Stichwort der Woche : Integration durch Tradition

Winterberg-Totallokal : Stichwort der Woche, von Norbert Schnellen

win­ter­berg-total­lo­kal : Am kom­men­den Wochen­en­de beginnt in Bri­lon das Schüt­zen­fest und fin­det mit der Schna­de am Mon­tag und dem Vogel­schie­ßen am Diens­tag sei­ne Höhe­punk­te. Eine sehr lan­ge Tra­di­ti­on, die bis heu­te mit Stolz von einem Groß­teil der Bevöl­ke­rung gepflegt wird. Sind sol­che Tra­di­tio­nen in unse­rer zuneh­mend glo­ba­len Welt heu­te eigent­lich noch zeit­ge­mäß und poli­tisch kor­rekt, oder die­nen sie viel­mehr dazu, dass sich die alt­ein­ge­ses­se­ne Bevöl­ke­rung von neu hin­zu­kom­men­den Men­schen abgrenzt ? Es lohnt sich sicher die­ser Fra­ge mal auf den Grund zu gehen.

Vor 200 Jah­ren hat­te die heu­ti­ge Kern­stadt Bri­lon eine Ein­woh­ner­zahl von ca. 3.500 Men­schen. Heu­te leben im Kern­stadt­be­reich knapp 15.000 Ein­woh­ner. Im 19. Jahr­hun­dert litt die Stadt unter einer star­ken Abwan­de­rung. In der 2. Hälf­te des 20. Jahr­hun­derts änder­te sich die Situa­ti­on. Durch einen star­ken Zuzug von Men­schen aus den deut­schen Ost­ge­bie­ten stieg die Bevöl­ke­rung rasant an. Die posi­ti­ve wirt­schaft­li­che Ent­wick­lung durch die Ansied­lung bedeu­ten­der Gewer­be­un­ter­neh­men hat inzwi­schen dafür gesorgt, dass die demo­gra­fi­sche Ent­wick­lung hier etwas posi­ti­ver aus­fällt als in vie­len ande­ren länd­li­chen Berei­chen. Wenn man jetzt mal unter­sucht, wie­viel der heu­te in Bri­lon leben­den Men­schen noch Nach­kom­men der Fami­li­en sind, die bereits vor 200 Jah­ren hier ansäs­sig waren, stellt man fest, dass deren Zahl rela­tiv über­sicht­lich ist. Dafür füh­len sich die meis­ten der spä­ter zuge­zo­ge­nen Fami­li­en heu­te mit Fug und Recht als „Ur-Bri­lo­ner“ und hal­ten die Tra­di­ti­on von Schüt­zen­fest und Schna­de, nach „alter Väter Sit­te“, bis heu­te in Ehren. Es ist also mehr als eine blo­ße Theo­rie, dass die Pfle­ge von Brauch­tum und Tra­di­ti­on eher inte­gra­tiv, denn als aus­gren­zend wirkt.

Natür­lich ist die heu­ti­ge Zuwan­de­rung nicht mit dem Zuzug von Men­schen aus den deut­schen Ost­ge­bie­ten vor 70 Jah­ren zu ver­glei­chen. Sprach­li­che und kul­tu­rel­le Unter­schie­de bau­en viel höhe­re Schran­ken auf. Trotz­dem ist es für eine gelun­ge­ne Inte­gra­ti­on hilf­reich, wenn der­je­ni­ge, der sich inte­grie­ren will, gewach­se­nen Struk­tu­ren vor­fin­det. Tra­di­tio­nen und gesell­schaft­li­che Ritua­le, wie das Schüt­zen­fest und die Schna­de, bie­ten hier­bei sicher mehr Ori­en­tie­rung als eine wer­te­lo­se Gesell­schaft ohne eige­ne Identität.

Ihr Nor­bert Schnellen

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