NABU-Negativpreis Dinosaurier des Jahres 2021 : Emden ist überall

In Emden und ganz Deutschland wird Natur zubetoniert – bis 2050 ist eine Fläche in der Größe des Saarlands von Versiegelung bedroht

win­ter­berg-total­lo­kal : Berlin/​Emden : Mit dem Nega­tiv­preis ‘Dino­sau­ri­er des Jah­res’ zeich­net der NABU bereits zum 29. Mal die Umweltsaue­rei des Jah­res aus. Preis­trä­ger 2021 ist das Bau­ge­biet Con­reb­bers­weg in der Stadt Emden in Nie­der­sach­sen. Es wur­de von der NABU-Jury stell­ver­tre­tend für die Natur­zer­stö­rung durch Boden­ver­sie­ge­lung in ganz Deutsch­land aus­ge­wählt. Emden hat eine seit vie­len Jah­ren sta­gnie­ren­de Bevöl­ke­rungs­ent­wick­lung. Die Ein­woh­ner­zahl ist zuletzt knapp unter die Mar­ke von 50.000 gefal­len. Für ein gro­ßes Bau­ge­biet wird jetzt arten­rei­ches Feucht- und Nass­grün­land mit fast flä­chen­de­cken­dem Schutz­sta­tus ver­nich­tet. Auf der Flä­che fin­den sich zahl­rei­che stark gefähr­de­te Pflan­zen- und Vogel­ar­ten, dar­un­ter Wie­sen­pie­per, Feld­schwirl und Kiebitz​​​​​​​. Mehr als zwei Drit­tel des 75 Hekt­ar gro­ßen Gebie­tes sol­len ver­sie­gelt wer­den. Es liegt zudem einen Meter unter dem Mee­res­spie­gel. Ange­sichts der zuneh­men­den Stark­wet­ter­er­eig­nis­se droht damit nach der Bebau­ung wei­te­res Ungemach.

NABU-Prä­si­dent Jörg-Andre­as Krü­ger : „Wer an Emden und die Nord­see­küs­te denkt, hat ver­mut­lich Wind, Natur und plat­tes Land in saf­ti­gem grün vor Augen. Beton­po­li­tik erwar­tet an die­ser Stel­le wohl kaum jemand. Jetzt soll ein lan­des­weit bedeut­sa­mes Gebiet für den Bio­top­schutz zuguns­ten eines gro­ßes Bau­ge­bie­tes unwie­der­bring­bar zer­stört wer­den. Der ‘Dino­sau­ri­er des Jah­res 2021’ geht des­halb nach Emden an den Con­reb­bers­weg. Wir ver­lei­hen ihn stell­ver­tre­tend für die gras­sie­ren­de Boden­ver­sie­ge­lung in ganz Deutsch­land. Denn Emden ist über­all. In fast jeder Kom­mu­ne der Bun­des­re­pu­blik wer­den aktu­ell Flä­chen­ver­sie­ge­lun­gen geplant, rund 50 Hekt­ar sind das bun­des­weit pro Tag. Die­se Ent­wick­lung lässt sich nicht unend­lich fort­set­zen. Des­halb for­dern wir von der Bun­des­re­gie­rung eine stär­ke­re Prio­ri­sie­rung der Flä­chen­nut­zung und eine Reduk­ti­on des Flä­chen­ver­brauch auf net­to Null bis 2030.“

Die Bun­des­re­gie­rung woll­te den Flä­chen­fraß in Deutsch­land bis 2020 auf 30 Hekt­ar pro Tag redu­zie­ren. Die­ses Ziel wur­de dann Anfang des Jah­res 2018 um zehn Jah­re nach hin­ten, auf das Jahr 2030 ver­scho­ben. Erst im Jahr 2050 wird im Kli­ma­schutz­plan der Bun­des­re­gie­rung nun das Ziel eines “net­to Null”-Flächenverbrauchs ange­peilt. Bis dahin wür­den, nach die­sen Plä­nen von heu­te, wei­te­re 250.000 bis 260.000 Hekt­ar an zusätz­li­cher Flä­che ver­sie­gelt. Das ent­spricht umge­rech­net mehr als 350.000 Fuß­ball­plät­zen oder der Grö­ße des Saarlands.

