Olympionikin nimmt Kurs auf den Agrar-Bachelor

Studium und Spitzensport : Franziska Kampmann auf der Zielgeraden

win­ter­berg-total­lo­kal : „Dabei sein ist alles“ – der olym­pi­sche Wahl­spruch klingt ver­söhn­lich, dage­gen kann man nichts Schlech­tes sagen, eigent­lich. Wer aber mal tat­säch­lich dabei war, bei Olym­pia, und sich der Traum von der erhoff­ten Medail­le nicht erfüllt hat, denkt mög­li­cher­wei­se, „was ein Mist!“. Für einen Moment hat Fran­zis­ka Kamp­mann sicher auch so gedacht. Die Agrar-Stu­den­tin hat es im Frau­en-Dop­pel­vie­rer bei den Olym­pi­schen Spie­len in Tokio bis ins Fina­le geschafft. Metall gab es nicht, aber die 24-Jäh­ri­ge hat einen Plan B und der ist auf einem rich­tig guten „Mist“ gewachsen.

Franziska Kampmann
FH-Stu­den­tin Fran­zis­ka Kamp­mann hat es bei den Olym­pi­schen Spie­len in Tokio in ihrer Dis­zi­plin „Frau­en-Dop­pel­vie­rer“ bis ins Fina­le geschafft. Yan­nick Schurwanz

Dau­men drü­cken, mit­fie­bern, 80-jäh­ri­ge Nach­barn, die sich nachts den Wecker stel­len, um live am Fern­se­hen das Fina­le mit­zu­ver­fol­gen – Fran­zis­ka Kamp­mann schlägt die­ser Tage viel Sym­pa­thie ent­ge­gen. Zu Recht, im Alter von 12 Jah­ren mit dem Rudern beim RV Wal­trop von 1928 auf dem Dat­teln-Hamm-Kanal ange­fan­gen, hat sie eine gan­ze Rei­he von Titeln geholt, dar­un­ter vie­le Junio­ren-Titel, 2018 WM-Sil­ber, 2019 Euro­pa­meis­te­rin, 2020 EM-Sil­ber und zuletzt Teil­nah­me bei den Olym­pi­schen Spie­len im Dop­pel­vie­rer der Damen. Es war ihr ers­ter Olym­pia-Auf­tritt. Über eine lan­ge Stre­cke im fina­len Ren­nen galt „Sil­ber“ als sicher. „Wir haben ja alle im Boot gese­hen, wir lie­gen vor dem Bron­ze-Rang und wir den­ken, ‚so, jetzt nichts anders machen, nicht nach­den­ken, wir haben eine gute Tak­tik, ein­fach so wei­ter­fah­ren, bis ins Ziel‘“, erzählt die Stu­den­tin. Es kam lei­der anders. Eine Team­kol­le­gin hat­te einen Krebs gefan­gen, ein Fahr­feh­ler, der das Team aus dem Rhyth­mus und der Mann­schaft schließ­lich den 5. Platz brach­te. „Das war Pech, das hät­te jeder pas­sie­ren kön­nen. Da macht man sich gegen­sei­tig kei­ne Vor­wür­fe“, nimmt die Sport­le­rin die Kol­le­gin in Schutz. Eine Ent­täu­schung war es trotz­dem : „Da ist so eine Lee­re im Kopf, man weiß gar nicht, was man sagen soll. Für den Bruch­teil einer Sekun­de habe ich noch gedacht, ich wer­de es noch­mal ver­su­chen, ich wer­de wei­ter­ma­chen.“ Dem ist aber nicht so. Für Fran­zis­ka Kamp­mann steht fest, bei den Olym­pi­schen Som­mer­spie­len in Paris 2024 wird sie nicht mehr dabei sein.

Trainingslauf in Tokio
Fran­zis­ka Kamp­mann und ihre Team­kol­le­gin­nen Frie­da Häm­mer­ling, Car­lot­ta Nwa­ji­de und Danie­la Schult­ze bei einem Trai­nings­lauf in Tokio.

