Rückmeldefahrten für Seniorinnen und Senioren

Hilfreiches Instrument zum Kompetenzerhalt
  • Frei­wil­li­ge Ange­bo­te vor ein­schnei­den­de­ren Maßnahmen

  • Akzep­tanz und Metho­dik sind Schlüs­sel­fak­to­ren für den Erfolg

  • Über 75 Jah­ren soll­ten regel­mä­ßi­ge Rück­mel­de­fahr­ten ver­pflich­tend sein

win­ter­berg-total­lo­kal : Man­che Situa­tio­nen stel­len für die meis­ten jun­gen Men­schen kein Pro­blem dar, sind aber für vie­le Älte­re auf­grund alters­be­ding­ter kör­per­li­cher und psy­chi­scher Ver­än­de­run­gen schwie­ri­ger zu bewäl­ti­gen. Sol­che Situa­tio­nen gibt es gera­de auch im Stra­ßen­ver­kehr – etwa den Fahr­strei­fen­wech­sel beim Über­ho­len, schwer zu über­bli­cken­de Kreu­zungs­si­tua­tio­nen oder Abbie­ge- und Wen­de­ma­nö­ver. Älte­re Kraft­fah­rer soll­ten des­halb beim Erhalt ihrer Fahr­kom­pe­ten­zen und bei der Bewäl­ti­gung kom­ple­xer Ver­kehrs­si­tua­tio­nen unter­stützt wer­den. Ein Mit­tel zur Ver­bes­se­rung einer rea­lis­ti­schen Selbst­ein­schät­zung kann zum Bei­spiel eine qua­li­fi­zier­te Rück­mel­de­fahrt sein. „Die­se soll dabei nicht in ers­ter Linie das etwa­ige Ein­stel­len des Fah­rens zum Ziel haben, son­dern Mög­lich­kei­ten zum Erhalt einer siche­ren Mobi­li­tät auf­zei­gen“, sagt Dr. Tho­mas Wag­ner, Fach­be­reichs­lei­ter der amt­lich aner­kann­ten Begut­ach­tungs­stel­len für Fahr­eig­nung (BfF) bei DEKRA. Er plä­diert dafür, dass sol­che Rück­mel­de­fahr­ten für Senio­rin­nen und Senio­ren im höhe­ren Alter ver­pflich­tend sein sollten.

Seit 20 Jah­ren steigt die Zahl von Ver­kehrs­un­fäl­len, die von über 65-Jäh­ri­gen ver­ur­sacht wer­den, ste­tig an. Auf der ande­ren Sei­te steht der Wunsch nach Erhalt der Fahr­erlaub­nis zur Siche­rung von Selbst­stän­dig­keit, Teil­nah­me am sozia­len Leben und Lebens­qua­li­tät. Die­ses Span­nungs­feld stellt Poli­tik und Sicher­heits­exper­ten vor ein Dilem­ma : Die Mobi­li­tät älte­rer Fah­rer soll mög­lichst lan­ge erhal­ten und geför­dert wer­den. Gleich­zei­tig gilt das Prin­zip staat­li­cher Schutz­pflich­ten, die Ver­kehrs­ge­mein­schaft ver­meid­ba­ren Risi­ken nicht unnö­tig auszusetzen.

„Dreh- und Angel­punkt für wirk­sa­me Ver­kehrs­si­cher­heits­maß­nah­men ist die zuver­läs­si­ge Iden­ti­fi­ka­ti­on sol­cher Kraft­fah­rer, von denen ein beson­ders hohes Gefähr­dungs­po­ten­zi­al für alle Ver­kehrs­teil­neh­mer aus­geht“, erklärt DEKRA Exper­te Dr. Wag­ner. Ein metho­di­scher Zugang zur Risi­ko­ab­schät­zung besteht sei­ner Ansicht nach in der Ana­ly­se typi­scher Fahr­feh­ler und Unfall­ur­sa­chen, aber auch alters­ty­pi­scher Ent­wick­lun­gen und Ver­än­de­run­gen im Gesundheitszustand.

