Heidi : Aus der Schweiz über Frankfurt nach Hallenberg

Winterberg-Totallokal : Freilichtbühne Hallenberg feiert gefühlvolle und witzige Première

win­ter­berg-total­lo­kal : Vorspann:Schweizer Berg­luft schnup­pern in Hal­len­berg : Die Frei­licht­büh­ne hat ver­gan­ge­nen Sonn­tag ihre Sai­son eröff­net mit der Pre­miè­re des Fami­li­en­stücks „Hei­di – Das Musi­cal“. 690 Zuschau­er beglei­te­ten die quir­li­ge Hei­di auf ihren Aben­teu­ern in den Schwei­zer Ber­gen und dem fer­nen Frankfurt.

„Grüezi, Grüezi, guten Mor­gen, in den Ber­gen hat man kei­ne Sor­gen!“, das wür­de die klei­ne Hei­di wohl genau so unter­schrei­ben. Wer kennt ihre Geschich­te nicht ? Hei­di, gespielt von Lena Alt­haus, lebt glück­lich auf der Alm bei ihrem Groß­va­ter, dem Alm-Öhi (Hubert Kunick). Mit ihrem bes­ten Freund Peter (Bas­ti­an Bri­el) hütet sie am liebs­ten die Zie­gen. Wie­sen, Ber­ge, fri­sche Luft – die Natur ist ihre Welt, und an Neben­säch­li­ches wie Schu­le ist da nicht zu den­ken. Es könn­te nicht bes­ser sein, bis eines Tages Hei­dis fesche Tan­te Dete (Johan­na Mau­se) aus dem fer­nen Frank­furt auf die Alm kommt und ihre Nich­te mit in die Stadt neh­men will. Denn Herr Sese­mann (Ulrich Cap­pel), ein rei­cher Geschäfts­mann, hat nach einer Gefähr­tin für sei­ne Toch­ter Kla­ra, gespielt von Lana Löwer, suchen las­sen. Sie ist seit dem Tod ihrer Mut­ter an den Roll­stuhl gefes­selt und ver­lebt mit der stren­gen Gou­ver­nan­te Fräu­lein Rot­ten­mei­er (Anne­ma­rie Hes­se) einen ein­tö­ni­gen All­tag, wäh­rend Herr Sese­mann selbst meis­tens auf Geschäfts­rei­se ist. Dete erzählt Hei­di das Blaue vom Him­mel über Frank­furt – und ohne gro­ße Dis­kus­sio­nen wird das Mäd­chen mitgeschleift.

Im Hau­se Sese­mann kommt Hei­di erst ein­mal nicht son­der­lich gut an, für bei­de Sei­ten ist es ein regel­rech­ter Kul­tur­schock. Falsch geklei­det, ohne Manie­ren, laut und gänz­lich unge­bil­det treibt „das wil­de Natur­kind“ Fräu­lein Rot­ten­mei­er in den Wahn­sinn. Und Hei­di ver­steht die Welt nicht mehr. Wo sind ihre gelieb­ten Ber­ge, was soll sie mit Büchern und war­um gibt es so vie­le Ver­bo­te ? „Damit das klar ist : In die­sem Haus redest du nur, wenn du gefragt wirst!“, weist Frl. Rot­ten­mei­er die Klei­ne sofort zurecht.

Auch im Haus­un­ter­richt prallt Land mit einem gewal­ti­gen Wumms auf Stadt : „Strümp­fe stop­fen, Käse machen, Zie­gen mel­ken!“ – das war nicht die Ant­wort, die die Gou­ver­nan­te sich erhofft hat­te, als sie wis­sen woll­te, was Hei­di schon alles gelernt hat. Ent­spre­chend amü­sant geht der Unter­richt von­stat­ten. Dar­an, dass das „Q“ in Frank­furt ein Buch­sta­be ist und kein Tier, muss Hei­di sich erst­mal gewöh­nen. Zur Belus­ti­gung von Kla­ra, für die es eine ech­te Erfri­schung ist, die auf­ge­weck­te Hei­di um sich zu haben statt nur mit Erwach­se­nen zusam­men zu sein. Die Mäd­chen wer­den gute Freun­din­nen, aber auch das kann Hei­di nicht vom star­ken Heim­weh ablen­ken, unter dem sie lei­det. Nicht ein­mal vom Frank­fur­ter Kirch­turm aus kann sie die Ber­ge sehen ! Außer­dem erfährt sie schnell, wie die Men­schen in der Stadt sind : immer in Eile, schwarz geklei­det, anonym und arro­gant. Ob Hei­di ihre gelieb­te Hei­mat, den Alm-Öhi und den Zie­gen­pe­ter jemals wie­der­se­hen darf ?

