Stichwort der Woche : Keine Angst vorm Abschwung

 

Winterberg-Totallokal:Stichwort der Woche, von Norbert Schnellen

win­ter­berg-total­lo­kal : Das ist ja furcht­bar, die deut­sche Wirt­schaft wird in die­sem Jahr viel weni­ger wach­sen als bis­her ange­nom­men. Aber nicht nur in Deutsch­land ver­rin­gert sich das Wirt­schafts­wachs­tum, fast über­all auf der Welt scheint sich die wirt­schaft­li­che Ent­wick­lung abzu­schwä­chen. Sogar die Chi­ne­sen müs­sen sich mit einem Wachs­tum von knapp über sechs Pro­zent zufrie­den­ge­ben. Die  Kas­san­dra­ru­fe über eine welt­wei­te Rezes­si­on wer­den immer lau­ter. Dabei war das Gan­ze doch schon lan­ge abzu­se­hen. Wenn wir uns die­se Welt mal ernst­haft betrach­ten, ist die­ser Wachs­tums­rück­gang denn wirk­lich so nega­tiv und bie­tet er nicht sogar Chan­cen für eine bes­se­re Zukunft ? Unse­re Auf­fas­sung von Wirt­schaft basiert auf Ideen, die sich längst über­holt haben. Trotz­dem hal­ten die Öko­no­men dog­ma­tisch an Lehr­mei­nun­gen fest, die sich weder an öko­lo­gi­sche, noch an gesell­schaft­li­che und sozia­le Ver­än­de­run­gen ange­passt haben.

Unse­re Wachs­tums­gläu­big­keit stammt aus Zei­ten, in denen die Mehr­heit der Men­schen in die­sem Land nicht satt zu essen hat­te. Das Wachs­tum sorg­te für Arbeits­plät­ze, wo die Men­schen Geld ver­die­nen konn­ten, wel­ches sie dann wie­der in Kon­sum­gü­ter inves­tier­ten, die dann wie­der­um für neue Arbeits­plät­ze sorg­ten. Bald schon kam der Punkt, wo nicht nur die Bin­nen­nach­fra­ge die Wirt­schaft ankur­bel­te, son­dern wo „Made in Ger­ma­ny“ welt­weit nach­ge­fragt wur­de. Wir waren, ein paar Jah­re nach dem zwei­ten Welt­krieg und nach dem Leid, wel­ches wir Deut­schen über die Welt gebracht hat­ten, wie­der Teil des glo­ba­len Welt­han­dels und boten der Welt jetzt ein völ­lig ande­res Bild von uns. Das Wirt­schafts­wun­der gab uns ein neu­es Selbst­be­wusst­sein, wir waren wie­der wer, was durch die dama­li­ge Fress­wel­le auch unüber­seh­bar war. Bald hat­ten wir genug Devi­sen um unse­re euro­päi­schen Nach­barn zu besu­chen, jetzt im Käfer und nicht mehr im Pan­zer, und im Kopie­ren des „Ame­ri­can Way of Life“, also eines unbe­grenz­ten Kon­sums,  waren wir die Mus­ter­schü­ler. In den 70er Jah­ren erwisch­te uns dann die ers­te gro­ße Rezes­si­on. Es gab Arbeits­lo­se und der Staat mach­te Schul­den um mit öffent­li­chen Pro­gram­men wie­der zu einer Voll­be­schäf­ti­gung zu kom­men. Bekannt­lich klapp­te das nicht so ganz und Ende der 80er Jah­re, als man auch schon die öko­lo­gi­schen Aus­wir­kun­gen des Wachs­tum erken­nen konn­te, fing auch man­cher Öko­nom an, über die Sinn­haf­tig­keit der Wachs­tums­theo­rie nach­zu­den­ken. Dann kam die Wie­der­ver­ei­ni­gung mit rie­si­gen Inves­ti­tio­nen, natür­lich auf Schul­den­ba­sis, und der Wachs­tums­hype ging wei­ter. Nach der Ein­füh­rung des Euro wur­de wei­te­res Wachs­tum auf Schul­den erkauft. Wir expor­tier­ten wei­ter wie die Welt­meis­ter, ohne aller­dings zu mer­ken, dass unse­re euro­päi­schen Nach­barn unse­re Waren mit Schul­den bezahl­ten, für die wir selbst nun gera­de ste­hen muss­ten. Ich glau­be, dass jetzt der rich­ti­ge Zeit­punkt gekom­men ist, sich von die­ser unsin­ni­gen Wachs­tums­theo­rie zu ver­ab­schie­den und end­lich auf ein umwelt- und sozi­al­ver­träg­li­ches Wirt­schafts­sys­tem umzusteuern.

Ihr Nor­bert Schnellen

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