In Euro­pa gibt es nach Ertei­lung einer Fahr­erlaub­nis weder ein­heit­li­che Rege­lun­gen für ärzt­li­che Unter­su­chun­gen noch gar für zeit­li­che Abstän­de dazwi­schen. In Deutsch­land, Öster­reich, Bel­gi­en, Frank­reich und Polen zum Bei­spiel ist die Fahr­erlaub­nis ohne kalen­da­ri­sche Alters­be­gren­zung des Fah­rers für eine bestimm­te Zeit­dau­er gül­tig. In Deutsch­land ist der Füh­rer­schein für alle Besit­zer einer nach dem 19. Janu­ar 2013 erteil­ten Fahr­erlaub­nis maxi­mal 15 Jah­re gül­tig. Die Ver­län­ge­rung bzw. Wie­der­ertei­lung ist aber nicht an ärzt­li­che Unter­su­chun­gen oder der­glei­chen gebun­den. Dage­gen hängt in vie­len ande­ren Staa­ten die Ver­län­ge­rung der Fahr­erlaub­nis vom Ergeb­nis einer ärzt­li­chen Unter­su­chung beim Errei­chen einer defi­nier­ten kalen­da­ri­schen Alters­gren­ze ab. So zum Bei­spiel in Ita­li­en ab 50 Jah­ren, in Por­tu­gal, der Tsche­chi­schen Repu­blik und Luxem­burg ab 60 Jah­ren, in Grie­chen­land und der Slo­wa­kei ab 65 Jah­ren, in Däne­mark und Finn­land ab 70 Jah­ren und in den Nie­der­lan­den ab 75 Jah­ren. Dar­über hin­aus gibt es Län­der, in denen die Ver­län­ge­rung der Fahr­erlaub­nis in peri­odi­schen Abstän­den erfolgt, zum Bei­spiel alle zehn Jah­re. Mit stei­gen­dem kalen­da­ri­schem Alter ver­rin­gert sich der Tur­nus der Erneue­rung der Fahr­erlaub­nis, der direkt an ärzt­li­che Unter­su­chun­gen gekop­pelt ist : zum Bei­spiel ab 40 Jah­re (Ungarn), 60 Jah­re (Litau­en), 65 Jah­re (Est­land, Spanien).

Rück­mel­de­fahrt als Bei­trag zum Kompetenzerhalt

In der Regel kann der größ­te Teil der Älte­ren die alters­be­ding­ten sen­so­ri­schen, kogni­ti­ven und moto­ri­schen Defi­zi­te durch Fahr­er­fah­rung und defen­si­ven Fahr­stil kom­pen­sie­ren. Aller­dings deu­tet sich an, dass ein stän­dig anwach­sen­des Dun­kel­feld mit poten­zi­ell gemin­dert oder nicht mehr leis­tungs­fä­hi­gen älte­ren Kraft­fah­rern nach stan­dar­di­sier­ten und fai­ren sowie gleich­zei­tig ver­hält­nis­mä­ßi­gen und trans­pa­ren­ten Lösun­gen ver­langt. Eine sol­che Lösung könn­ten qua­li­fi­zier­te Rück­mel­de­fahr­ten sein. „Dies wür­de Ange­hö­ri­ge bei der Anspra­che von Zwei­feln an der Fahr­taug­lich­keit des betref­fen­den Fami­li­en­mit­glieds ent­las­ten, zugleich könn­ten die Senio­ren Maß­nah­men zum Kom­pe­tenz­er­halt ergrei­fen“, betont Dr. Tho­mas Wagner.

Die Rück­mel­de­fahrt als frei­wil­li­ges Instru­ment zur Ver­bes­se­rung der Selbst­ein­schät­zung des Kraft­fah­rers besteht zum einen aus einem Daten­er­he­bungs­teil, bei dem es dar­um geht, im Zuge einer Beob­ach­tung des Fahr­ver­hal­tens Fahr­feh­ler nach ein­heit­li­chen Kate­go­rien zu erhe­ben und aus­zu­wer­ten. Im zwei­ten Schritt wer­den die Ergeb­nis­se dem Kraft­fah­rer erläu­tert und mit Vor­schlä­gen und Hin­wei­sen ver­knüpft, die der Ver­bes­se­rung und dem Erhalt der Fahr­kom­pe­tenz dienen.

