Zeitenwende auch im Handel: Hin zur “Es-kann-auch-weniger-sein”-Ökonomie?

Angebotsengpässe und Knappheiten – Es wird künftig etwas weniger sein oder länger dauern

 

Der Begriff “Zei­ten­wen­de” hat nicht nur eine poli­ti­sche Dimen­si­on – auch aus öko­no­mi­scher Sicht wird der Krieg in der Ukrai­ne zu struk­tu­rel­len Ver­än­de­run­gen füh­ren. Vie­le Gewohn­hei­ten aus den Hoch­zei­ten der Glo­ba­li­sie­rung wer­den mit der Zeit ver­lo­ren gehen, wäh­rend poli­ti­sche Risi­ken und Teue­rungs­ra­ten hoch­blei­ben und sowohl Inves­ti­tio­nen als auch Lie­fer- und Wert­schöp­fungs­ket­ten belas­ten. “Wir wer­den uns wahr­schein­lich von einer ‚Immer-mehr’-Ökonomie stär­ker in Rich­tung einer ‚Es-kann-auch-weniger-sein’-Ökonomie bewe­gen”, schreibt Prof. Dr. Mario Jung (Hoch­schu­le Kai­sers­lau­tern) in einer Ana­ly­se für den Kre­dit­ver­si­che­rer Coface.

 

Mit einem Anstieg poli­ti­scher Risi­ken steigt auch die Unsi­cher­heit bei Unter­neh­men und Ver­brau­chern. Nicht erst seit dem Aus­bruch der Coro­na-Pan­de­mie oder dem Kriegs­be­ginn in der Ukrai­ne, son­dern bereits seit 2007 zeigt der von US-Öko­no­men ent­wi­ckel­te glo­ba­le “Eco­no­mic Poli­cy Uncer­tain­ty Index” ein vola­ti­les und im Trend stei­gen­des Unsi­cher­heits­ni­veau. Aus­wir­kun­gen hat eine erhöh­te Unsi­cher­heit vor allem auf die Inves­ti­ti­ons­be­reit­schaft von Unter­neh­men, denn die­se brau­chen für lang­fris­ti­ge Ent­schei­dun­gen sta­bi­le poli­ti­sche und recht­li­che Rahmenbedingungen.

 

Umbau von Lie­fer- und Wertschöpfungsketten

Nach den Erfah­run­gen von Pan­de­mie und Ukrai­ne-Krieg wer­den Unter­neh­men welt­weit eine Neu­jus­tie­rung ihrer Lie­fer- und Wert­schöp­fungs­ket­ten vor­neh­men, das Trim­men auf Effi­zi­enz ist aus­ge­reizt. Es ver­wun­dert daher nicht, dass im aktu­el­len World Busi­ness Out­look der deut­schen Außen­han­dels­kam­mern 36% der befrag­ten deut­schen Unter­neh­men eine Ver­än­de­rung in den Trans­port­we­gen erwar­ten und 35% gar mit der Been­di­gung oder Beein­träch­ti­gung von Geschäfts­be­zie­hun­gen in bestimm­ten Regio­nen rech­nen. Die­se Umstel­lung ver­ur­sacht Trans­ak­ti­ons­kos­ten, es ent­ste­hen Mehr­kos­ten für Unter­neh­men und in der Fol­ge auch für Ver­brau­cher. “Den­noch ist kei­ne Panik ange­bracht”, sagt Mario Jung. Denn ers­tens befin­de sich die glo­ba­le Ver­flech­tung in den Wert­schöp­fungs­ket­ten im Welt­han­del schon seit 2010 im Rück­wärts­gang und zwei­tens habe Deutsch­land als Export­na­ti­on das wich­ti­ge Faust­pfand Euro­päi­sche Uni­on, wel­ches immer bedeu­ten­der wer­de – Stich­wort “Near-Sho­ring” oder “Fri­end-Sho­ring”.

 

Infla­ti­on: Sta­bi­li­tät vor­erst nicht in Sicht

Grün­de für die sta­bi­len Teue­rungs­ra­ten der letz­ten Jahr­zehn­te waren zum einen Effi­zi­enz­ge­win­ne aus inter­na­tio­na­ler Arbeits­tei­lung sowie zuneh­men­de Ver­flech­tun­gen in den glo­ba­len Lie­fer- und Wert­schöp­fungs­ket­ten, wodurch Unter­neh­men Kos­ten ein­spa­ren konn­ten. Pro­fi­teur war auch der “Export­welt­meis­ter” Deutsch­land, der mit Hil­fe güns­ti­ger Vor­leis­tun­gen und Roh­stof­fen aus dem Aus­land hoch­spe­zia­li­sier­te Güter pro­du­zie­ren und zu wett­be­werbs­fä­hi­gen Prei­sen auf dem Welt­markt plat­zie­ren konnte.

 

Die­se güns­ti­ge Ent­wick­lung hat sich seit Aus­bruch der Coro­na-Pan­de­mie im Früh­jahr 2020 ein­ge­trübt: Die Infla­ti­ons­ra­ten sind, gera­de im Jahr 2022, stark ange­stie­gen, getrie­ben durch die gro­ßen Preis­sprün­ge bei Ener­gie, bei ande­ren Roh­stof­fen und durch die Ver­teue­rung von Nah­rungs­mit­teln. “Für den lang­fris­ti­gen Infla­ti­ons­aus­blick gibt es signi­fi­kan­te Auf­wärts­ri­si­ken, die sich aus struk­tu­rel­len Ver­än­de­run­gen im glo­ba­len Wirt­schafts­kreis­lauf erge­ben und damit per­ma­nen­ter Art sein dürf­ten”, sagt Mario Jung.

 

Es wird künf­tig etwas weni­ger sein oder län­ger dauern

Ange­bots­eng­päs­se und Knapp­hei­ten, die sich schon zu Pan­de­mie­be­ginn in Form von lee­ren Rega­len zeig­ten, haben sich mit dem Ukrai­ne-Krieg noch ver­schärft. Die­ser nega­ti­ve Trend traf auch Unter­neh­men. Die Kon­se­quenz: Eine ste­ti­ge Just-in-time-Pro­duk­ti­on bzw. ein ste­ti­ger Just-in-time-Kon­sum aus Ver­brau­cher­sicht wer­den nicht immer mög­lich sein. Dar­auf deu­ten auch Befra­gun­gen von Ein­kaufs­ma­na­gern hin. In der Fol­ge wer­den Fir­men und Ver­brau­cher ihr Ver­hal­ten anpas­sen, was zu einer grö­ße­ren Lager­hal­tung, zur Beschaf­fung von Vor­rä­ten sowie zu wie­der­keh­ren­den Wel­len von “Hams­ter­käu­fen” führt.

 

Quel­le: Coface, Nie­der­las­sung in Deutsch­land, Sebas­ti­an Knie­rim – Pressesprecher
Ori­gi­nal-Con­tent von: Coface Deutsch­land, über­mit­telt durch news aktuell

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