Stichwort der Woche : Grünes Wirtschaftswunder ?

Stichwort der Woche, von Norbert Schnellen…

win­ter­berg-total­lo­kal : Wie funk­tio­niert „Grü­nes Wachs­tum“? Wenn man den Pro­pa­gan­dis­ten die­ser neu­en Wirt­schafts­leh­re Glau­ben schenkt ist das alles ganz ein­fach : Man ersetzt die fos­si­len Ener­gie­trä­ger durch rege­ne­ra­ti­ve Antrie­be und schon leben wir wie­der im vol­len Ein­klang mit der Natur. Wir kön­nen unser kon­sum­ori­en­tier­tes Leben so wei­ter­füh­ren wie bis­her, bei stän­dig stei­gen­der Wirt­schafts­leis­tung, ohne unse­ren geschun­de­nen Pla­ne­ten wei­ter zu belas­ten. Kein Wun­der, dass selbst Hard­core-Kapi­ta­lis­ten die­sen Weg mit­ge­hen, denn „Green Growth“ ist für sie das Per­pe­tu­um Mobi­le, wel­ches unend­li­ches Wirt­schafts­wachs­tum für alle Ewig­keit garan­tiert. Wer dar­an glaubt hat sei­ne Intel­li­genz, ver­mut­lich durch per­ma­nen­te Wer­be­be­rie­se­lung, schon auf einen prä­hu­ma­nen Stand redu­ziert. Fakt ist, wenn wir das Fort­be­stehen der mensch­li­chen Zivi­li­sa­ti­on errei­chen wol­len, müs­sen wir uns lang­sam von der kapi­ta­lis­ti­schen Wachs­tums­theo­rie verabschieden.

Schon seit Jahr­zehn­ten arbei­ten Wis­sen­schaft­ler und Inge­nieu­re mit gro­ßem Erfolg dar­an, die Ener­gie­ef­fi­zi­enz tech­ni­scher Gerä­te und Anla­gen zu opti­mie­ren. Trotz­dem ist der Aus­stoß kli­ma­schäd­li­cher Gase eher noch gestie­gen. Grund dafür ist der soge­nann­te Rebound Effekt. Das durch die Ein­spa­rung frei­wer­den­de Geld wird näm­lich für ande­re Kon­sum­gü­ter aus­ge­ge­ben. Bei­spiel : Wer durch ein spar­sa­me­res Auto Geld ein­spart, gibt die­ses dann viel­leicht für eine Flug­rei­se aus. Kein ver­nünf­ti­ger Mensch käme ja auf die Idee, die­ses Geld zu ver­gra­ben. Wenn die west­li­chen Indus­trie­na­tio­nen jedoch die Zie­le des Pari­ser Kli­ma­schutz­ab­kom­mens ein­hal­ten wol­len, müs­sen sie sich vom Dog­ma eines per­ma­nen­ten Wachs­tums ver­ab­schie­den. Das wür­de jedoch auto­ma­tisch auch das Ende des der­zeit herr­schen­den kapi­ta­lis­ti­schen Sys­tems bedeu­ten. Was käme danach, ein Staats­so­zia­lis­mus wie im ehe­ma­li­gen Ost­block ? Wohl kaum, denn auch der war wachstumsorientiert.

Der ers­te Schritt zu einem neu­en Gesell­schafts­sys­tem wäre eine „Ent­öko­no­mi­sie­rung“. Eine Gesell­schaft, in der jedes neu­ge­bo­re­ne Kind schon als Wirt­schafts­fak­tor zählt, jeder alte Mensch als Kos­ten­fak­tor und in der sich die Men­schen nur über ihren beruf­li­chen Erfolg und Kon­sum defi­nie­ren, ist sicher nicht lebens­wert und auf Dau­er auch nicht über­le­bens­fä­hig. Allein von daher ist unser jet­zi­ges Sys­tem zum Schei­tern ver­ur­teilt. Durch die Dra­ma­tik der sich anbah­nen­den Kli­ma­ka­ta­stro­phe erhöht sich der Druck zum Sys­tem­wech­sel. Die zuneh­men­de Digi­ta­li­sie­rung der Indus­trie bedeu­tet ja wie­der neu­es Wachs­tum, wel­ches die Umwelt wei­ter belas­tet und zudem noch zu sozia­len Ver­wer­fun­gen führt. Lei­der gibt es kei­ne Patent­lö­sung für ein mensch­li­che­res und öko­lo­gisch ver­tret­ba­res Gesell­schafts­sys­tem, aber, um es mit einem Zitat des bri­ti­schen Jour­na­lis­ten und Umwelt­ak­ti­vis­ten Geor­ge Mon­bi­ot auf den Punkt zu brin­gen : „ Wir haben die Wahl, been­den wir das Leben, damit der Kapi­ta­lis­mus fort­be­stehen kann – oder been­den wir den Kapi­ta­lis­mus, damit das Leben fort­be­stehen kann?“

 

Ihr Nor­bert Schnellen

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