Stichwort der Woche : Fastenpredigt

Winterberg-Totallokal : Stichwort der Woche, von Norbert Schnellen

win­ter­berg-total­lo­kal : In frü­he­ren Zei­ten, in denen der Kirch­gang noch als gesell­schaft­lich rele­vant galt, muss­ten sich die Men­schen in der vor­ös­ter­li­chen Zeit regel­mä­ßig Fas­ten­pre­dig­ten anhö­ren. Oft kamen dazu beson­ders geschul­te „Pre­digt­mön­che“ in die Gemein­den und for­der­ten in mar­ki­gen Wor­ten die Zuhö­rer zu Umkehr und Buße auf. In den letz­ten Jahr­zehn­ten ist die­se Tra­di­ti­on ziem­lich aus der Mode gekom­men. Zum einen gibt es kei­ne „Pre­digt­mön­che“ mehr, zum ande­ren man­gelt es an Gläu­bi­gen, die sich eine sol­che Pre­digt über­haupt anhö­ren wür­den. Dabei ist es gar nicht so ver­kehrt in der Fas­ten­zeit mal kurz inne­zu­hal­ten und sich ein paar Gedan­ken über sei­nen Lebens­stil und des­sen Aus­wir­kun­gen zu machen.

Einer der wich­tigs­ten Bestand­tei­le der Fas­ten­pre­digt war die Auf­for­de­rung zum Ver­zicht. In unse­rer heu­ti­gen Kon­sum­ge­sell­schaft ist das natür­lich ein abso­lu­tes „No- Go“. Bei Men­schen, die den Wert der eige­nen Per­sön­lich­keit aus­schließ­lich durch beruf­li­chen Erfolg und Kon­sum defi­nie­ren, gilt jemand der Ver­zicht übt als ein tota­ler Loser. Außer­dem wür­de Kon­sum­ver­zicht dazu füh­ren, dass unse­re gesam­te wachs­tums­ori­en­tier­te Wirt­schaft zusam­men­bricht. Ande­rer­seits soll­te es eigent­lich jedem ver­nünf­tig den­ken­den Men­schen klar sein, dass die­se Form der Wirt­schaft, auf­grund begrenz­ter Res­sour­cen und ihrer Aus­wir­kun­gen auf die Umwelt, kei­ne Zukunft mehr hat. Wir leben der­zeit auf Kos­ten künf­ti­ger Gene­ra­tio­nen und vor allen Din­gen auf Kos­ten von eini­gen Mil­li­ar­den Men­schen, die sich unse­ren Lebens­stil nicht leis­ten kön­nen. Um den Fort­be­stand der mensch­li­chen Zivi­li­sa­ti­on auf die­sem Pla­ne­ten nicht zu gefähr­den, müss­ten wir jetzt damit begin­nen auf einen Teil unse­res Wohl­stands zu verzichten.

Um dem nega­tiv besetz­ten Begriff des Ver­zichts aus dem Wege zu gehen, haben die Öko-Wis­sen­schaf­ten den Begriff der „Suf­fi­zi­enz“ geprägt. Das bedeu­tet einer­seits den Ver­zicht auf ent­behr­li­che Tei­le des Kon­sums, ande­rer­seits aber auch eine „Glücks­stei­ge­rung“ durch Ent­schleu­ni­gung. Man soll­te sich also ein­mal ganz kri­tisch hin­ter­fra­gen, ob uns die stän­di­ge Stei­ge­rung des Kon­sums wirk­lich glück­li­cher und zufrie­de­ner macht, oder ob wir uns damit immer mehr über­for­dern. Denn Kon­sum kos­tet ja nicht nur Geld, son­dern auch wert­vol­le Lebens­zeit. Es nützt ja nun mal nichts, wenn ich mir neue elek­tri­sche Gerät­schaf­ten, einen moder­nen SUV oder ein neu­es Hob­by zule­ge und mich zeit­lich damit gar nicht befas­sen kann. Kon­sum bedeu­tet daher in zwei­er­lei Hin­sicht mehr Stress, denn zum einen muss ich das Geld dafür in der Regel erar­bei­ten, zum ande­ren erfor­dern die erwor­be­nen Kon­sum­gü­ter mei­ne Zeit und Auf­merk­sam­keit. Viel­leicht soll­ten wir die anste­hen­de Fas­ten­zeit daher nicht nur zum kör­per­li­chen „Abspe­cken“ nut­zen, son­dern auch dazu unser Kon­sum­ver­hal­ten ein­mal grund­sätz­lich zu hinterfragen.

Ihr Nor­bert Schnellen

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