Gewerkschaft : „Arbeitgeber sollen sich zu tariflichen Standards bekennen“

Gastro-Beschäftigte im Hochsauerlandkreis beim Einkommen 40 Prozent unterm Schnitt

win­ter­berg-total­lo­kal : Sie arbei­ten dann, wenn ande­re frei haben, kom­men mit ihrem Lohn aber kaum über die Run­den : Köche, Ser­vice­kräf­te und Hotel­an­ge­stell­te ver­die­nen im Hoch­sauer­land­kreis weit unter­durch­schnitt­lich – und könn­ten aus Geld­sor­gen ihrer Bran­che immer häu­fi­ger den Rücken keh­ren. Davor warnt die Gewerk­schaft Nah­rung-Genuss-Gast­stät­ten (NGG) und ver­weist auf eine Ana­ly­se der Hans-Böck­ler-Stif­tung, die Zah­len der Bun­des­agen­tur für Arbeit aus­ge­wer­tet hat. Dem­nach kom­men Beschäf­tig­te aus dem Gast­ge­wer­be, die eine Voll­zeit­stel­le haben, im Hoch­sauer­land­kreis auf ein mitt­le­res Monats­ein­kom­men von aktu­ell nur 2.016 Euro brut­to. Zum Ver­gleich : Bran­chen­über­grei­fend liegt der Medi­an bei Voll­zeit im Kreis bei 3.343 Euro.

„Wenn Hotel- und Gas­tro-Beschäf­tig­te 40 Pro­zent weni­ger ver­die­nen als der Schnitt, dann darf sich kei­ner dar­über wun­dern, dass sie sich in Zei­ten der Coro­na-Kri­se einen neu­en Job suchen. Denn vie­le von ihnen muss­ten mona­te­lang mit dem Kurz­ar­bei­ter­geld aus­kom­men, ein Teil der Beschäf­tig­ten ist noch immer dar­auf ange­wie­sen. Das sind har­te Ein­bu­ßen bei einem ohne­hin nied­ri­gen Ein­kom­men“, betont Lars Wur­che, Gewerk­schafts­se­kre­tär der NGG-Regi­on Süd­west­fa­len. Obwohl die Wir­te und Hote­liers eben­falls stark von den Fol­gen der Coro­na-Pan­de­mie getrof­fen sei­en, müs­se nun alles dafür getan wer­den, Löh­ne und Arbeits­be­din­gun­gen attrak­ti­ver zu machen. Gelin­ge das nicht, dürf­te es in vie­len Hotels, Gast­stät­ten und Cafés schon bald nicht mehr genü­gend Per­so­nal geben, warnt die Gewerkschafter.

An den Deut­schen Hotel- und Gast­stät­ten­ver­band (Deho­ga) in Nord­rhein-West­fa­len appel­liert die NGG, die Bran­che über einen neu­en Tarif­ver­trag für die Zukunft auf­zu­stel­len. „Die Arbeit­ge­ber kla­gen selbst über die anhal­ten­de Per­so­nal­ab­wan­de­rung. Dabei haben vie­le Pro­ble­me lan­ge vor der Pan­de­mie exis­tiert – von unbe­zahl­ten Über­stun­den und lan­gen Arbeits­zei­ten bis hin zu einem rau­en Umgangs­ton hin­ter den Kulis­sen“, betont Wur­che. Bei den für die­sen Herbst geplan­ten Tarif­ver­hand­lun­gen mit der Gewerk­schaft habe der Deho­ga NRW die Chan­ce, die Betrie­be gegen den Fach­kräf­te­man­gel zu wapp­nen. Über tarif­li­che Stan­dards müs­se das Lohn-Niveau ange­ho­ben und die Arbeits­be­din­gun­gen ver­bes­sert werden.

Die Gewerk­schaft ver­weist dar­auf, dass seit andert­halb Jah­ren kei­ne Tarif­ver­hand­lun­gen mehr für das nord­rhein-west­fä­li­sche Gast­ge­wer­be statt­ge­fun­den haben. Meh­re­re Gesprächs­an­ge­bo­te sei­en unter Ver­weis auf die Coro­na-Pan­de­mie abge­lehnt wor­den. „Umso wich­ti­ger ist es jetzt, am Ver­hand­lungs­tisch zu Lösun­gen zu kom­men, damit die Beschäf­tig­ten nach die­ser schwie­ri­gen Zeit end­lich eine Per­spek­ti­ve haben“, betont Wur­che. Dazu gehör­ten armuts­fes­te Löh­ne „deut­lich über dem gesetz­li­chen Min­dest­lohn“ – auch wenn die­ser je nach Aus­gang der Koali­ti­ons­ver­hand­lun­gen im Bund auf zwölf Euro pro Stun­de stei­gen soll­te. Nur durch eine bes­se­re Bezah­lung könn­ten Hotels und Gast­stät­ten auf dem Arbeits­markt kon­kur­renz­fä­hig sein, so die NGG.

„Ein wich­ti­ger Punkt ist dabei, das Per­so­nal nach der fach­li­chen Qua­li­fi­ka­ti­on zu bezah­len“, sagt Wur­che. Vie­le Berufs­be­zeich­nun­gen wie „Demi Chef de Cui­sine“ oder „Con­cier­ge“ sei­en ver­al­tet und führ­ten dazu, dass Beschäf­tig­te in einer Lohn­grup­pe lan­de­ten, in der sie weni­ger ver­dien­ten, als ihnen zustehe.

Außer­dem soll­ten die Unter­neh­men die wei­ter­hin ver­brei­te­te Kurz­ar­beit nut­zen, um ihre Beschäf­tig­ten wei­ter­zu­bil­den und etwa in punc­to Digi­ta­li­sie­rung fit zu machen. Bei der Berufs­aus­bil­dung müs­se mehr für die Qua­li­tät getan wer­den : „Wenn der Azu­bi das Auto des Chefs waschen muss, statt in der Küche zu ler­nen oder die Aus­bil­de­rin im Home­of­fice ist, statt dem Nach­wuchs etwas bei­zu­brin­gen, dann kann es nicht über­ra­schen, dass vie­le jun­ge Men­schen die Leh­re hin­schmei­ßen“, so Wurche.

Dar­über hin­aus müs­se die Tarif­bin­dung gestärkt wer­den. „Eine Mit­glied­schaft im Arbeit­ge­ber­ver­band soll­te nur dann mög­lich sein, wenn die Tarif­ver­trä­ge akzep­tiert wer­den, die man gemein­sam aus­ge­han­delt hat.“ Nach Beob­ach­tung der NGG kommt es immer häu­fi­ger zu soge­nann­ten Mit­glied­schaf­ten „ohne Tarif­bin­dung“. Die­ser Trend müs­se gestoppt wer­den, um flä­chen­de­ckend nicht nur fai­re Arbeits­be­din­gun­gen für das Per­so­nal zu haben – son­dern auch fai­re Wett­be­werbs­be­din­gun­gen für die Firmen.

Quel­le : Gewerk­schaft Nah­rung-Genuss-Gast­stät­ten (NGG) Regi­on Südwestfalen

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