Stichwort der Woche : Blindwütiges Bauen ist keine Lösung

Winterberg-Totallokal : Stichwort der Woche, von Norbert Schnellen

win­ter­berg-total­lo­kal : Woh­nen ist eines der wich­tigs­ten mensch­li­chen Grund­be­dürf­nis­se. Wenn man den vor­herr­schen­den Aus­sa­gen von Poli­ti­kern und Mei­nungs­schaf­fen­den Glau­ben schenkt, ist es mit der Befrie­di­gung die­ses mensch­li­chen Grund­be­dürf­nis­ses in unse­rem Land schlecht bestellt. Danach gibt es, vor allen Din­gen in den „wich­ti­gen“ urba­nen Bal­lungs­zen­tren, eine gro­ße Woh­nungs­not. Um die­sen Miss­stand zu behe­ben gibt es angeb­lich nur eine Lösung : Bau­en ! Nun fragt man sich, ob sich die­se Men­schen in ihren Frak­ti­ons- oder Redak­ti­ons­sit­zun­gen nur gegen­sei­tig die Taschen voll­ma­chen und den jewei­li­gen Chefs nach dem Mund reden, oder ob sie sich wirk­lich mal neu­tral infor­mie­ren. Tat­sa­che ist, dass sich der Wohn­raum pro Kopf von 22 m² in 1965 auf knapp 50 m² in 2017 mehr als ver­dop­pelt hat. Gegen die­se Sta­tis­tik argu­men­tie­ren die „Exper­ten“ natür­lich mit der Fest­stel­lung, dass in den länd­li­chen Regio­nen alte Leu­te rie­si­ge Häu­ser bewoh­nen und die jun­gen Leu­te in die  gro­ßen Städ­te zie­hen um dort Arbeit zu fin­den. Die­ser Trend wür­de sich in den nächs­ten Jah­ren noch ver­stär­ken. Dage­gen spricht jedoch die Sta­tis­tik : Die Arbeits­lo­sen­quo­te im „ange­sag­ten“ Ber­lin liegt bei 7,6 Pro­zent, im „kul­ti­gen“ Köln bei 7,4 Pro­zent, im „toten“ Jena hin­ge­gen nur bei 5 Pro­zent. In Mün­chen liegt sie natür­lich nur bei 3,2 Pro­zent, unge­fähr so hoch wie im Vogels­berg­kreis mit 3,5 Pro­zent. Zum Ver­gleich : Im Alt­kreis Bri­lon lie­gen wir der­zeit bei 2,7 Prozent !

Was ist jetzt mit der Woh­nungs­not in den Groß­städ­ten ? Natür­lich gibt es die, aber das Pro­blem ist nicht ein Man­gel an Wohn­raum, son­dern ein Man­gel an bezahl­ba­rem Wohn­raum. Jahr­zehn­te­lang hat man den Woh­nungs­markt dort den Spe­ku­lan­ten und Geld­wä­schern über­las­sen. Die För­de­rung des Wohn­ei­gen­tums wur­de fast gegen Null zurück­ge­fah­ren und kom­mu­na­ler und gemein­nüt­zi­ger Wohn­raum wur­de im gro­ßen Stil pri­va­ti­siert. Der soge­nann­te „freie Markt“ trieb die Prei­se hoch, es wur­de mit kri­mi­nel­len Mit­teln ent­mie­tet und dann „luxus­sa­niert“. Wenn man jetzt hin­geht und wei­te­re Bau­ge­bie­te aus­weist, noch mehr Flä­chen ver­sie­gelt und Anrei­ze für zwie­lich­ti­ge Inves­to­ren schafft, lin­dert das in kei­ner Wei­se die Woh­nungs­not son­dern ist nur ein Aus­druck der Zunah­me von Kor­rup­ti­on und Kri­mi­na­li­tät bei vie­len poli­ti­schen Ent­schei­dern. Die Fol­ge sind rück­sichts­lo­se Ein­grif­fe in die Umwelt und dau­er­haft noch mehr sozia­le Ungerechtigkeit.

Um die tat­säch­li­che Woh­nungs­not effek­tiv, nach­hal­tig und res­sour­cen­scho­nend zu bekämp­fen, müss­te sich unse­re Gesell­schaft kom­plett umge­stal­ten. Ein Haupt­grund für die Wohn­raum­knapp­heit ist näm­lich auch die sin­ken­de Per­so­nen­zahl pro Haus­halt. Die­se Sin­gu­la­ri­sie­rung führt näm­lich zu einer star­ken Zunah­me des Platz­be­darfs, weil sich in einem Mehr­per­so­nen­haus­halt meh­re­re Men­schen Gemein­schafts­räu­me tei­len, wäh­rend ein Sin­gle­haus­halt Wohn­zim­mer und Küche allei­ne nutzt. Die Lösung wäre wie­der mehr Gemein­schaft, also WGs in denen zwar jeder einen pri­va­ten Bereich hat, es aber auch gemein­schaft­lich genutz­te Räu­me gibt. Der posi­ti­ve Neben­ef­fekt wäre gegen­sei­ti­ge Rück­sicht­nah­me und höhe­re Sozi­al­kom­pe­tenz. Die Fra­ge ist nur, wie sich so etwas in einer weit­ge­hend ego­is­ti­schen Gesell­schaft umset­zen lässt.

Quel­le : Ihr Nor­bert Schnellen

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