Stichwort der Woche : „Heer der Sklaven, wache auf!“

Winterberg-Totallokal : Stichwort der Woche, von Norbert Schnellen…

win­ter­berg-total­lo­kal :  Der 1. Mai ist nicht nur ein arbeits­frei­er Wan­der­tag, er ist als „Tag der Arbeit“ eigent­lich der Tag im Jahr, an dem an den Kampf der Arbei­ter um ihre Rech­te erin­nert wer­den soll. An die­sem Tag erklin­gen dann auch wie­der die alten Kampf­lie­der der Arbei­ter­be­we­gung mit ihren „umstürz­le­ri­schen“ Tex­ten. Natür­lich besteht hier­bei eine abso­lu­te Dis­kre­panz zwi­schen den Tex­ten die­ser Lie­der und dem Bild, wel­ches die aktu­el­len Sän­ger die­ser alten Wai­sen bie­ten. Nicht aus­ge­mer­gel­te und geknech­te­te Malo­cher in Lum­pen heben die Faust zum sozia­lis­ti­schen Gruß, son­dern wohl­ge­nähr­te und in fei­ne Anzü­ge gewan­de­te Abge­ord­ne­te und Gewerk­schafts­funk­tio­nä­re sin­gen hier :

„Wacht auf, Ver­damm­te die­ser Erde, die stets man noch zum Hun­gern zwingt!“ Man merkt sofort, sich sel­ber kön­nen die­se Leu­te bestimmt nicht mei­nen. Wen dann ? So sehr man sich auch umschaut, zer­lump­te Gestal­ten, die 18 Stun­den am Tag mit dem Vor­schlag­ham­mer auf glü­hen­des Eisen schla­gen oder arme Weber, die Deutsch­land das Lei­chen­tuch weben, fin­det man heu­te in die­sem Land eher sel­ten. Wenn man dann die Aus­sa­gen der eben noch sin­gen­den Poli­ti­ker hört, vor allen Din­gen, wenn sie sich in Regie­rungs­ver­ant­wor­tung befin­den, geht es doch der Mehr­heit in die­sem Land sehr gut. Kaum Arbeits­lo­se, hohe Sozi­al­stan­dards, man könn­te mei­nen, dass die Welt­re­vo­lu­ti­on schon statt­ge­fun­den hat und wir uns bereits in einem Arbei­ter- und Bau­ern­pa­ra­dies befin­den, in dem „die Sonn‘ ohn‘ Unter­lass“ scheint.

Seit sich im 19. Jahr­hun­dert die Arbei­ter­be­we­gung for­mier­te und sich mit ihren Kampf­lie­dern gegen­sei­tig Mut mach­te, ist viel Zeit ver­gan­gen. Zwei Welt­krie­ge in denen Arbei­ter auf Arbei­ter schie­ßen muss­ten, meh­re­re Ver­su­che einen „real exis­tie­ren­den Sozia­lis­mus“ auf­zu­bau­en, die jedes Mal in schreck­li­chen Mili­tär­dik­ta­tu­ren und Poli­zei­staa­ten ende­ten, haben den Traum von einer gerech­ten Welt plat­zen las­sen. Gewon­nen hat der Kapi­ta­lis­mus, der es im Wett­streit der Sys­te­me geschafft hat ein mensch­li­ches Gesicht zu zei­gen und so im „west­li­chen Lager“ für Ruhe sorg­te. Mit der welt­wei­ten „Glo­ba­li­sie­rung“ nahm er den Sozia­lis­ten sogar ihren Traum von der „Inter­na­tio­na­le“ weg und schaff­te es, mit stän­di­gem Wirt­schafts­wachs­tum und ste­ti­gen Kon­sum­an­rei­zen die Men­schen in eine, kaum als sol­che wahr­ge­nom­me­ne, Abhän­gig­keit zu brin­gen. Auf der Stre­cke blie­ben bei die­ser Ent­wick­lung die Umwelt und die Freiheit.

Wenn man heu­te mit Men­schen spricht, egal ob mit Selbst­stän­di­gen oder abhän­gig Beschäf­tig­ten, spürt man oft, dass sich vie­le nicht mehr ganz wohl in ihrer Haut füh­len. Kaum einer schiebt das auf unser der­zei­ti­ges Wirt­schafts­sys­tem, die Ursa­chen wer­den viel mehr im eige­nen Unter­neh­men oder in der eige­nen Per­son gesucht. Was nur weni­ge wis­sen, die Strip­pen­zie­her der Glo­ba­li­sie­rung haben den „inter­na­tio­na­len Wett­be­werb der Arbeits­kräf­te“ schon längst als Bestand­teil ihrer Gewinn­ma­xi­mie­rung ent­deckt. Zusam­men mit der „Indus­trie 4.0“, also der Digi­ta­li­sie­rung der Arbeits­welt, führt das dazu, dass der Wert des „Pro­duk­ti­ons­fak­tors Arbeit“ immer nied­ri­ger wird und die Arbei­ter­klas­se immer recht­lo­ser. Viel­leicht ist es jetzt wie­der an der Zeit, sich auf die alten Arbei­ter­tra­di­tio­nen zu besin­nen : „In Stadt und Land, ihr Arbeits­leu­te, wir sind die stärks­te der Partei’n. Die Müßig­gän­ger schiebt bei­sei­te ! Die­se Welt muss unser sein“.

Ihr Nor­bert Schnellen

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