter, sei­nem Stief­va­ter und sei­nem Cou­sin in der neu­en Hei­mat fei­ert. Die Datums­fra­ge – 25. Dezem­ber oder nach ortho­do­xer Tra­di­ti­on 7. Janu­ar – ver­liert dabei zuneh­mend an Bedeu­tung. Auch in der viel­schich­ti­gen ortho­do­xen Kir­che in der Ukrai­ne gibt es inzwi­schen die Erlaub­nis, Weih­nach­ten wie schon die Pro­tes­tan­ten und die grie­chi­schen Katho­li­ken eben­falls im Dezem­ber zu fei­ern. Jen­seits aller Tra­di­tio­nen steht für Dmytruk mit Blick auf das Fest ohne­hin eine Über­zeu­gung im Vor­der­grund : „Wenn Chris­tus nicht bei dir im Her­zen mit­ge­bo­ren ist, dann kannst du kei­ne ech­te Freu­de spüren.“

Der Bru­der und vie­le Ver­wand­te leben noch in der Ukraine

Wie freu­dig er selbst in die­sem Jahr den Fei­er­ta­gen ent­ge­gen­sieht, steht auf einem ande­ren Blatt. Der Krieg in sei­ner Hei­mat, dem sein Bru­der und vie­le Ver­wand­te wei­ter aus­ge­setzt sind, hin­ter­lässt ein „sehr bedrü­cken­des, trau­ern­des Gefühl“. Die Stadt Olesch­ky im Oblast Cher­son, in der er zwölf Jah­re in einem Inter­nat ver­bracht hat, ist inzwi­schen rus­sisch besetzt. Dmytruks dring­lichs­ter Wunsch : „Hof­fent­lich kön­nen wir das nächs­te Weih­nach­ten wie­der in Frie­den feiern.“

Pre­digt in der Gemein­de und Rede am Volkstrauertag

Im Ber­gi­schen Land setzt er der­weil das kirch­li­che Enga­ge­ment fort, das er in sei­ner bap­tis­ti­schen Hei­mat­ge­mein­de schon längst begon­nen hat­te. In der Kir­chen­ge­mein­de Hil­gen-Neu­en­haus hat er bereits im August am 11. Sonn­tag nach Tri­ni­ta­tis gepre­digt. Und als die Stadt Wer­mels­kir­chen am 13. Novem­ber anläss­lich des Volks­trau­er­ta­ges zur Gedenk­fei­er an einem ört­li­chen Mahn­mal ein­lud, hielt der Kriegs­flücht­ling auf Rus­sisch eine bewe­gen­de Rede : „Ich hät­te nie gedacht, dass der Krieg mich, mein Zuhau­se, betref­fen wür­de. Dass mei­ne Mit­bür­ger getö­tet wer­den, dass Blut nicht so weit vom Her­zen Euro­pas ver­gos­sen wird. Das ist Schmerz, das sind Trä­nen, das sind Ver­lus­te, die wir nie­mals wie­der­erlan­gen kön­nen.“ Die nächs­te Anfra­ge an ihn gilt dem 2. Weih­nachts­tag, wenn in der Kir­che für die geplan­te deutsch-ukrai­ni­sche Musik ein Chor zusam­men­ge­stellt wird. „Sin­gen kann ich auch!“

„Gott hat ein Auge auf mich geworfen“

In Deutsch­land ist Vik­tor Dmytruk ob sei­ner schwe­ren Behin­de­rung ein Son­der­fall. Trotz wohl­wol­len­der Behör­den war­tet er noch immer auf sei­nen Behin­der­ten­aus­weis, schei­tert ein Arbeits­ein­stieg bei der Werk­statt Lebens­hil­fe Ber­gi­sches Land bis­her an der unge­klär­ten Fra­ge des Kos­ten­trä­gers, muss bei den Trans­port­kos­ten wei­ter die Initia­ti­ve „Will­kom­men in Wer­mels­kir­chen“ mit Spen­den­mit­teln ein­sprin­gen. Aber sein Gott­ver­trau­en lässt sich der jun­ge Ukrai­ner allen wid­ri­gen Umstän­den zum Trotz nicht neh­men : „Ich habe das Gefühl, dass Gott seit mei­ner Geburt ein Auge auf mich gewor­fen hat und mich bis zu mei­nem Tod beglei­ten wird.“

Quel­le : Jens Peter Iven, Pressesprecher
Autor Ekke­hard Rüger
Ori­gi­nal-Con­tent von : Evan­ge­li­sche Kir­che im Rhein­land, über­mit­telt durch news aktuell

Bild­un­ter­schrift : Vik­tor Dmytruk ist im Roll­stuhl aus der Ukrai­ne geflo­hen. Jetzt fei­ert er Weih­nach­ten in Wermelskirchen.
Bild­rech­te : Evan­ge­li­sche Kir­che im Rhein­land / Foto­graf : privat

 

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