Natur, Land­wirt­schaft und Bebau­ung – vie­ler­orts herrscht gro­ßer Wett­be­werb ums Land. Die Bun­des­re­gie­rung plant in den Bal­lungs­ge­bie­ten den Neu­bau von 400.000 Woh­nun­gen pro Jahr, soviel rea­li­sier­te die letz­te Regie­rung in der gesam­ten Legis­la­tur. Dem ste­hen rund zwei Mil­lio­nen leer­ste­hen­de Woh­nun­gen in länd­li­chen Regio­nen und eine durch den demo­gra­phi­schen Wan­del eher sin­ken­de Bevöl­ke­rungs­zahl gegen­über. Das ver­deut­licht die hohe Kom­ple­xi­tät bei der Flä­chen­ver­sie­ge­lung, bei der sozia­le Aspek­te, die Ver­füg­bar­keit von Arbeit, aber auch Fra­gen von Infra­struk­tur und Ver­kehr zu berück­sich­ti­gen sind. Flä­chen sind daher mög­lichst nach­hal­tig und effek­tiv zu nut­zen. Bei der soge­nann­ten Innen­ver­dich­tung wird bei­spiels­wei­se geprüft, wel­che Flä­chen sich inner­halb eines Ortes noch für Bebau­ung, Auf­sto­ckung, Umbau oder Ver­dich­tung anbie­ten. Gleich­zei­tig ist auf aus­rei­chend unver­sie­gel­te Flä­che in den Orten zu ach­ten, auf denen bei­spiels­wei­se Was­ser ver­si­ckern oder ver­schat­ten­de Bepflan­zung ste­hen kann. Bau­land­mo­bi­li­sie­rung in den Außen­be­rei­chen von Ort­schaf­ten bedeu­tet hin­ge­gen wei­te­re Flä­chen­ver­sie­ge­lung. Zwar wer­den dabei oft Aus­gleichs­maß­nah­men vor­ge­se­hen, die den Ver­lust an Bio­di­ver­si­tät kom­pen­sie­ren sol­len. Ein qua­li­ta­ti­ver Aus­gleich der zer­stör­ten Flä­chen wird jedoch nur sel­ten und wenn, dann erst nach vie­len Jah­ren erreicht. Die Ampel­ko­ali­ti­on hat das Pro­blem erkannt und im Koali­ti­ons­ver­trag ange­kün­digt das Bau­ge­setz­buch dahin­ge­hend über­prü­fen zu wol­len, unter ande­rem soll der umstrit­te­ne §13b gestri­chen wer­den, der die Außen­be­bau­ung ver­ein­facht. Der NABU regt zusätz­lich an, Wachs­tums­fehl­an­rei­ze für Ort­schaf­ten auf­grund der Haupt­an­satz­fak­to­ren des Finanz­aus­gleichs auf Lan­des­ebe­ne zu reduzieren.

Mit dem „Dino­sau­ri­er des Jah­res“, eine 2,6 Kilo­gramm schwe­ren Nach­bil­dung einer Rie­sen­ech­se, zeich­net der NABU seit 1993 Per­sön­lich­kei­ten des öffent­li­chen Lebens aus, die sich durch beson­ders rück­schritt­li­ches öffent­li­ches Enga­ge­ment in Sachen Natur- und Umwelt­schutz her­vor­ge­tan haben. Seit 2020 wer­den nicht mehr Per­so­nen, son­dern kon­kre­te Pro­jek­te als Umweltsaue­rei des Jah­res aus­ge­zeich­net. Preis­trä­ger 2020 war das Auto­bahn­pro­jekt A26 Ost.

NABU
Mit mehr als 820.000 Mitgliedern und Fördernden ist der 1899 gegründete NABU der mitgliederstärkste Umweltverband Deutschlands. Der NABU engagiert sich für den Erhalt der Lebensraum- und Artenvielfalt, den Klimaschutz sowie die Nachhaltigkeit der Land-, Wald- und Wasserwirtschaft. Zu den zentralen NABU-Anliegen gehören auch die Vermittlung von Naturerlebnissen und die Förderung naturkundlicher Kenntnisse.

Mehr Infos : www​.NABU​.de/​w​i​r​-​u​e​b​e​r​-​uns

Foto­credits : NABU/​Klemens Karkow

Quel­le : NABU

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