Winterberg-Totallokal : Stichwort der Woche, von Norbert Schnellen…
winterberg-totallokal : Es gibt kaum eine Entwicklung in unserer Gesellschaft, die so unkritisch gesehen wird wie die Digitalisierung. Politiker und Medien übertrumpfen sich gegenseitig mit Lobeshymnen auf die schöne neue Digitalwelt. Quer durch die gesamte Gesellschaft ertönt der Wunsch die Digitalisierung schneller voranzutreiben. Man sieht Frau Merkel wie sie irgendwelchen Robotermännchen artig die Hand gibt und mit ihnen spricht, Herr Scheuer redet von der Entwicklung von „Laptop und Lederhosen“ hin zu „Tablet und Trachtenjanker“ und Herr Altmaier hofft darauf, dass ihm demnächst sein Roboter das Bier aus der Küche holt. „Schöne neue Welt“ und nach dem Motto „Digitalisierung first, Bedenken second“ gilt eine etwas kritischere Einstellung gegenüber dem digitalen Fortschritt schon als eine Art Gotteslästerung. Gut, ein paar Ewiggestrige wagen es mal leise darauf hinzuweisen, dass diese Entwicklung Arbeitsplätze kostet und eventuell zu einer stärkeren Überwachung führt, aber mit solchen Bedenken kann man sich doch nicht dem Fortschritt in den Weg stellen.
Natürlich sind das Internet und die Digitalisierung im Prinzip eine recht gute Sache. Menschen können sich weltweit vernetzen und, bis auf einige Diktaturen, wie zum Beispiel in China und Russland, ermöglicht das Internet einen weltweiten Wissenstransfer. Richtig eingesetzt könnte die digitale Verflechtung unnötige Flüge und Fahrten verhindern und so den Co2 Ausstoß senken. Fakt ist jedoch, dass alle derzeitigen Aktivitäten im digitalen Bereich inzwischen einen Stromverbrauch verursachen, der direkt hinter dem immens hohen Verbrauch der gesamten USA liegt. Wenn dieser Stromhunger weiter ansteigt, reichen die dafür geeigneten Flächen auf diesem Planeten nicht aus, um ihn durch regenerative Energien zu befriedigen. Außerdem hat die weltweite Vernetzung durch das Internet nicht zu einem Rückgang der Mobilität geführt, sondern sorgt im Gegenteil dafür, dass immer mehr gereist wird und immer mehr Waren rund um den Erdball gejagt werden. Auch jedes süße Katzenvideo, jeder Hasskommentar, jeder schwachsinnige Influenzer, vor allen Dingen aber Finanztransaktionen und Kryptowährungen benötigen jede Menge, meist fossiler, Brennstoffe.
Das größte Problem ist jedoch die Kontrolle der Daten. Unsere gewählten Politiker haben die Hoheit darüber ein paar US-amerikanischen Konzernen überlassen. Diese kontrollieren inzwischen unser gesamtes öffentliches und privates Leben. Damit hat sich die Digitalisierung inzwischen zur größten Bedrohung der Demokratie entwickelt. Ein Land allein ist in der globalisierten Welt nicht mehr in der Lage die Kontrolle über die Daten von den Internetkonzernen zurückzuerobern. Allein die EU könnte genügend politisches Gewicht aufbringen um mit den „furchtbaren fünf“ (Google, Microsoft, Apple, Facebook und Amazon) auf Augenhöhe zu verhandeln. Das ist sicher eine der wichtigsten Aufgaben, die wir von unseren Parlamentariern bei der nächsten Europawahl einfordern sollten.
Ihr Norbert Schnellen