Als Part­ner mit einem flä­chen­de­cken­den Ange­bot schei­nen in Deutsch­land Tech­ni­sche Prüf­stel­len und Begut­ach­tungs­stel­len für Fahr­eig­nung, die den Grund­sät­zen von Neu­tra­li­tät, Unab­hän­gig­keit sowie Unpar­tei­lich­keit ver­pflich­tet sind und über ein zer­ti­fi­zier­tes Qua­li­täts­ma­nage­ment-Sys­tem ver­fü­gen, für sol­che Auf­ga­ben prä­de­sti­niert. Als Fahr­be­glei­ter kämen daher ent­we­der Ver­kehrs­psy­cho­lo­gen oder amt­lich aner­kann­te Sach­ver­stän­di­ge oder Prü­fer in Betracht. Dane­ben könn­ten Fahr­leh­re­rin­nen und Fahr­leh­rer in Fort­schrei­bung der bis­he­ri­gen Rege­lungs­ar­chi­tek­tur ver­kehrspäd­ago­gi­sche Auf­ga­ben über­neh­men, etwa die Vor­be­rei­tung auf eine Rück­mel­de­fahrt oder eine ver­kehrspäd­ago­gi­sche Nach­schu­lung in Theo­rie und / oder Praxis.

Die Fahr­be­gleit­per­son klärt den Seni­or oder die Senio­rin über Stär­ken und Schwä­chen auf und gibt Hin­wei­se zur Ver­bes­se­rung des Fahr­ver­hal­tens. Bei Fäl­len mit Gefähr­dungs­po­ten­zi­al, etwa bei einer Feh­ler­häu­fung, wie­der­holt grob ver­kehrs­wid­ri­gem Fahr­ver­hal­ten oder offen­sicht­li­chen, wie­der­holt beob­ach­te­ten Schwie­rig­kei­ten bei „alters­kri­ti­schen“ Fahr­ma­nö­vern – zum Bei­spiel Abbie­gen, Rück­wärts­fah­ren, Wen­den, Ein- und Aus­fah­ren, Min­dest­ab­stand sowie Ver­hal­ten an Kno­ten­punk­ten und im Zusam­men­hang mit Vor­rang­re­ge­lun­gen – wäre eine wei­ter­füh­ren­de Abklä­rung der Ursa­chen für die­se Auf­fäl­lig­kei­ten ange­zeigt. Die­se Auf­ga­be könn­ten ver­kehrs­psy­cho­lo­gi­sche und / oder ver­kehrs­me­di­zi­ni­sche Sach­ver­stän­di­ge in den Begut­ach­tungs­stel­len für Fahr­eig­nung über­neh­men. „Die Indi­ka­ti­on für wei­ter­füh­ren­de Unter­su­chun­gen muss an ein­heit­li­chen, ver­hält­nis­mä­ßi­gen, ein­deu­tig beob­acht­ba­ren und quan­ti­fi­zier­ba­ren Auf­fäl­lig­kei­ten fest­ge­macht wer­den“, sagt Dr. Tho­mas Wag­ner. Denn nur so sei­en Trans­pa­renz, Gleich­be­hand­lung, Fair­ness und damit auch die Akzep­tanz die­ses Ver­kehrs­si­cher­heits-Instru­ments gewährleistet.

