Ampel in der Energiekrise, Kommentar zur Klausurtagung von Stefan Paravicini
Kalt duschen und Heizung runterdrehen, raten die Ampel-Koalitionäre angesichts der Energiekrise mit Blick auf den nahenden Winter. Bei der zweitägigen Klausurtagung der Bundesregierung, die am Dienstag auf Schloss Meseberg vor den Toren Berlins startet, werden die Koalitionäre gut daran tun, dem eigenen Rat zu folgen. Denn die Temperatur innerhalb der Ampel ist seit Wochen aufgeheizt. Unter Druck steht vor allem Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), dem bei der Umsetzung der geplanten Umlage zur Stabilisierung des Gasmarktes Konstruktionsfehler unterlaufen sind.
Neben insolvenzgefährdeten Gasimporteuren, die sich wegen ausbleibender Gasimporte aus Russland auf dem Spotmarkt versorgen müssen und mit der Umlage finanziell entlastet werden sollen, können bislang auch wirtschaftlich gesunde Unternehmen aus der Branche den Finger heben, wenn es an die Verteilung der 34 Mrd. Euro geht, die die Verbraucher nach jetzigem Stand ab 1. Oktober über die Umlage bezahlen werden. Das haben die Koalitionspartner in den vergangenen Tagen unter dem Stichwort „Trittbrettfahrer“ weidlich ausgenutzt, um den Wirtschaftsminister als einen der größten Publikumslieblinge innerhalb der Ampel-Koalition zu entzaubern.
Habeck will dennoch an der Umlage festhalten. Dass sie notwendig ist, zeigt der Fall Uniper: Der Gasimporteur hat eine Kreditlinie der Förderbank KfW in Höhe von 9 Mrd. Euro ausgeschöpft und um mehr gebeten. Die Gefahr eines „Lehman-Moments“ auf dem Gasmarkt ist real, auch wenn die deutschen Gasspeicher schon im September den bis Oktober angepeilten Füllstand erreichen werden.
Die Turbulenzen auf dem Gasmarkt treiben auch die Strompreise in ungeahnte Höhen, weil die Verstromung in Gaskraftwerken im geltenden Marktdesign oft den Preis bestimmt. Finanzminister Christian Lindner (FDP) ließ Habeck angesichts rekordhoher Strompreise wissen, dass die angekündigte Reform des Strommarkts bitte schön „kurzfristig“ gelingen müsse. Kurz darauf kündigte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) gemeinsam mit dem tschechischen Ministerpräsidenten Petr Fiala im Rahmen seines Antrittsbesuchs in Prag Maßnahmen für eine Reform des Strommarkts auf europäischer Ebene an.
Die Ampel steckt zum Ende des meteorologischen Sommers mittendrin in der Energiekrise. Will sie durch den Winter kommen, muss sie rasch die Reihen schließen. Eine kalte Dusche auf Schloss Meseberg könnte dafür ein guter Anfang sein.
Quelle: Börsen-Zeitung, Redaktion
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