Sport­li­che Erfol­ge fei­ern, fer­ne Län­der berei­sen, tol­le Men­schen ken­nen­ler­nen – das alles ist groß­ar­tig, aber die Medail­le hat eine Kehr­sei­te. Anders als bei­spiels­wei­se im Pro­fi­fuß­ball kann die Rude­rin von ihrem Sport nicht leben. Daher war es ihr ganz wich­tig, eine soli­de Aus­bil­dung zu machen. Sie stu­diert Agrar­wirt­schaft an der Fach­hoch­schu­le Süd­west­fa­len in Soest, möch­te im Früh­jahr ihren Bache­lor machen und anschlie­ßend den Hof der Eltern in Wal­trop mit 50 Milch­kü­hen über­neh­men. Pro­fi­sport und Stu­di­um – wie ist das zu schaf­fen ? „In den ers­ten bei­den Semes­tern konn­te ich noch vie­le Vor­le­sun­gen in Prä­senz mit­hö­ren. Da war ich eher noch im klei­ne­ren sport­li­chen Bereich unter­wegs“, sagt sie beschei­den. Tat­säch­lich hat­te sie aber vor Vor­le­sungs­be­ginn bereits eine Trai­nings­ein­heit im Leis­tungs­zen­trum in Dort­mund absol­viert, nach­mit­tags gleich die nächs­ten. Lern­grup­pen, Knei­pen­tou­ren, Par­tys – das stu­den­ti­sche Leben abseits des Hör­saals hat sie wei­test­ge­hend ver­passt. Bis zu 12 Ein­hei­ten trai­niert sie jede Woche, das sind ca. 20 Stun­den. Vor Wett­kämp­fen ist die Vor­be­rei­tung noch inten­si­ver. 45 von 52 Wochen im Jahr ist sie unter­wegs, in Trai­nings­la­gern oder zu Wett­kämp­fen. Stu­die­ren in Voll­zeit geht da nicht mehr. Das klappt nur mit sehr kol­le­gia­len Kommiliton*innen, die ihr mal eine Mit­schrift zur Ver­fü­gung stel­len und über­aus koope­ra­ti­ven Professor*innen, „der Wahn­sinn“, sagt sie dank­bar. Fran­zis­ka Kamp­mann hat die­se Stra­pa­zen für eine Wei­le ger­ne auf sich genom­men, aber jetzt freut sie sich sehr auf das „ganz nor­ma­le Bau­ern­hof­le­ben“, Kühe mel­ken, bei der Heu­ern­te hel­fen und alles, was dazugehört.

Was bleibt, sind nicht nur die Medail­len, son­dern vie­le wert­vol­le Erfah­run­gen : „Ich habe Rudern immer als Hob­by ange­se­hen. Das macht mir Spaß und es läuft ja auch gut. Vie­le Sportler*innen träu­men schon von klein auf davon, ein­mal bei Olym­pia dabei zu sein. Das war bei mir nicht so. Für mich waren die­se gro­ßen Wett­kämp­fe eigent­lich immer ein Bonus. Des­halb habe ich auch nie so gro­ßen Druck emp­fun­den. Es geht nicht um Men­schen­le­ben, es ist nur Rudern.“ Vor Prü­fun­gen habe sie „mehr Schiss“ gehabt, als vor Olym­pia, gesteht sie. Aber im Sport hat sie gelernt : „Von nichts kommt nichts ! Wenn ich mei­ne Trai­nings­ein­hei­ten nicht ver­nünf­tig absol­vie­re, kann ich die Leis­tung im Wett­kampf nicht brin­gen. Sich die Zeit ein­zu­tei­len, die Dead­line im Blick zu haben und auf den Punkt fit zu sein, das lernt man schon zu Beginn beim Rudern. Das hat mir auch bei der Vor­be­rei­tung für die Klau­su­ren enorm geholfen.“

So ganz will sie die Ruder nicht an den Nagel hän­gen. Die 24-Jäh­ri­ge hat drei eben­falls ruder­be­geis­ter­te Schwes­tern. Im Team wol­len sie in die­sem Jahr auf Lan­des­ebe­ne noch eini­ge Wett­kämp­fe bestrei­ten. Ihr Stu­di­um wird sie ver­mut­lich nicht in Regel­stu­di­en­zeit schaf­fen, aber damit kann sie sich jetzt ganz gut abfin­den. Fran­zis­ka Kamp­mann hat eine plau­si­ble Aus­re­de – ihr ist Olym­pia dazwischengekommen.

Quel­le : Fach­hoch­schu­le Südwestfalen

 

Print Friendly, PDF & Email