Stichwort der Woche : Vor dem Gesetz sind alle gleich ?

Winterberg-Totallokal : Stichwort der Woche, von Norbert Schnellen…

win­ter­berg-total­lo­kal : „Mei­ne Beam­ten kön­nen doch nicht den gan­zen Tag lang mit dem Grund­ge­setz unterm Arm rum­lau­fen!“ Die­se Äuße­rung des ehe­ma­li­gen Bun­des­in­nen­mi­nis­ter Her­mann Höcherl (CSU) ist inzwi­schen ein geflü­gel­tes Wort gewor­den. Dabei ist die­se „Mut­ter unse­rer Geset­ze“ eigent­lich gar nicht so umfang­reich, dass man sie unter dem Arm tra­gen muss, die Stand­art-Schul­aus­ga­be passt bequem in jede Jacken­ta­sche. Wie­so haben wir eigent­lich in Deutsch­land kei­ne Ver­fas­sung son­dern ein Grund­ge­setz ? Das kam so : Vor Grün­dung der Bun­des­re­pu­blik setz­ten die alli­ier­ten Sie­ger­mäch­te der drei west­li­chen Besat­zungs­zo­nen eine Kom­mis­si­on ein, die eine Ver­fas­sung für die geplan­te Staats­grün­dung eines west­deut­schen Staa­tes aus­ar­bei­ten soll­te. Die sowje­ti­sche Besat­zungs­zo­ne blieb, durch den begin­nen­den kal­ten Krieg, hier­bei außen vor. So taten sich die Mit­glie­der der Kom­mis­si­on schwer damit, die­ses Geset­zes­werk als Ver­fas­sung zu bezeich­nen. Das Grund­ge­setz soll­te am 23. Mai 1949, also heu­te vor 69 Jah­ren, erst mal als Pro­vi­so­ri­um in Kraft tre­ten, eine eige­ne Ver­fas­sung soll­ten sich die Deut­schen dann bei ihrer Wie­der­ver­ei­ni­gung geben. Wie wir alle wis­sen, geschah das nicht und wir leben heu­te noch mit dem „pro­vi­so­ri­schen“ Grundgesetz.

Dabei ist das gar nicht so schlecht. Die Väter des Grund­ge­set­zes taten das, was immer sinn­voll ist, sie beschränk­ten sich auf das Wesent­li­che. Je umfang­rei­cher Geset­zes­wer­ke sind, des­to unge­rech­ter wer­den sie. Die Bibel beschränk­te sich auf 10 Gebo­te, damit war für die dama­li­ge Zeit alles gere­gelt. Das Grund­ge­setz ver­fügt über 146 Arti­kel, sicher schon eini­ges mehr, aber immer noch akzep­ta­bel, nur nicht für Poli­ti­ker und Juris­ten. In einer Inter­net­da­ten­bank sind der­zeit 6.396 gül­ti­ge Geset­ze und Ver­ord­nun­gen ein­seh­bar. Eine der­ar­ti­ge Flut von, sich teil­wei­se gegen­sei­tig wider­spre­chen­den Regeln führt nur dazu, dass vie­le Juris­ten jede Men­ge Arbeit haben und kein nor­ma­ler Mensch mehr durch­bli­cken kann, was eigent­lich erlaubt oder ver­bo­ten ist. Wer also über genü­gend Geld ver­fügt um sich teu­re Anwäl­te zu leis­ten ist auf der siche­ren Sei­te, wer kein Geld hat – Pech gehabt.

Als bis­he­ri­ge Krö­nung der über­bor­den­den Geset­zes­flut tritt über­mor­gen das neue Bun­des­da­ten­schutz­ge­setz in Kraft. Was ursprüng­lich von der EU als Schutz von Ver­brau­cher­da­ten vor Staa­ten und Groß­kon­zer­nen gedacht war, ent­puppt sich jetzt als eine Waf­fe, die sich vor allen Din­gen gegen klei­ne Han­dels- und Hand­werks­be­trie­be, sogar gegen Ver­ei­ne rich­tet, die bis­her sorg­los im Inter­net prä­sent waren. Unse­riö­se Abmahn­ver­ei­ne haben sich jetzt schon ein Schlab­ber­lätz­chen umge­bun­den und war­ten dar­auf klei­ne Anbie­ter, die ihrer­seits kein Geld für teu­re Anwäl­te haben, mit saf­ti­gen Abmahn­ge­büh­ren zur Kas­se zu bit­ten. Vie­le die­ser Anbie­ter wer­den dann auf­ge­ben müs­sen, zuguns­ten der gro­ßen Inter­net­kon­zer­ne. Wie heißt es doch gleich im Arti­kel 3 unse­res Grund­ge­set­zes : „Vor dem Gesetz sind alle gleich“ (…aber man­che sind nun mal etwas gleicher).

Ihr Nor­bert Schnellen

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