Stichwort der Woche : Komplexer Irrsinn

Stichwort der Woche, von Norbert Schnellen…

win­ter­berg-total­lo­kal : Von Tei­len der Poli­tik, der Büro­kra­tie und in den Medi­en hört man immer wie­der den Satz, dass Sach­zu­sam­men­hän­ge zu „kom­plex“ sind, um sie in weni­gen Wor­ten all­ge­mein­ver­ständ­lich zu erklä­ren. Auf gut Deutsch heißt das : „Ihr seid ein­fach zu blöd, Din­ge zu kapie­ren, die wir selbst kaum ver­ste­hen!“ Mit dem Ergeb­nis, dass vie­le Abläu­fe dadurch immer intrans­pa­ren­ter wer­den und die Poli­tik­ver­dros­sen­heit gro­ßer Tei­le der Bevöl­ke­rung zuneh­mend grö­ßer wird. Das Ergeb­nis sind Wahl­er­fol­ge von Popu­lis­ten, die es schaf­fen sehr ein­fa­che Lösun­gen für ver­ein­facht dar­ge­stell­te Pro­ble­me zu bie­ten. Sind dar­an jetzt die Wäh­ler, also das soge­nann­te Stimm­vieh, schuld ? Wohl kaum, denn in einer Demo­kra­tie haben die Wäh­ler Anspruch auf eine größt­mög­li­che Trans­pa­renz der poli­ti­schen Hand­lungs­ab­läu­fe und der Ent­ste­hung und Anwen­dung von gesetz­li­chen Vor­ga­ben, die sie betref­fen. Zwar sag­te schon Franz-Josef Strauß, dass es in der Poli­tik und bei der Wurst gut sei, dass die Leu­te nicht wis­sen wie sie gemacht wird, aber wenn das Gan­ze der Mas­se nicht mehr schmeckt, schwin­det das Ver­trau­en in Poli­ti­ker und Wursthersteller.

In Deutsch­land, wie übri­gens auch in vie­len ande­ren Län­dern, hat die­se Kom­ple­xi­tät dazu geführt, dass in allen Par­la­men­ten fast aus­schließ­lich Berufs­po­li­ti­ker als „Volks­ver­tre­ter“ fun­gie­ren. Kei­ner, ohne ein Stu­di­um der Poli­to­lo­gie, Sozio­lo­gie oder wenigs­tens der Rechts­wis­sen­schaf­ten ist noch in der Lage am poli­ti­schen Gesche­hen teil­zu­neh­men. Doch auch die Berufs­po­li­ti­ker in den Regie­run­gen benö­ti­gen den Sach­ver­stand ihrer jewei­li­gen Behör­den und müs­sen sich zudem noch den Rat von exter­nen Bera­ter­fir­men (für Mil­li­ar­den von Steu­er­gel­dern) ein­ho­len. Dadurch wird wie­der­um einem unvor­stell­ba­ren Lob­by­is­mus Tor und Tür geöff­net, sodass in der Ver­gan­gen­heit die betrof­fe­nen Wirt­schafts­ver­bän­de über Bera­ter­fir­men kom­plet­te, kom­ple­xe Geset­zes­tex­te for­mu­liert haben. Wer bleibt bei der gan­zen Sache auf der Stre­cke ? Die „klei­nen“ Selbst­stän­di­gen und der ganz nor­ma­le Bür­ger ! Der Kampf mit der über­bor­den­den Büro­kra­tie kos­tet Kraft und Ner­ven und führt, oft wegen Form­feh­lern, zu Straf­zah­lun­gen, die schlimms­ten­falls die Exis­tenz kos­ten kön­nen. Kein Wun­der, dass vie­le Unter­neh­men kei­nen Nach­fol­ger fin­den und der Trend zur Selbst­stän­dig­keit in die­sem Land lang­sam gegen Null geht.

Die Büro­kra­tie in den Indus­trie­län­dern ist zudem eine der Haupt­ur­sa­chen für die zuneh­men­de Ungleich­heit. Gro­ße Kon­zer­ne und die Super­rei­chen kön­nen sich pro­mi­nen­te Anwalts­kanz­lei­en leis­ten, um Schlupf­lö­cher in Geset­zen, die die­se zum Teil sel­ber for­mu­liert haben, zu fin­den. So wer­den die Rei­chen immer rei­cher und das zu Las­ten der gro­ßen Mehr­heit, die immer stär­ker zur Kas­se gebe­ten wird. Ein typi­sches Bei­spiel sind die soge­nann­ten Cum-Ex-Geschäf­te, bei wel­chen die Betrü­ger nicht nur Steu­ern hin­ter­zo­gen haben, son­dern die hart erar­bei­te­ten Steu­er­gel­der der Bür­ger in Mil­li­ar­den­hö­he ein­fach geklaut haben. Wenn es nicht gelingt, die aus­ufern­de Büro­kra­tie ein­zu­däm­men, jede poli­ti­sche Ent­schei­dung trans­pa­rent zu machen und den Weg in die Par­la­men­te auch wie­der für „nor­ma­le Bür­ger“ frei­zu­ma­chen, wird es die west­li­chen Demo­kra­tien schon in ein paar Jah­ren nicht mehr geben.

 

Ihr Nor­bert Schnellen

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