Die ori­gi­na­len Hei­di-Roma­ne sind fast 140 Jah­re alt, aber zu ihrer The­ma­tik fehlt uns heu­te des­we­gen kei­nes­falls der Bezug, im Gegen­teil : „Hei­mat, bezie­hungs­wei­se der Ver­lust von Hei­mat ist immer ein aktu­el­les The­ma“, fin­det Regis­seu­rin Bär­bel Kand­zio­ra, auf gro­ßer wie auf klei­ner Ebe­ne. Ob es Flücht­lin­ge sind, die ihre Hei­mat ver­las­sen, oder die Fami­lie, die wegen eines Jobs umzie­hen muss, ja, sogar ein Kind, das in den Kin­der­gar­ten kommt – alle müs­sen sich in die neue Situa­ti­on ein­le­ben und ler­nen, sich hei­misch zu füh­len. Immer mit der Hoff­nung, dass die Leu­te einem wohl­wol­lend und mit offe­nen Armen begegnen.

Das zu ver­kör­pern ist dem Hal­len­ber­ger Ensem­ble aus­ge­spro­chen gut gelun­gen. Lena Alt­haus spielt die Hei­di. Es ist nicht die ers­te gro­ße Rol­le der 13-Jäh­ri­gen : bei Pip­pi Lang­strumpf in 2016 hat sie schon die Anni­ka gespielt. Des­halb hat­te sie auch nicht mit Auf­re­gung zu kämp­fen : „Lam­pen­fie­ber habe ich gene­rell gar nicht.“ Und das merkt der Zuschau­er auch. Lena spielt die Hei­di abso­lut text­si­cher und ist zu hun­dert Pro­zent in der Rol­le. Das hat auch Regis­seu­rin Bär­bel Kand­zio­ra beein­druckt. „Mit Lena zu arbei­ten ist ein Geschenk. Sie ist sehr talen­tiert, spielt natür­lich und sagt nicht nur den Text auf, son­dern lebt es sel­ber.“ Kand­zio­ra ist selbst sehr glück­lich damit, wie das Stück gewor­den ist – obwohl sie am Anfang skep­tisch war, als klar war, dass „Hei­di“ gespielt wer­den soll­te. „Man hat eben direkt eine bestimm­te Vor­stel­lung davon im Kopf“, sagt die 53-Jäh­ri­ge. Als sie dann aber das Text­buch von Kom­po­nist und Regis­seur Claus Mar­tin gele­sen hat, das dem Musi­cal zugrun­de liegt, sei sie begeis­tert gewe­sen. Davon hat sich wohl auch das Ensem­ble anste­cken las­sen. „Alle sind voll mit dabei“, freut sich Bär­bel Kand­zio­ra. „Sie haben auch noch­mal einen qua­li­ta­ti­ven Sprung gemacht im Ver­gleich zum letz­ten Jahr“, und das trotz anspruchs­vol­ler Cho­reo­gra­fien und Gesangs­parts, die natür­lich mehr Arbeit bedeu­ten als ein rei­nes Text­stück. Dass „Hei­di“ als Musi­cal auf­ge­führt wird, hat die Regis­seu­rin aber nicht als beson­de­re Her­aus­for­de­rung gese­hen : „Es ist eher ein Geschenk. Es ist ein Plus, weil Gesang und Tanz die Stim­mung heben und das Stück tra­gen und es leben­dig machen.“

Damit hat sie Recht. „Hei­di“ ist eine unglaub­lich leben­di­ge Insze­nie­rung mit groo­vi­gen Songs und schö­nen Tän­zen. Sowohl Kin­der als auch Erwach­se­ne haben Spaß beim Zuschau­en, denn aber­mals ver­filmt hat „Hei­di“ hat gan­ze Gene­ra­tio­nen in deren Kind­heit beglei­tet – fast jeder kann etwas mit der klei­nen Schwei­ze­rin anfan­gen. Die Kulis­se mit der uri­gen Alm­hüt­te, dem vor­neh­men Frank­fur­ter Jugend­stil­haus sowie die authen­ti­schen Kos­tü­me wecken direkt Kind­heits­er­in­ne­run­gen, sodass einem warm ums Herz wird. Zudem über­zeugt das Ensem­ble sowohl in hei­te­ren, als auch eini­gen betrüb­ten Sze­nen mit sei­ner schau­spie­le­ri­schen Leis­tung – neben Lena Alt­haus sei auch die gran­dio­se Ver­kör­pe­rung des Fräu­lein Rot­ten­mei­ers durch Anne­ma­rie Hes­se erwähnt – sodass man nicht umhin­kommt, auch mal ein Trän­chen zu ver­drü­cken oder herz­haft mit­zu­la­chen. Witz, Akti­on und viel Gefühl – die Pre­miè­re des Fami­li­en­stücks war ein gelun­ge­ner Sai­son­auf­takt für die Frei­licht­büh­ne Hallenberg.

Kas­ten :

Nächs­te Spiel­ter­mi­ne für „Hei­di“

Sonn­tag, 10. Juni um 15:30 Uhr

Don­ners­tag, 14. Juni um 9:30 Uhr

Diens­tag, 19. Juni um 9:30 Uhr

Sonn­tag, 24. Juni um 15:30 Uhr

BU.: Bevor es zum Zie­gen­hü­ten geht, wird beim Alm-Öhi (Huber Kunick) und sei­ner Enke­lin Hei­di (Lena Alt­haus) erst ein­mal kräf­tig gefrühstückt.

Quel­le : Ines Alberti

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