Alters­ab­hän­gi­ge obli­ga­to­ri­sche Überprüfung

Was aber tun, wenn die Unfall­zah­len unter den älte­ren Fah­re­rin­nen und Fah­rern wei­ter ste­tig stei­gen und sich abzeich­net, dass anlass­be­zo­ge­ne Unter­su­chun­gen und frei­wil­li­ge Rück­mel­de­fahr­ten die­sen Trend nicht auf­hal­ten kön­nen ? Wenn Eigen­ver­ant­wor­tung sozu­sa­gen ver­wei­gert wird ? „Dann soll­te die Balan­ce zwi­schen Eigen­ver­ant­wor­tung und staat­li­cher Regu­la­ti­on neu über­dacht wer­den“, for­dert der Exper­te von DEKRA. Dabei erschei­ne es durch­aus gebo­ten, grund­sätz­lich eine alters­ab­hän­gi­ge obli­ga­to­ri­sche Über­prü­fung ab 75 Jah­ren vor­zu­se­hen. „Wenn zuvor frei­wil­li­ge Rück­mel­de­fahr­ten in Anspruch genom­men wur­den, könn­te der Ter­min zur Pflicht­über­prü­fung nach einem Bonus­sys­tem schritt­wei­se und maxi­mal um bis zu fünf Jah­re nach hin­ten ver­la­gert werden.“

Die­se Ver­knüp­fung mit frei­wil­li­gen Maß­nah­men vor dem Ein­tritts­al­ter zur Pflicht­un­ter­su­chung wäre ein Anreiz dafür, die frei­wil­li­gen Ange­bo­te in Anspruch zu neh­men. Hier könn­ten auch Trai­nings­pro­gram­me zur Ver­bes­se­rung der Fahr­kom­pe­tenz Älte­rer berück­sich­tigt wer­den, dar­un­ter Fahr­si­cher­heits­trai­nings zur ver­bes­ser­ten Bewäl­ti­gung von Gefah­ren­si­tua­tio­nen oder auch Infor­ma­ti­ons- und Beratungsangebote.

Hin­ter­grün­de zum The­ma – eben­so wie vie­le wei­te­re Infor­ma­tio­nen zur Ver­kehrs­si­cher­heit von älte­ren Men­schen – lie­fert der kürz­lich erschie­ne­ne DEKRA Ver­kehrs­si­cher­heits­re­port 2021 „Mobi­li­tät im Alter“. Er steht unter www​.dekra​-road​sa​fe​ty​.com zur Verfügung.

Über DEKRA 

Seit fast 100 Jah­ren arbei­tet DEKRA für die Sicher­heit : Aus dem 1925 in Ber­lin gegrün­de­ten Deut­schen Kraft­fahr­zeug-Über­wa­chungs-Ver­ein e.V. ist eine der welt­weit füh­ren­den Exper­ten­or­ga­ni­sa­tio­nen gewor­den. Die DEKRA SE ist eine hun­dert­pro­zen­ti­ge Toch­ter­ge­sell­schaft des DEKRA e.V. und steu­ert das ope­ra­ti­ve Geschäft des Kon­zerns. Im Jahr 2020 hat DEKRA einen Umsatz von nahe­zu 3,2 Mil­li­ar­den Euro erzielt. Rund 44.000 Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­ter sind in rund 60 Län­dern auf allen fünf Kon­ti­nen­ten im Ein­satz. Mit qua­li­fi­zier­ten und unab­hän­gi­gen Exper­ten­dienst­leis­tun­gen arbei­ten sie für die Sicher­heit im Ver­kehr, bei der Arbeit und zu Hau­se. Das Port­fo­lio reicht von Fahr­zeug­prü­fun­gen und Gut­ach­ten über Scha­den­re­gu­lie­rung, Indus­trie- und Bau­prü­fung, Sicher­heits­be­ra­tung sowie die Prü­fung und Zer­ti­fi­zie­rung von Pro­duk­ten und Sys­te­men bis zu Schu­lungs­an­ge­bo­ten und Zeit­ar­beit. Die Visi­on bis zum 100. Geburts­tag im Jahr 2025 lau­tet : DEKRA wird der glo­ba­le Part­ner für eine siche­re und nach­hal­ti­ge Welt. DEKRA gehört schon heu­te mit dem Pla­ti­num-Rating von Eco­Va­dis zu den Top-1-Pro­zent der nach­hal­ti­gen Unter­neh­men im Ranking.

Foto­credits : DEKRA e. V. Stuttgart

Quel­le : DEKRA e. V. Stuttgar

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